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Frankreich stellt das Tragen eines Vollschleiers unter Strafe.

15. September 2010

Als erstes Land in Europa stellt Frankreich das Tragen eines Vollschleiers, einer Burka, unter Strafe. In der Nacht zu Mittwoch billigte der Senat die Gesetzesvorlage - Bernd Riegert kommentiert.

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Bild: DW

Das Verbot der Vollverschleierung, das der französische Senat als zweite Kammer des Parlaments gebilligt hat, ist ein richtiger Schritt. Mit Intoleranz oder gar der Beschneidung der freien Religionsausübung hat er nichts zu tun. Die Vollverschleierung, ob durch Burka oder den Gesichtschleier Nikab, ist ein Integrationshemmnis erster Güte, das eine offene Gesellschaft in Europa nicht dulden kann.

Der Schleier heißt für das Gegenüber übersetzt: "Ich will mit dir nichts zu tun haben. Du darfst mein Gesicht nicht sehen." Die Vollverschleierung ist nicht Teil der Religionsfreiheit, sondern nur ein traditionell überliefertes Werkzeug, um Frauen ihrer Persönlichkeit und Selbstständigkeit zu berauben. Der Eingriff des Gesetzgebers in das persönliche Recht, sich zu kleiden, wie man möchte, ist hier legitim.

Die Debatte ist überfällig

Bernd Riegert, Leiter der Europaredaktion der DW
Bernd Riegert, Leiter der Europaredaktion der DWBild: DW

Frankreich ist das erste Land in der Europäischen Union, das die Burka und Vollverschleierung in der Öffentlichkeit unter Strafe stellen wird. Es ist aber beileibe nicht das einzige, in dem über ein Verbot diskutiert wird. In Belgien ist ein ähnliches Gesetz auf dem Weg. In Dänemark kann das Tragen der Schleier von öffentlichen Einrichtungen untersagt werden. In den Niederlanden, in der Schweiz und Spanien werden Burka-Verbote diskutiert. In Italien gilt ein entsprechendes Vermummungsverbot schon seit 1975.

Auch in Frankreich wird nicht explizit der moslemische Schleier, sondern das Verdecken des Gesichts allgemein geahndet, da sich das Verbot ja nicht gegen eine bestimmte Religion richten soll. Auch in Deutschland ist eine möglichst unaufgeregte Debatte über ein Verschleierungsverbot überfällig. Es geht vor allem um die Rechte der Frauen, nicht um Islamfeindlichkeit.

Anders ist die Situation allerdings in Großbritannien. Dort lehnt die konservativ-liberale Regierung ein Verbot der Vollverschleierung leider ab.

Trennung von Staat und Kirche

Die Debatte um die Gesichtsverschleierung sollte man nicht mit der Debatte um Kopftücher, oder besser gesagt den Türban, vermengen. In staatlichen Einrichtungen haben diese vermeintlich religiösen Symbole des Islam ebenso wenig zu suchen wie christliche Symbole. Die Trennung von Staat und Kirche ist eine wesentliche Errungenschaft der Aufklärung in Europa. In der Türkei wird der Türban als politisch-religiöses Symbol gewertet und darf deshalb auch von Studentinnen nicht in der Universität getragen werden. Diese Praxis hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte bestätigt. So streng ist man aber nicht überall in Europa. In Deutschland dürfen Studentinnen und Schülerinnen den Türban tragen, obwohl er die Integration erschwert.

Es ist bedauerlich, dass sich besonders in den Niederlanden und in Deutschland rechtsradikale Bewegungen die Islamkritik für ihre eigene Ziele zunutze machen. Trotzdem gilt: Nicht jeder, der an islamischen Traditionen, die man als patriarchalische Rückständigkeit werten muss, Kritik übt, ist deshalb gleich ein Neo-Nazi oder Rassist.

Die Debatte in vielen europäischen Staaten zeigt, dass es bei vielen Menschen ein Unbehagen gegenüber vollverschleierten Menschen gibt. Die wenigsten dürften aber je einen zu Gesicht bekommen. Denn die Burka ist in Frankreich, Belgien oder Deutschland ein extrem seltenes Kleidungsstück. Die wenigen Frauen, die sie bislang tragen müssen, werden wohl nicht befreit, sondern eher von ihren Familien jetzt völlig in der privaten Wohnung isoliert. Insoweit bringt das Burka-Verbot für die konkrete Integration der betroffenen Frauen wenig. Aber die Auseinandersetzung mit Auswüchsen der Religionsausübung, die europäischen Werten widersprechen, sollte weitergehen.

Autor: Bernd Riegert

Redaktion: Gero Rueter