Für den Euro und gegen Sparen
17. Juni 2012Bei der letzten Wahl ging es den griechischen Wählern darum, den Volksparteien einen Denkzettel zu verpassen. Aber diesmal geht es um viel mehr: Im Vordergrund steht die Frage, ob Griechenland weiterhin Mitglied der Eurozone bleibt. Laut Umfragen sind über 75 Prozent der Griechen für den Euro und dennoch gegen den Sparkurs in seiner jetzigen Form. Aus dieser widersprüchlichen Stimmungslage versuchen alle Parteien Kapital zu schlagen.
Die traditionell wirtschaftsfreundlichen Konservativen der Nea Dimokratia sehen sich als Garant für die Europatauglichkeit des Landes, stellen aber auch eine Lockerung der Sparauflagen in Aussicht. Die Linkspartei Syriza erklärt das Sparprogramm für null und nichtig, tritt jedoch dafür ein, dass Griechenland den Euro behält.
Der linke Europaabgeordnete Nikos Chountis ist sich sicher: Wie beim letzten Urnengang gehe es den Wählern auch diesmal einzig und allein darum, den etablierten Parteien eine schallende Ohrfeige zu verpassen: "Die angebliche Sonntagsfrage ‘Euro oder Drachme' stellt sich überhaupt nicht, dieses Pseudodilemma führt nur zur Desorientierung der Wähler", glaubt der Wirtschaftsexperte. Die Vereinbarung von Spar- oder Rettungsmaßnahmen sei keine Rechtsgrundlage für den Verbleib Griechenlands in der Euro-Zone. Im Gegenteil: Es sei die Umsetzung der Sparmaßnahmen, die Griechenland in den Abgrund und dadurch auch ins europäische Abseits führe, vermutet Chountis.
Streit über "eine andere Politik"
Die Linkspartei Syriza will "eine andere Politik" gegenüber den Geldgebern Griechenlands. Wie diese genau aussehen soll, ist nicht klar. Im Wahlkampf versprach ihr charismatischer Führer Alexis Tsipras immer wieder, als Ministerpräsident würde er Lohnkürzungen rückgängig machen und mit den Gläubigern Griechenlands neu verhandeln. Der linke Ökonom Jannis Dragasakis, der bereits als neuer Finanzminister gehandelt wird, gibt sich diplomatischer und erklärt, es gehe darum, den Sparkurs "politisch und nicht formal-juristisch" aufzukündigen.
Auf den Vorwurf, die Parteigrößen der Linken könnten sich nur mühsam auf eine gemeinsame Linie einigen, entgegnet Nikos Chountis, Syriza habe sich rechtzeitig zur Parlamentswahl auf ein neues politisches Programm geeinigt und sollte nun daran gemessen werden. "Es ist nicht fair, das eine oder andere Zitat aus der Vergangenheit auf die Goldwaage zu legen, nur um Stimmung gegen die Linke zu machen", klagt Chountis.
Angst vor Euro-Austritt
Nach Medienberichten treffen die in Athen operierenden Töchter ausländischer Banken bereits Vorbereitungen auf einen möglichen Euro-Austritt Griechenlands. Doch das größte Kreditinstitut des Landes, die "Nationalbank von Griechenland", warnt in aller Deutlichkeit vor einem Euro-Ausstieg.
Die großen griechischen Parteien sehen es ählich: Die konservative Nea Dimokratia, die sich als die Partei der Vernunft gibt, will sich nach der Wahl für den Verbleib Griechenlands in der Eurozone stark machen. Die Linke Syriza verspricht ihrerseits, sie würde die günstige politische Großwetterlage in Europa nutzen, um das Sparprogramm neu zu verhandeln. Ein Versprechen, das bei den Griechen gut ankommt.
Doch Kostis Hatzidakis, ehemaliger konservativer Wirtschaftsminister, sieht keinen Verhandlungsspielraum beim vorgegebenen Sparprogramm für Griechenland und befürchtet ebenfalls, ein Euro-Austritt würde seinem Land teuer zu stehen kommen: "Wir versuchen den Wählern klar zu machen, dass es sich eher lohnt, in der Euro-Zone zu bleiben und durch seriöse Verhandlungen das Beste für unser Land zu erreichen", sagt der konservative Wirtschaftsexperte.
Parteiübergreifende Hoffnungen auf Milde
Die griechische Bevölkerung hat kaum noch Vertrauen in die großen Volksparteien. Schließlich gelten sie als verantwortlich für die heutige Wirtschaftsmisere des Landes. Auch Kostis Hatzidakis zeigt Verständinis für die aufgebrachte Stimmung der Griechen. "Die Menschen haben ihren Wohlstand und ihre Arbeit verloren, jetzt müssen sie den Preis für die Sanierung der Wirtschaft bezahlen." Aber es sei in der heutigen Situation besonders wichtig, zusammenzuhalten und nicht alte Fehler zu wiederholen, betont der konservative Politiker.
Nach geltendem Wahlrecht dürfen zwei Wochen vor der Wahl keine neuen Umfrageergebnisse veröffentlicht werden. Experten sind sich dennoch einig, dass es ein spannendes Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen den Konservativen und der Linkspartei geben wird. Allerdings sehen sie auch gute Chancen für die vielen Splitter- und Protestparteien, unter denen sich auch die rechtsradikale "Goldene Morgendämmerung" befindet.