Frauenfußball: Potsdam nicht clever genug
12. September 2021Viel Bohei wurde um die Mittelfeld-Raute gemacht, mit der Eintracht Frankfurt in dieser Saison antritt. Allmählich scheint das neue System zu funktionieren. Selbst wenn der ambitionierte, aber klar unterlegene Aufsteiger 1. FC Köln nicht das Maß aller Dinge war: Beim 4:0 gegen die Kölnerinnen sah vieles gut aus. "Das System passt uns sehr gut", resümierte Stürmerin Lara Prašnikar, die ein Tor und zwei Vorlagen beisteuerte. Zwar sei man immer noch nicht optimal eingespielt, aber: "Wir vorne können jede Position spielen, das macht uns so gut. Es macht einfach Riesenspaß."
Die Eintracht glänzt zudem mit einer bemerkenswerten Offensive, die seit der letzten Saison unverändert geblieben ist: Neben Prašnikar ist dies die erfahrene Österreicherin Laura Feiersinger, die zur Nationalspielerin gereifte Laura Freigang - zuletzt drittbeste Torschützin der Liga - und die erst 20-jährige Shekiera Martinez, die gegen Köln gleich zweimal traf. Da wächst etwas heran. Und auch der Support von den Rängen und die etwas jüngere, mitunter progressive Fan-Klientel heben die Eintracht ab, Gegen die Crème de la Crème der Liga, Bayern und Wolfsburg, wird es erst noch richtig aussagekräftig. Aber schon jetzt spielt Frankfurt ganz oben mit.
Ein Mythos: Zwillinge auf dem Platz
Es gab die Kremers-Zwillinge, die Altintop-Zwillinge und die Bender-Zwillinge - seit 2021 hat der deutsche Fußball nun die Holmgaard-Zwillinge, Karen und Sara bei Turbine Potsdam. Ein bisschen Medienaufmerksamkeit gab es auch schon, freilich im überschaubaren Rahmen der Frauen-Bundesliga. Und am Mythos um Zwillinge ist wohl etwas dran, sagt Karen Holmgaard gegenüber der DW. "Ich habe immer mit meiner Zwillingsschwester zusammen im Verein gespielt. Es ist etwas ganz Besonders mit ihr. Wir wissen genau voneinander, wie wir spielen, wir sind besser, wenn wir zu zweit auf dem Platz stehen." Gegen Leverkusen reichten aber auch zwei Holmgaards nicht. Turbine stand zwar kompakt und zeigte ein lebhaftes, flaches Offensivspiel, aber regelmäßig kamen die letzten Pässe nicht an, zu oft war der Strafraum nach gutem Lauf über außen verwaist.
Als sich die Potsdamerinnen erschöpft hatten, schlugen die Leverkusenerinnen zum 2:0 zu. "Wir hatten unsere Chancen in der ersten Halbzeit, aber wir haben viele Fehler gemacht", resümiert Karen Holmgaard. "Wir haben nicht clever gespielt." Potsdam hatte sich sichtbar gesteigert, aber andere steigern sich schneller. Das bedeutet in der aktuellen Tabelle Platz sieben und mehr Tendenz nach unten als nach oben. Die Luft wird dünner für den Traditionsverein.
Herthas halbe Sachen
Wenn Potsdam langfristig in der Bundesliga überleben will, geht das wohl nur unter dem Schirm von Hertha BSC. Das bedeutet einerseits Identitätsverlust, andererseits die Chance auf frischen Wind. Mit dem Altherren-Publikum in der biederen Turbine-Blase dürfte wenig Zukunft zu machen sein. Tatsächlich gibt es seit zwei Jahren eine Kooperation, eine undurchsichtige allerdings. Über die Höhe der finanziellen Unterstützung sei Stillschweigen vereinbart worden, so Turbine-Geschäftsführer Stefan Schmidt gegenüber der DW. Es sei auch eine strukturelle Unterstützung ausgemacht. "Das könnte auf Feldern wie Marketing und Öffentlichkeitsarbeit sein, bei der Nutzung von Trainingsflächen der Hertha, bei Reha-Optionen oder im Rahmen gemeinsamer Auftritte."
Aber: Herthas "Resistenz" gegenüber Frauenfußball hat eine lange Geschichte. In einem Jahr läuft die Kooperation aus, dann soll evaluiert werden. "Ein Zusammenschluss wie bei Eintracht Frankfurt ist kein Thema", so Schmidt. Noch nicht.
Sommermärchen 2.0
Die deutsche Frauen-Nationalelf bekommt eine eigene Dokuserie. Das haben vor wenigen Tagen der DFB und Warner Bros. verkündet, und man darf das wohl als Ansage des DFB für mehr Sichtbarkeit verstehen. Nach Angaben der Produzenten von Warner Bros. ist es die erste Dokuserie weltweit über ein Frauen-Nationalteam. Interessant ist, wie sehr man sich aktuell auf das Medium Fernsehen fokussiert und wie wenig auf lokale Anbindung. Im Männerfußball und bei den wenigen wirklich populären Frauenteams funktioniert die emotionale Bedeutung - selbst im Streaming-Zeitalter - vielfach über die lokale Ebene, über die Menschen vor Ort, die Fanszene. Hochglanz-Dokumentationen allein werden diese Bedeutung nicht ersetzen.
Spiel auf 5800 Metern in Bolivien
Im Schnee, in schwindelerregenden 5800 Metern Höhe, haben bolivianische Frauen ein Fußballspiel ausgetragen, wie die ARD berichtet. Die Frauen vom indigenen Volk der Aymara wollten damit ein Zeichen gegen Sexismus und Diskriminierung setzen. Der Frauenfußball im eigenen Land kommt indes eher schleppend voran. Noch nie hat sich das Nationalteam für eine WM oder Olympia qualifiziert; die landesweite Meisterschaft gibt es erst seit 2005 und besteht aus einzelnen Stadt-Turnieren, deren Meisterinnen sich für ein K.O.-Turnier qualifizieren.
Der Plan einer Profiliga wurde verschoben. Geldprämien gibt es nicht, stattdessen erhalten die Meisterinnen Ausstattung. Der Verband übernimmt immerhin Verpflegung und Transport. Dafür ist die Dominanz des Teams aus der Wirtschaftsmetropole Santa Cruz endlich gebrochen – den letzten Titel holte erstmals CD Trópico aus Cochabamba. Es ist bisher erst das zweite Team, das nicht aus Santa Cruz kommt.