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"kulturweit" - Kulturaustausch auf Augenhöhe

10. September 2019

Seit 2009 reisen junge Menschen mit "kulturweit" in die Welt und engagieren sich für Kulturprojekte. Der Freiwilligendienst der deutschen UNESCO-Kommission wird nun zehn Jahre alt. Eine Erfolgsgeschichte.

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Die Freiwillige Sophia in einem bunt bemalten Kleinbus bei ihrer Arbeit in Ghana
Bild: DW

"Nach dem Abi stand ich vor der Entscheidung: 'Was mache ich?'" erzählt Serdar Temizbas. "Also schaute ich mich um, welche Möglichkeiten es gibt ins Ausland zu gehen." Der damals 18-Jährige bewarb sich 2009 bei "kulturweit", als einer der ersten Bewerber des Freiwilligendienstes der deutschen UNESCO-Kommission. Wer - wie Serdar - genommen werden will, sollte diese Frage schlüssig beantworten können: "Bist Du motiviert und hast Interesse daran, Dich auf Neues einzulassen?" Knapp 400 junge Leute bejahten das seit 2009 und wurden zu sechs-bis zwölfmonatigen Einsätzen in die Welt geschickt. 

Reichlich Neues erwartete auch Serdar an der Deutschen Schule Instituto Primo Capraro in Argentinien. Schüler vom Kindergarten bis zur 12. Klasse können dort Deutsch lernen und ein Sprachzertifikat erwerben. Das erlaubt ein Studium in Deutschland. Viele deutschstämmige Argentinier schicken ihre Kinder auf das Instituto Primo Capraro, um ihre deutschen Wurzeln nicht zu verlieren.

Der Freiwillige Serdar lacht in die Kamera
Hier hat er noch gut lachen - doch beim Abschied aus Argentinien musste Serdar weinen. Bild: kulturweit

"Ich war das Bindeglied zwischen Schülern und Lehrern", erinnert sich Serdar, "ich saß oft mit im Unterricht, unternahm Ausflüge mit den Kids und vieles mehr. Ich war eine Art 'Mädchen für alles.'" Fotos auf der "kulturweit"-Webseite zeigen den heutigen Alumni beim Fußballspielen, Wandern und Kochen. Und immer wieder die lachenden Gesichter "seiner" Schüler.

"kulturweit" versteht sich nicht als Entwicklungsprojekt und schon gar nicht als Einbahnstraße für den Kulturexport. Vielmehr geht es um Erfahrungs- und Kulturaustausch, und zwar "auf Augenhöhe" wie Programmleiterin Anna Veigelt betont. "Die jungen Leute sollen nicht mit vorgefertigten Antworten ins Ausland gehen", sagt auch "kulturweit"-Sprecher Peter Martin, "sondern verstehen lernen, warum Dinge anderswo anders funktionieren." Er selbst, so Martin, habe als Freiwilliger in einem rumänischen Altenheim gelernt, "Grenzen zu überwinden - nicht unbedingt politische, aber zwischenmenschliche und eigene Grenzen".

Die meisten Freiwilligen in Südamerika

Julia Minners unterrichtet Schüler in Namibia im Malen.
Julia Minners war mit kulturweit in Namibia.Bild: Dani Leese

Tadschikistan? Als Lukas von seinem Einsatzland in Zentralasien erfuhr, musste er erst einmal grinsen - um dann zu googeln, denn "Tadschikistan", das klang fremd und weit, weit weg. Sechs Monate half Lukas 2015 dann im Deutschunterricht an einer Schule der Hauptstadt Duschanbe. "Zwischen Plov, Prunk und tadschikischer Melancholie", erinnert er sich, "habe ich ein Land voller Brüche und Widersprüche entdeckt - und voll von herzlicher Gastfreundschaft." Auch Lukas' Geschichte kann man auf der Webseite von "kulturweit" nachlesen.

Die Freiwilligenarbeit von "kulturweit" hängt am Zusammenspiel vieler Partner, die Einsatzstellen rund um den Globus anbieten. Zum Netzwerk gehören die Mittlerorganisationen der Auswärtigen Kulturpolitik, darunter der Deutsche Akademische Austauschdienst, das Deutsche Archäologische Institut, das Goethe-Institut, der Pädagogische Austauschdienst zusammen mit der Zentralstelle für das Auslandsschulwesen, die Kulturorganisation der Vereinten Nationen und - last, but not least - die Deutsche Welle Akademie in Bonn.

Zum Abschied ein Lied

Die Freiwillige Sophie half Menschen in Ghana und Namibia
Sophie war mit "kulturweit" in Ghana und NamibiaBild: DW

Viele Freiwillige assistieren beim Deutschunterricht, packen bei Kulturprojekten mit an oder machen sich für das Unesco-Netzwerk stark. Wer mit "kulturweit" ins Ausland geht, wird in Seminaren darauf intensiv vorbereitet. In ihnen geht es weniger um Politik, Wirtschaft oder Geschichte der besuchten Länder. Wichtiger sei es, die Teilnehmer für die fremde Kultur zu sensibilisieren. Denn schließlich, so "kulturweit"-Sprecher Martin: "Die Freiwilligen werden im Ausland automatisch als Vertreter Deutschlands wahrgenommen." Nach seiner Statistik waren im vergangenen Jahr rund ein Drittel aller Freiwilligen in Lateinamerika tätig, ein weiteres Drittel machte sich in den Ländern Mittel-, Südost- und Osteuropas nützlich. Dagegen zog es weit weniger nach Afrika (13 Prozent) oder gar in den Nahen Osten (ein Prozent).

Freiwillige von "kulturweit" bei einem Besuch im Auswärtigen Amt 2010
Freiwillige von "kulturweit" bei einem Besuch im Auswärtigen Amt 2010Bild: UNESCO

In diesem Herbst feiert "kulturweit" sein zehnjähriges Bestehen. Geplant sind Ideenwerkstätten und eine Zukunftswerkstatt am 12. und 13. September. Zu einem Festakt in Berlin hat sich Bundesaußenminister Heiko Maas angesagt. Immerhin fördert das Auswärtige Amt "kulturweit" mit rund 5 Millionen Euro jährlich.

Ein ganzes Jahr verbrachte Serdar an der Deutschen Schule in Argentinien. An einem der letzten Tage vor seinem Abschied saß er beim Essen in der Schulkantine, als plötzlich viele Stimmen laut seinen Namen riefen. Als er aufstand und vor die Tür trat, begannen Kinder ein Lied zu singen, das jemand für ihn geschrieben hatte. "Das war der Moment", sagt Serdar, "in dem ich vor Freude, vor Trauer aber auch vor Dankbarkeit weinen musste."