Fünf Jahre Rosenrevolution
23. November 2008Es ist früh am Morgen in Bakuriani, einem Winterkurort in den georgischen Bergen. Die Straßen sind matschig und ein Mann treibt sein Kalb auf die Weide. Die meisten Menschen hier vermieten im Winter Zimmer an Urlauber und sichern sich so ihren Lebensunterhalt. Seit dem Krieg im August sorgten sie sich jedoch um ihre Zukunft, erzählt Giorgi Mikaberidze, während er an seiner Gartenpforte lehnt und sich mit dem Nachbarn unterhält: "In Zukunft werden weniger Gäste kommen. Die Lage ist instabil, da fahren die Leute woandershin." Der Georgier ist überzeugt, dass niemand in einer Konfliktregion Urlaub machen will. Die vielen Gäste aus dem Ausland, darunter auch aus Deutschland, würden in diesem Jahr wohl fortbleiben.
Mikaberidze hat vor zwei Jahren einen Kredit aufgenommen und sein Haus in Bakuriani ausgebaut. Sechs neue Ferienzimmer hat er eingerichtet. Georgien war nach der Rosenrevolution vor fünf Jahren auf einem guten Weg: Die Wirtschaft wuchs, die Zahl der Touristen stieg. Im vergangenen Sommer kam der Krieg. Jetzt hat Mikaberidze Mühe, seinen Kredit zurückzuzahlen. Viele Georgier haben materielle Sorgen, die Arbeitslosigkeit ist hoch.
Eine Atmosphäre der Angst
In einem Altbau im Zentrum von Tiflis sitzt Kacha Kukava. Während der Rosenrevolution kämpfte er an der Seite von Michail Saakaschwili. Weil er mit dessen autoritärem Führungsstil nicht einverstanden war, ging er wenig später in die Opposition – wie viele andere frühere Mitstreiter Saakaschwilis. Die Opposition fühlt sich von der Regierung verfolgt, spricht von einer Atmosphäre der Angst, die schlimmer sei als zu sowjetischen Zeiten.
"Wir bekommen ständig Drohanrufe", berichtet Kukave. "Sobald wir uns bei offiziellen Stellen beschweren, hören diese Anrufe auf, aber nach einer Zeit beginnen sie wieder." Man halte die Opponenten für russische Spione und drohe, sie entführen und umbringen zu lassen.
Kukava vermutet Anhänger der Regierung hinter den Drohanrufen. Zurzeit organisieren er und seine Mitstreiter Protestdemonstrationen. Am 7. November kamen etwa zehntausend Menschen auf den Straßen von Tiflis zusammen. Es war die erste Protestkundgebung seit dem Krieg gegen Russland im August. Für Kukava ist die Demonstration ein klarer Beweis für die totalitäre Führung Georgiens: "In allen autokratischen, totalitären Staaten ist die Opposition nicht im Parlament, sondern auf der Straße: in Weißrussland, in Kasachstan, in Russland, in Kuba - überall. Und das ist logisch."
Proteste sind nur im Parlament effektiv
Bei der Bevölkerung allerdings genießt die Opposition weit weniger Ansehen als noch vor einem Jahr. Bei der Parlamentswahl im Mai errang das Bündnis zwölf Sitze. Die Wahl war umstritten, aus Protest blieben sieben der zwölf Abgeordneten dem Parlament fern. Viele Georgier sind damit nicht einverstanden. Zum Beispiel Robert Nemsadze. Er steht an einem Platz im Zentrum von Tiflis und putzt sein Auto: "Die Opposition sollte besser im Parlament mitarbeiten als zu demonstrieren. Denen glaubt schon lange niemand mehr. Auf der Straße versprechen sie das Blaue vom Himmel. Im Parlament kann man wenigstens sehen, was sie wirklich tun." Nemsadze glaubt ohnehin nicht daran, dass die Straßenaktionen zu etwas führen - höchstens zu einem Umsturz.
Nino Burdzhanadze schätzt die Situation ähnlich ein. Die ehemalige Parlamentspräsidentin und langjährige Vertraute Saakaschwilis ist im Mai aus der Politik ausgestiegen. Auch sie war mit dem autoritären Führungsstil des Präsidenten nicht einverstanden. Burdzhanadze hält die jetzige Regierung für unfähig, auf die Bedrohung aus Russland angemessen zu reagieren. Dennoch warnt sie vor neuen Dauerprotesten: "Das Land ist zu müde von so vielen Revolutionen und so viel Unruhe. Ich bin zwar überzeugt davon, dass die Rosenrevolution wichtig war für unser Land, aber schon damals war ich damit nicht glücklich."
Die ehemalige Politikerin weiß, dass "nach Revolutionen Revolutionsteams an die Regierung kommen, und die wenden Revolutionsmethoden an, die immer sehr schmerzhaft für ein Land sind." Sie wünscht sich eine neue Regierung, die konstruktiver, realistischer und ruhiger ist. "Aber ich will diese Änderungen nicht mit Revolutionsmethoden herbeigeführt sehen, sondern auf demokratischem und verfassungsgemäßem Wege."
Und das hieße: baldige Neuwahlen.