1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Frieden ist das höchste Gut

Philipp Sandner10. März 2013

Freude und Anerkennung herrscht in und außerhalb Kenias über den friedlichen Wahlverlauf. Präsident Kenyatta bekommt weniger Respekt. Diplomaten mahnen ihn zur Zusammenarbeit mit dem Internationalen Strafgerichtshof.

https://p.dw.com/p/17uYs

"Ich bin dankbar, dass die Kenianer am Frieden festgehalten haben." So kommentierte Bischof Lawrence Chai in der Hafenstadt Mombasa den Wahlausgang in Kenia. Sätze wie diesen hört man in Kenia jetzt öfter. Die Angst sitzt allen noch tief in den Knochen. Nach den Wahlen im Dezember 2007, die eine Welle von Gewalt im Land ausgelöst hatten, ist die Haltung jetzt: Alles, nur das nicht wieder. In der westkenianischen Stadt Kisumu, wo die Spuren der Unruhen noch deutlich sichtbar sind, blieben deshalb die Läden geschlossen, als der Vorsitzende der Wahlkommission am Samstagnachmittag (09.03.2013) den Sieger bekannt gab.

Kisumu ist eine Hochburg des unterlegenen Kandidaten Raila Odinga, dem schon 2007 nur der zweite Platz beschert war. Damals zweifelte Odinga das Ergebnis an. Einige seiner Anhänger begingen Racheakte an Kikuyu - Angehörigen der Volksgruppe des siegreichen Präsidenten Mwai Kibaki. Doch in Kisumu ging die größte Gewalt von der Polizei aus, die Proteste der Wahlverlierer unterdrückte. In diesem Zusammenhang steht Uhuru Kenyatta in Den Haag vor Gericht - eben jener Kenyatta, der nun gegen Odinga gewonnen hat. Er soll an der Planung der Gegenschläge gegen Odingas Unterstützer beteiligt gewesen sein, die Hunderte Todesopfer forderten. Die Nachricht von Kenyattas Sieg bei den Wahlen am Montag hat deshalb keine Begeisterung in Kisumu ausgelöst - doch einen lauten Aufschrei hat es auch nicht gegeben.

Zerrissenes Wahlplakat von Raila Odinga zwischen denen von Uhuru Kenyatta, neuer Präsident Kenias am 8. März 2013 (Foto: Reuters).
Raila Odinga (Mitte) verlor gegen das Wahlbündnis von Uhuru KenyattaBild: REUTERS

Auch verlieren können

"Es ist so, wie wenn man einen Kranken pflegt", beschreibt DW-Korrespondent John Marwa die Stimmung in Kisumu im Laufe der Woche. "Man sieht ihn lange leiden, bis man irgendwann wünscht, er möge in Frieden sterben." Die Menschen seien müde, weil sie so lange auf das Ergebnis warten mussten. Schon in den ersten Hochrechnungen lag Odinga hinten. "Wer kämpft, muss auch verlieren können", sagt ein Junge aus Kisumu, "aber es sollte schon ein fairer Kampf sein."

Dass er fair war, da sind sich viele nicht so sicher. So wird hinter vorgehaltener Hand bemängelt, dass die elektronische Stimmabgabe nicht funktionierte. Einigen erscheint es verdächtig, dass die Ergebnisse so lange auf sich warten ließen. Doch die Bevölkerung will beweisen, dass es auch ohne Gewalt geht. Viele in Mombasa seien für Odingas Wahlbündnis gewesen, sagt ein Mann dort. Ob sie wollten oder nicht, nun müssten sie das Ergebnis akzeptieren: "Wer deine Mutter heiratet, den musst du als Vater annehmen." So einfach sei das.

Kein Wort zu Kenyatta

Internationale Anerkennung gab es so auch besonders für den friedlichen Verlauf der Wahlen. Der deutsche Außenminister Guido Westerwelle gratulierte "dem kenianischen Volk, das in großer Würde und mit viel Geduld seine demokratischen Rechte wahrgenommen hat". Seine Glückwünsche galten auch "all denen, die von den Menschen in Kenia in Verantwortung gewählt worden sind." Der Name des Siegers fiel bei den Grüßen aus dem Ausland erstaunlich selten. Ebenso wie Westerwelle erwähnte auch der US-amerikanische Außenminister John Kerry Kenyatta mit keinem Wort.

Portrait von Deutschlands Außenminister Guido Westerwelle in London am 7. März 2013 (Foto: picture-alliance/dpa).
Deutschlands Außenminister Westerwelle wandte sich lieber direkt ans kenianische VolkBild: picture-alliance/dpa

Grund für die Zurückhaltung ist das Verfahren gegen Kenias neuen Präsidenten am Internationalen Strafgerichtshof. Einen Präsidenten, gegen den Den Haag ermittelt, hat sonst nur der Sudan - die internationalen Beziehungen mit ihm bewegen sich deshalb um den Nullpunkt. Präsident Omar Al-Bashir widersetzte sich bisher dem Haftbefehl. Dass Kenyatta, der am 9. Juli wieder vor dem Strafgerichtshof erscheinen muss, seine bedingungslose Kooperation mit dem Gericht zugesagt hat, hilft ihm wenig. So will Großbritannien die Zusammenarbeit mit Kenia in Zukunft auf ein Minimum beschränken, auch die USA hatten im Vorfeld mit Konsequenzen gedroht.

Anhänger von Kenias neuem Präsidenten Uhuru Kenyatta feiern ausgelassen dessen Wahlsieg in einem Vorort von Nairobi am 9. März 2013 (Foto: Reuters).
Kenyattas Anhänger feierten in Nairobi ausgelassenBild: Reuters

Einer gratulierte nicht

Neben den Glückwünschen gab es also auch Ermahnungen. Guido Westerwelle appellierte an alle Seiten, "mit Ruhe und Besonnenheit zu reagieren". Beschwerden seien auf dem Rechtsweg vorzubringen. "Wir gehen davon aus, dass Kenia seine internationalen Verpflichtungen wie bisher zuverlässig erfüllt", hieß es an die Adresse der neuen Regierung. "Das schließt die Zusammenarbeit mit dem Internationalen Strafgerichtshof ausdrücklich ein." Die scharfen Töne aus dem Ausland bewegten Kenyatta und seine Anhänger dazu, Respekt gegenüber Kenias Souveränität einzufordern. Wahlverlierer Raila Odinga will Kenyatta noch nicht gratulieren. Zunächst solle das Oberste Gericht in Kenia entscheiden, ob das Ergebnis rechtmäßig ist.