Frankreich hat ein Problem mit Polizeigewalt
26. November 2020Die Staatsanwaltschaft der französischen Hauptstadt eröffnete Ermittlungen gegen die drei Polizisten, die den Mann geschlagen und getreten hatten. Die Justiz wirft den Beamten Gewalt im Dienst und Falschaussage vor. Frankreichs Innenminister Gérald Darmanin forderte von der Polizeipräfektur Paris die Suspendierung der Männer:
Wie die Nachrichtenagentur AFP von Ermittlern erfuhr, enthob der Chef der Nationalpolizei, Frédéric Veaux, die drei Polizisten inzwischen vorläufig des Dienstes. Das Video einer Überwachungskamera zeigt, wie sie den Schwarzen verfolgen, den Musikproduzenten in sein Pariser Studio drängen und ihn dort mit Schlägen, Tritten und Schlagstockhieben traktieren.
In einem schriftlichen Protokoll hielten die Polizisten fest, sie hätten den Mann namens "Michel" auf der Straße ermahnt, weil er keine Maske trug, wie derzeit vorgeschrieben. "Als wir ihn festhalten wollten, hat er uns mit Gewalt in das Gebäude gezerrt", heißt es in dem Protokoll, aus dem die Nachrichtenagentur AFP zitiert.
In dem Schriftstück ist auch von Schlägen des Mannes gegen die Polizisten die Rede. Das ist auf dem Überwachungsvideo aus dem Studio jedoch nicht zu erkennen, das die Internet-Plattform "Loopsider" in ganzer Länge veröffentlichte. Dort ist auch zu sehen, wie weitere Männer dem Mann zu Hilfe eilen und die Polizei aus dem Studio drängen. Die Beamten werfen dann eine Tränengasgranate durch die Tür und führen "Michel" mit gezückten Waffen ab, wie Handyvideos von Anwohnern zeigen.
"Unerträgliche Bilder"
Von "unerträglichen Bildern" sprach der stellvertretende Pariser Bürgermeister Emmanuel Grégoire auf Twitter. Oppositionspolitiker im Parlament verlangten von Innenminister Darmanin das Zurückziehen des umstrittenen Gesetzes, das die Verbreitung solch brutaler Aufnahmen von Polizeiaktionen unter Strafe stellen soll. Auch Bürgerrechtsgruppen und Journalisten befürchten, dass dadurch Gewaltaktionen der Polizei unentdeckt und ungestraft bleiben könnten.
Darmanin hatte sich erst am Dienstag "schockiert" über Bilder von Polizeigewalt gegen Flüchtlinge in Paris geäußert. Am gleichen Tag nahm die Nationalversammlung in erster Lesung sein Gesetz an, das die Verbreitung solcher Aufnahmen unterbinden soll.
Der von Polizisten angegriffene Musikproduzent wurde nach Angaben seines Anwalts nach der Attacke 48 Stunden in Untersuchungshaft genommen. "Wenn die Videos nicht wären, säße mein Klient nun vielleicht im Gefängnis", sagte er der AFP.
Es ist bereits das zweite Mal in dieser Woche, dass eine Untersuchung zu Polizeibrutalität in Paris auf der Basis von Videoaufnahmen des Vorfalls ausgelöst wurde. Die Regierung hatte am Dienstag eine interne polizeiliche Untersuchung angeordnet, nachdem Polizeibeamte bei einem Einsatz auf der Place de la République gefilmt worden waren. Dort hatte sich eine Gruppe von Geflohenen und Migranten zu einer Protestaktion niedergelassen. Mit Knüppeln, Fußtritten, Tränengas und Schlägen gingen die Polizisten gegen friedliche Demonstranten und Beobachter auf Platz vor.
qu/sti (afp, ap, rtr)