Frauen gegen Hitler: Widerstand in der Nazi-Zeit
16. Juli 2024Im Dritten Reich wurden mehrere Attentate auf den Nazi-Führer Adolf Hitler verübt, sie alle schlugen fehl. Der bekannteste Versuch, das nationalsozialistische Regime zu stürzen, war die "Operation Walküre" am 20. Juli 1944.
Mehr als 200 Personen waren daran beteiligt, allen voran der deutsche Heeresoffizier Claus Schenk Graf von Stauffenberg. Außer ihm und seinen Offizierskollegen waren aber auch einige Frauen involviert - darunter Erika von Tresckow, die Ehefrau des beteiligten Majors Henning von Tresckow. Sie überbrachte Botschaften, um militärische und zivile Widerstandsgruppen zu koordinieren, und tippte saubere Kopien der Befehlsentwürfe für die Operation Walküre ab.
Als das Attentat scheiterte, beging Henning von Tresckow Selbstmord. Erika wurde von der Gestapo verhaftet, konnte aber erfolgreich vortäuschen, nichts von den Plänen gewusst zu haben. Sie wurde später freigelassen.
Gründe für den Widerstand
Erika von Tresckow ist eine von 260 Frauen, deren Geschichten derzeit in der Gedenkstätte Deutscher Widerstand in Berlin in der Sonderausstellung "Frauen im Widerstand gegen den Nationalsozialismus" erzählt werden. Sie ist das Ergebnis jahrelanger, vom Deutschen Bundestag geförderter Sonderforschungen zur Rolle von Frauen, die gegen die Nazi-Herrschaft im Dritten Reich aufbegehrten.
Die Geschichten illustrieren verschiedene Formen des Widerstands, sagt Johannes Tuchel, der Leiter der Gedenkstätte der DW. "Das reicht von Frauen, die ins Exil gegangen sind, über Christinnen, Sozialdemokratinnen, Sozialistinnen, aber auch bis hin zu Angehörigen der Swing-Jugend", erklärt er - und meint damit junge Menschen, die sich für den jazzigen Swing begeisterten, der von den Nazis unter anderem wegen seiner schwarzen und jüdisch-amerikanischen Wurzeln abgelehnt wurde.
Bloß kein Gleichschritt
Die Swing-Jugend stehe "für einen alternativen Lebensstil, und von dort ist es dann nur ein kleiner Schritt zu 'abweichendem' Verhalten und etwas, das im Gegensatz zum nationalsozialistischen Vorhaben steht", sagt Tuchel und zitiert dann den verstorbenen deutschen Jazzmusiker und Holocaust-Überlebenden Coco Schumann: "Jemand, der Swing gehört hat, kann nicht im Gleichschritt marschieren."
Zu den Frauen, die sich weigerten, im Gleichschritt zu marschieren, gehörten auch Kommunistinnen, Anarchistinnen, Jüdinnen, Zeuginnen Jehovas und Lesbierinnen. Sie alle sahen sich gezwungen, den Faschismus zu bekämpfen - nicht zuletzt, weil ihre bloße Existenz im Gegensatz zur Nazi-Ideologie stand.
Flugblätter, Postkarten und Propaganda
Einige der Frauen, die in der Gedenkstätte gewürdigt werden, dürften bekannt sein. "Eine Ausstellung über Frauen im Widerstand wird nicht auf den Namen Sophie Scholl verzichten können", sagt Johannes Tuchel - und meint damit das einzige weibliche Mitglied des inneren Kreises der studentischen Widerstandsbewegung "Weiße Rose". Sie wurde im Alter von 21 Jahren hingerichtet, weil sie Flugblätter gegen die Nazis verteilt hatte.
Auch Marlene Dietrichs Geschichte wird erzählt: Der berühmte deutsche Filmstar verließ seine Heimat schon vor der Machtergreifung der Nazis in Richtung Hollywood. Als die USA in den Krieg gegen Nazideutschland eintraten, trat sie für US-Truppen und deutsche Kriegsgefangene in Nordafrika, Italien, Frankreich und Belgien auf. Sie beteiligte sich auch an Propagandamaßnahmen, die darauf abzielten, die Moral der deutschen Zivil- und Militärbevölkerung zu untergraben.
Andere der in der Ausstellung genannten Frauen sind weniger bekannt, aber ihre Geschichten haben Schriftsteller und Filmemacher inspiriert. Erich Maria Remarque, Autor des von den Nazis verbotenen Antikriegsromans "Im Westen nichts Neues", widmete seinen Roman "Der Funke Leben" (1952) seiner jüngsten Schwester Elfriede Scholz. Sie wurde verhaftet und hingerichtet, weil sie den deutschen "Endsieg" als Propaganda abtat. Soldaten an der Front seien nur "Schlachtvieh", sagte sie und wünschte sich den Tod Hitlers herbei.
Elise Hampel und ihr Mann Otto versuchten, mit fast 300 handgeschriebenen Postkarten Stimmung gegen die Nazis zu machen. Sie warfen sie in Berlin eigenhändig in Briefkästen ein oder deponierten sie in Treppenhäusern, nachdem Elises Bruder im Krieg gefallen war. Auch das Paar wurde hingerichtet. Ihre Geschichte inspirierte Hans Fallada 1947 zu seinem Roman "Jeder stirbt für sich allein ", der in den letzten Jahrzehnten an Popularität gewonnen hat und fünf Mal verfilmt wurde.
Zunehmende Kritik - und Verfolgung
Die Hampels, Scholz und Scholl wurden alle 1943 hingerichtet. In diesem Jahr sei die Verfolgung von Frauen, die sich dem Regime widersetzten, verschärft worden, erklärt Johannes Tuchel. Vergehen, die zuvor zu einer sechsmonatigen Gefängnisstrafe geführt hätten, zogen nun oft das Todesurteil nach sich. Genau zu dieser Zeit wuchsen die Widerstandsaktivitäten der Frauen, ergänzt der Leiter der Gedenkstätte.
"In den Kriegsjahren gab es in Deutschland fast keine Männer mehr", erklärt er, denn 1944 dienten rund acht Millionen Männer im Militär. "Das heißt, Frauen haben auch Positionen eingenommen, die bis dahin nur Männer im Alltag eingenommen hatten. Jetzt hatten sie die Doppelbelastung der Fabrikarbeit, die Versorgung der Kinder und der Familie. Damals gab es noch die noch die alten Rollenbilder, aber gleichzeitig gab es eine wachsende Bereitschaft, Dinge kritisch zu hinterfragen."
Das Regime fürchtete Unruhen an der Heimatfront, daher "war die Reaktion auf kritische Äußerungen von Frauen sehr hart (...) Sie galten nicht mehr als Scherz und damit als Heimtücke, sondern ab 1943 als sogenannte ‚Wehrkraftzersetzung‘. Und darauf stand als eine der Möglichkeiten auch die Todesstrafe."
Aus den Widerstandsbemühungen von damals könne man noch heute Lehren ziehen, findet Tuchel: "Es ist möglich, etwas gegen Diktaturen zu tun. Ja, es ist mit einem Risiko verbunden, aber es heißt nicht, dass wir vor politischen Zeitläufen - welcher Art auch immer, welcher totalitären Herausforderung auch immer - resignieren müssen, sondern wir können etwas tun."
Adaption aus dem Englischen: Suzanne Cords