Futur pur: Das Science Center in Wolfsburg
29. November 2005Ein riesiger Hai, ein Raumschiff, gar ein UFO? Noch gibt es viele Versuche, den futuristisch wirkenden Bau der in London lebenden Stararchitektin Zaha Hadid zu beschreiben - das aus Spezialbeton errichtete, spitz zulaufende Gehäuse, in dem die Experimentierlandschaft Phaeno angesiedelt ist. Sieben Meter über dem Boden thront auf Kegelfüßen die eigentliche Ausstellungsfläche, die mit Kratern, Höhlen und vielerlei Übergängen aufwartet. Eine große begehbare Skulptur mitten in der VW-Stadt - zwischen Fabrikschornsteinen, Kanal und Bahngleisen auf der einen und mausgrauer City auf der anderen Seite.
Entstanden ist eine künstliche Landschaft mit Höhlen, Nischen, Balkonen und Kratern. "Es ist ein einzigartiges Projekt, mit dem wir die Grenzen erweitert haben", sagt Zaha Hadid. Ihr ging es vor allem darum, die Ideen von Landschaft und Urbanität miteinander zu verbinden und damit einen persönlichen Ehrgeiz zu verwirklichen. Unter der Ausstellungsfläche kann man Richtung Innenstadt hindurch laufen, hier wird es auch öffentliche Veranstaltungen geben, und darüber erstreckt sich die abenteuerliche Experimentierlandschaft mit den Exponaten.
Feuertornado und eindringliche Töne
Dieses spektakuläre Gebäude ist der ideale Spielraum für die Expedition durch die Welt von Naturwissenschaften und Technik, immer wieder bleiben die Besucher erstaunt vor den Exponaten stehen: Da schießt eine Flamme meterhoch durch die Luft und dreht sich dabei um sich selbst - "Feuertornado" heißt diese besondere Attraktion unter den 250 Installationen, die uns neugierig machen sollen auf Naturphänomene der unterschiedlichsten Art. An anderer Stelle können wir einen kleinen Ball allein durch Hirnströme voranbringen, unsere Reaktionsgeschwindigkeit testen, die Trägheit der optischen Wahrnehmung erkunden oder ein Gitter erhitzen, das in einer Röhre durch Auftrieb für eindringliche Töne sorgt.
Interaktive Stationen, ein Impuls zum spielerischen Erkunden von Natur und Technik, eigene Erfahrung als emotionale Basis für weitergehende Studien - so stellen es sich die Betreiber vor. In den USA gibt es diese Science Center seit Ende der 1960er Jahre, in Deutschland seit Mitte der 80er (in Bremen und Flensburg), das Wolfsburger ist mit seiner Aktionsfläche von 9000 Quadratmetern das nunmehr größte in Deutschland.
Museum oder Abenteuerspielplatz?
In solchen Häusern des gehobenen Entertainments nistet noch der Glaube an eine restlos beherrschbare Natur, und zu diesem Fortschrittsmodell gesellt sich die optimistische Botschaft, Erkenntnis sei vor allem durch Spaß vermittelt. Wolfgang Guthardt, "Phaeno"- Direktor und Vater dieses Projekts, weist darauf hin, dass es sich um ein Museum handelt und nicht um eine Universität oder eine gymnasiale Oberstufe: "Wir wollen Zugänge schaffen und die Leute aufgeschlossen."
Allerdings: begriffliche Anstrengung und Theoriebildung bleiben den staunenden Bürgern am Ende nicht erspart, wollen sie den Naturphänomenen wirklich auf die Spur kommen. Das "Phaeno" profiliert sich durch die attraktive Oberfläche der Stoffe und Themen als moderner Jahrmarkt und technifizierter Abenteuerspielplatz. Ob sich etwa Jugendliche auf die wissenschaftlichen Hintergründe einlassen, oder ob sie "zappend" von Station zu Station eilen - je nachdem, wo es gerade zischt und knallt - wird sich zeigen.
Auf jährlich 180.000 Besucher hofft man in Wolfsburg, will von den Schulklassen bis zu unternehmungsfreudigen Rentnern ein ganzes Interessenten-Spektrum ansprechen - nicht nur aus dem Umland, sondern aus ganz Deutschland soll das Publikum strömen. Eins ist das "Phaeno" auf jeden Fall schon jetzt: eine Attraktion für Wolfsburg, ein städtebauliches Lebenszeichen.