Formen, auf die kein menschliches Hirn kommt
18. September 2019So innovativ sie sich anhören mögen, neu sind sie nicht. Seit Jahren fallen die Schlagwörter Digitalisierung, Vernetzung, Internet der Dinge, Industrie 4.0, Künstliche Intelligenz immer wieder. Diesmal aber seien die smarten Maschinen wirklich in der Realität angekommen, meint EMO-Generalkommissar Carl Martin Welcker. Und diese Maschinen werden auf der EMO, der weltweiten Leitmesse für die Metallindustrie gezeigt.
Da der Maschinenbau das Rückgrat der deutschen Wirtschaft ist, kamen zur Eröffnung der Messe der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil und der Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur, Andreas Scheuer. Letzterer schafft es allerdings nicht pünktlich - Schuld sei die Deutsche Bahn gewesen, so Scheuer. Der ICE, in dem Scheuer anreisen wollte, fiel wegen eines technischen Defekts aus.
Sind die goldene Zeiten erst mal vorbei?
Da auf der EMO Werkzeugmaschinenbauer aus aller Welt ausstellen und viele Verträge geschlossen werden, gilt die Messe auch als eine Art Frühindikator für den Zustand der Wirtschaft. Bei der letzten EMO 2017 wurden Verträge im Wert von acht Milliarden Euro unterzeichnet. Das entspricht knapp einem Drittel des Jahresumsatzes der Werkzeugmaschinenbranche. In diesem Jahr könnte es weniger Grund zum Jubeln geben.
Nachdem die Werkzeugmaschinenindustrie sich über acht Jahre Hochkonjunktur freuen durfte, hat sich die Lage inzwischen abgekühlt. Man sei insgesamt noch verhalten optimistisch für die weiteren Monate, sagte der Chef des Branchenverbandes der Werkzeugmaschinenbauer (VDW), Wilfried Schäfer. Aber: "Der Maschinenbau in Deutschland hat einen Produktionsrückgang für dieses Jahr prognostiziert, die Unternehmen investieren derzeit zurückhaltend." Der Auftragseingang der Werkzeugmaschinenbauer sei im ersten Halbjahr 2019 um rund ein Fünftel gesunken.
Die EMO ist aber mehr als ein Konjunkturindikator, sie zeigt auch, auf welche Fertigungstechniken die Unternehmen in Zukunft setzen. Ein solcher Treiber könnte "umati" werden.
Kein "Turm zu Babel"-Chaos in der Produktion
Was klingt wie eine neue Sushi-Art, ist in Wirklichkeit eine neue Maschinensprache. Denn damit smarte Fabriken, intelligente Maschinen und Werkzeuge miteinander kommunizieren können, braucht es eine gemeinsame, einfache und universell nutzbare Sprache. Geht es nach dem Branchenverband der Werkzeugmaschinenbauer VDW, dann wird diese Sprache "umati" (universal machine tool interface). Auf der letzten EMO vor zwei Jahren wurde das Projekt "umati" initiiert. Seitdem arbeiten verschiedene Werkzeugmaschinenhersteller daran, diese Sprache zu entwickeln.
Nun ist es soweit - auf der diesjährigen EMO wird gezeigt, "dass sich Maschinen verschiedener Hersteller mit 'umati' sicher, naht- und mühelos mit den IT-Systemen des Kunden verbinden lassen", sagt Götz Görisch vom VDW. Er rechnet damit, dass "umati" Anfang des kommenden Jahres fertig sein wird.
Auch im Ausland besteht großes Interesse an der Maschinensprache. So unterstützen Werkzeugmaschinenverbände aus China, Großbritannien, Italien, den Niederlanden, Österreich, der Schweiz, Spanien und Taiwan sowie der europäische Werkzeugmaschinenverband Cecimo das Projekt.
Die Zukunft wird durch KI geformt
Nicht nur in der Raumfahrt, auch in der Autoindustrie wird Künstliche Intelligenz für die Konstruktion von Bauteilen bereits benutzt. So wurde das Landemodul "Curiosity", das 2012 auf dem Mars landete, ebenso wenig im Kopf eines Konstrukteurs geformt, wie die Autoteile, die es auf dem Stand der Firma Autodesk zu sehen gibt.
Der Konstrukteur würde lediglich die Ziele und Einschränkungen der Bauteile festlegen. Er gebe beispielsweise an, welche Belastungen das Teil aushalten müsse, welche Materialien oder welches Herstellungsverfahren benutzt werden solle, erzählt Guido Lieven, der im Vertrieb von Autodesk arbeitet.
Danach fängt der Computer an zu rechnen und spuckt eine ganze Reihe von möglichen Alternativen aus, unter denen der Konstrukteur dann die beste auswählen kann. Das Ergebnis sieht filigran und organisch gewachsen aus. Innenliegenden Gitterstrukturen machen solche Bauteile stabiler und leichter als herkömmliche Lösungen. Und 3-D-Druck ermöglicht, solche unkonventionellen Bauteile zu produzieren. Allerdings dauert das seine Zeit und ist für Massenproduktion daher wenig geeignet.
Weniger CO2 durch Formhonen
In Hannover geht es aber nicht nur um ganz neue Entwicklungen. Es geht auch darum, bestehende Maschinen durch Innovationen zu verbessern. Wie? Das kann man bei Gehring sehen. Das Unternehmen bietet nicht nur Verfahren für Elektromotoren an, sondern auch für Verbrennungsmotoren. "Da haben wir Technologien entwickelt, die die Reibung im Motor um teilweise zehn Prozent und mehr mindern und damit sowohl Emissionen als auch Verbrauch reduzieren", sagt Joachim Jäckl, Marketingleiter bei Gehring.
Durch sogenanntes Formhonen werden Zylinder optimiert. Der Hintergrund: Wenn sich Zylinder im Motor erwärmen, kann es an bestimmten Stellen zu Verformungen kommen. Diese Verformungen werden bei der Herstellung des Zylinders berücksichtigt, indem der Zylinder so produziert wird, das er im kalten Zustand nicht vollkommen rund ist. Erwärmt er sich im laufenden Betrieb, verformt er sich in einer Weise, dass er dann nahezu idealzylindrisch wird. Mit solchen Zylindern kann der Öl- und Kraftstoffverbrauch in Motoren vermindert werden und im Endeffekt auch die CO2-Emissionen reduziert werden.
Mehr als 2100 Aussteller aus 47 Länden zeigen noch bis Sonntag auf der EMO ihre Entwicklungen.