Fortissimo mit 80: der Dirigent Zubin Mehta
29. April 2016Sein Vater Mehli Mehta war Konzertgeiger und gründete das Bombay Symphony Orchestra. Heute wohnt Zubin Mehta meistens in den USA, behält jedoch seinen indischen Pass und fühlt sich als "ein zufällig in Indien geborener Wiener."
Weltbürger wäre eine genauere Beschreibung für den Maestro, der weiterhin zwischen den Kontinenten pendelt. Zubin Mehta wurde am 29. April 1936 in Bombay (dem heutigen Mumbai) geboren und wuchs mit Schallplatten von den Dirigenten Arturo Toscanini und Wilhelm Furtwängler auf. Wien war aber seine eigentliche musikalische Wiege. Nach anfänglichem Medizinstudium - "Meine Familie war gegen die Künstlerlaufbahn, und in Indien sucht die Familie die Berufe für die Kinder aus" - wechselte er 1954 mit 18 Jahren nach Wien und durfte an der Musikhochschule unter dem Dirigentenlehrmeister Hans Swarovsky studieren. Zu seinen Kommilitonen gehörten Claudio Abbado und Daniel Barenboim. Als er Brahms' Erste Sinfonie durch die Wiener Symphoniker zum ersten Mal hörte, war es eine Offenbarung: "Ich dachte, meine Ohren würden explodieren."
Der Megawatt-Dirigent
Explosionsartig entwickelte sich dann auch seine Karriere. Bis 1961 - gerade Mittzwanziger - hatte er bereits die Wiener und die Berliner Philharmoniker dirigiert. 1961-67 war er Chefdirigent des Montreal Symphony Orchestra, 1962-78 Musikdirektor des Los Angeles Philharmonic. 1978 nahm er in der Nachfolge von Pierre Boulez den Chefsessel bei den New Yorker Philharmonikern an und blieb dort 13 Jahre lang. Er war Operndirigent in Florenz, San Francisco, New York, London, Wien, Salzburg, Mailand, Berlin - und ab 1998 für fünf Jahre als Bayerischer Generalmusikdirektor am Nationaltheater in München. Vor allen anderen ist es jedoch das Israel Philharmonic Orchestra, mit dem er sich am stärksten identifiziert. In einem Zeitraum von einem halben Jahrhundert baute es Mehta - dessen "Dirigent auf Lebzeiten" - zu einem internationalen Spitzenorchester auf.
Feuer und Schönklang, Freude, Energie und scharfe Kontraste sind die Charakteristika seiner Interpretationen, die ihm eine große Fangemeinde sicherten. Dabei half auch sein sicherer Spürsinn für öffentlichkeits- und medienwirksame Gelegenheiten: 1990 leitete er den ersten Auftritt der "Drei Tenöre" Jose Carreras, Placido Domingo und Luciano Pavarotti, dann wieder 1994 bei der Fußballweitmeisterschaft in den USA. Gleich fünfmal - 1990, 1995, 1998, 2007 und zuletzt 2015 - dirigierte er das Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker, mit 50 Millionen Zuschauern in 90 Ländern das meist geschaute Klassikevent weltweit. Maßstäbe setzten spektakuläre Inszenierungen der Opern "Tosca" und "Turandot" an den Originalschauplätzen der jeweiligen Handlung: in Rom, und letztere - mit über 300 Statisten und 300 Soldaten - in der "verbotenen Stadt" Peking.
Schneller - dann ruhiger
Das Feuer in seiner Musik entsprach einem flamboyanten Lebensstil. Nach der achtjährigen, gescheiterten ersten Ehe wurde ihm eine Vorliebe für "teure Frauen in schnellen Autos und schnelle Frauen in teuren Autos" nachgesagt. "Ich war ein wirklicher Bonvivant", sagte Mehta selbst. Erst die Ehe im Jahr 1969 mit der Amerikanerin Nancy Kovac, einer ehemaligen Film- und Fernsehschauspielerin, brachte Stabilität in sein Privatleben, die dann auch seiner Musikalität zugute kam: "Mit ihr hat sich mein Lebensstil grundlegend geändert, und mein Musizieren ist gereift."
Der mit Auszeichnungen reichlich bescherte Pultstar - dazu gehört der "Friedens und Toleranz-Preis für das Lebenswerk" der UNO - ist Ehrendirigent mehrerer Spitzenorchester. 2001 wurde ihm der 2434. Stern des "Walk of Fame" in Hollywood gewidmet. 2008 erhielt Mehta das "Praemium Imperiale" des japanischen Kaiserhauses.
Einsatz für Frieden und Versöhnung
Dabei gibt sich Mehta bodenständig und engagiert sich, obgleich indirekt, auch politisch: Während des Sechstagekriegs 1967 eilte er nach Israel und dirigierte das in Gasmasken spielende Israel Philharmonic Orchestra. Mit dem Bayerischen Staatsorchester reiste er 2013 in die Krisenregion Kaschmir, als Versöhnungsappell an Indien und Pakistan.
Der Dirigent, der der kleinen Religionsgemeinschaft der Parsen angehört - aus Altpersien stammend, glauben ihre Angehörige an die Lehren des Propheten Zarathustra - setzt sich gern für die Völkerverständigung ein: Er setzt sich etwa dafür ein, dass ein israelischen Araber in den Reihen des Israel Philharmonic Orchestra mitspielt - bisher allerdings erfolgslos. Er glaubt an die Kraft der Musik, Konflikte zu entschärfen, wenn auch mit Abstrichen: "Heute werden tausende von Konzerten überall in der Welt stattfinden", sagte er in einem Gespräch mit der DW am 11. September 2011 zum Zehnjahrestag der Terror-Anschläge in den USA. "Während der Dauer dieser Konzerte wird jeweils Frieden herrschen. Und so viele tausend Mal Frieden zählt sehr viel. Man darf die Macht der Musik nie unterschätzen." Als wirklich friedensstiftender Faktor reicht diese Macht dennoch nicht: "Die Politik steht im Weg." Aber immerhin: "Musik ist für mich Liebe".
Zu den vielen Konzerten zum 80. Geburtstag Zubin Mehtas gehörte ein Auftritt in Wien mit den dortigen Philharmonikern und seinem langjährigen Freund Daniel Barenboim als Solisten am Klavier. Eine Südamerika-Tournee ist für den August 2016 angesagt. Zum Anlass seines 80. Geburtstags erscheint eine 23-teilige CD-Sammlung in limitierter Edition mit Interpretationen Zubin Mehtas. Einige davon gelten als legendär.