Neues Jugendangebot von ARD und ZDF geht online
29. September 2016Fernsehen war gestern. Heute läuft alles über das Internet, zumindest bei jungen Leuten unter 30. Genau die will das "Junge Angebot" der beiden öffentlich rechtlichen Rundfunk- beziehungsweise Fernsehanstalten ARD (Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten) und ZDF (Zweites Deutsches Fernsehen) ansprechen. "Wir müssen Antworten finden auf das neue Nutzerverhalten der Menschen, dass sie im Netz unterwegs sind und verschiedene Plattformen nutzen", sagt Karola Wille, Vorsitzende der ARD. "Dort müssen wir auch sein und zwar auf Augenhöhe."
Das junge Forschungslabor von ARD und ZDF
Solche "Menschen mit neuem Nutzerverhalten" sitzen in einem Großraumbüro mit rauchenden Köpfen vor ihren Computern, entwickeln neue Formate, suchen nach frischen Ideen und ungewöhnlichen Zugängen ins Netz. 45 Millionen Euro stellen die Landesrundfunkanstalten den Mitarbeitern dafür zur Verfügung. Das Büro erinnert an ein Loft, an der Decke der Kantine hängen Metalllampen im Industriedesign. Ein anderer Raum ist mit Couch und Regalen ausgestattet. Auf Betonstufen kann man sich hinsetzten, unterhalten und bei einer Tasse Kaffee Ideen entwickeln: Büro und Forschungslabor in einem.
"Funk", so heißt das neue Kind. Möglichst langlebig und neutral sollte der neue Name sein, sagt Florian Hager, einer der Verantwortlichen. Die Deutung oder Bedeutung von "Funk" sei dabei gar nicht so wichtig. Die Crew ist beim SWR (Südwestrundfunk) in Mainz angedockt. Über 40 neue Formate hat das Team um Sophie Burkhardt und Florian Hager bereits entwickelt. 30 weitere sollen folgen.
Ausspielung von Funk nur über Internet
"Wir produzieren für ein Online-Publikum auf Online-Medien. Wir machen kein Fernsehprogramm, das für Social Media bearbeitet wird oder von Social Media begleitet wird", erläutert Programmgeschäftsführer Florian Hager. Im Visier ist dabei die Zielgruppe der 14- bis 29-Jährigen. Florian Hager weiß, dass diese Zielgruppe nicht homogen ist. Deshalb produzieren die Macher nicht nur altersspezifische Inhalte, sondern nutzten auch die verschiedensten Plattformen wie Youtube, Facebook, App oder Instagram. "Wir überlegen uns, wen man über welche Plattform erreichen kann und dafür produzieren wir Inhalte. Das heißt, ein Format, das für Youtube produziert ist, funktioniert dann auch nur auf Youtube und nicht auf Twitter oder Snapchat."
Auf den Plattformen sollen die User Inhalte finden, die nicht vom Kommerz bestimmt sind. "Wir werden Informationsinhalte und Orientierungsinhalte schaffen, das sind die beiden Kernbereiche. Und hinzu kommt der Bereich Unterhaltung", sagt Hager. Natürlich holt man sich da auch erfahrene Youtuber oder Produktionsfirmen mit ins Boot. "Wir wollen bewusst junge Kreative ansprechen, aus denen vielleicht auch die Stars von morgen werden", hofft SWR Intendant Peter Boudgoust, der bei der ARD federführend für das ganze Vorhaben ist. "Wir sind frei von wirtschaftlichen, finanziellen und auch von sonstigen Interessen. Das ist unser Alleinstellungsmerkmal und eine echte Bereicherung für das Netz," ist er überzeugt
Youtuber und andere Kreative sind bei Funk willkommen
Es werde aber nichts fertig eingekauft, sondern gemeinsam etwas Neues entwickelt, betont Florian Hager. So etwa mit dem bekannten Youtuber Fynn Kliemann. Der ist durch seine "Do it yourself" Videos bekannt geworden. Darin gibt er Anleitungen für Dinge, die er eigentlich gar nicht kann. Das birgt eine gewisse Komik. "Mit ihm zusammen haben wir das 'Kliemannsland' ausgerufen", erläutert Hager. "Wir haben zwei Hektar Land, auf denen wir Scheunen umbauen mit einem großen Konzertsaal, wo Konzerte stattfinden werden."
Musik sei überhaupt ein Thema, das die gesamte Altersgruppe vereine. "Außerdem ist die Zeit zwischen 14 und 29 Jahren eine Phase, in der sich Menschen definieren und orientieren. Deshalb wollen wir Inhalte schaffen, über die sich die Nutzer definieren können, Inhalte, die möglichst viel geteilt werden." Zwei Bereiche sieht Florian Hager im deutschen Netz bisher unterrepräsentiert: Das ist zum einen der Bereich Information und zum anderen der Bereich fiktionale Unterhaltung.
ARD und ZDF punkten beim jungen Angebot mit Information
Da gibt es zum Beispiel für den Bereich Information das Format "Investigativ Y-Collectiv", das auf Facebook ausgespielt wird. Junge Autoren produzieren Beiträge zu gesellschaftlich relevanten Themen vor Ort. Auch Fernsehpreisträger Hubertus Koch macht mit. Für das Thema Brexit ist er nach Bristol gefahren und hat in Hinterhofkneipen gefragt, was man dort vom Brexit hält. "Das geschieht dann aus einer subjektiven Perspektive, aber nicht wertend, weil sich der Nutzer seine eigene Meinung bilden soll", meint Hager.
Fiktionale Inhalte werden zum Beispiel über Webserien transportiert, aber auch über Apps. Ein Beispiel aus dem Mystery-Bereich ist "Wishless". "Da gibt's eine App, die das Leben derjenigen, die sie runterladen, nachhaltig verändert", deutet Florian Hager an. Man darf gespannt sein.
Eine Webseite für Reformmuffel
Wie die User all die neuen Formate finden? Florian Hager hofft, dass das über die relevanten Inhalte geschieht. Man sucht nicht gezielt nach "Funk", sondern man stößt auf Funk beim Stöbern auf Youtube, in den App-Stores oder vielleicht auch bei der Anfrage in einer Suchmaschine. Und dann natürlich über Freunde, die Inhalte in den sozialen Netzwerken teilen. Für die, die nicht warten wollen, bis ihnen etwas von "Funk" über den Weg läuft, gibt es doch noch eine Internetseite. "Wir glauben aber nicht, dass da die Nutzer draufgehen. Da sind alle Formate noch mal zusammengestellt. Wir wollen ja keinen zu Reformen zwingen." In diesem Sinne wird die Seite für alle Neugierigen fernab der Zielgruppe ab dem ersten Oktober freigeschaltet. Die Adresse lautet: www.funk.net