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Für "mehr Freiheit, mehr Gerechtigkeit" in Deutschland

30. November 2005

Die neue Bundesregierung will "mehr Freiheit wagen" und ein besseres Klima für Leistungsträger schaffen. Zugleich stellte Kanzlerin Merkel in ihrer Regierungserklärung die soziale Gerechtigkeit in den Vordergrund.

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Gerechtigkeit und Solidarität gehörten zu den wichtigsten ThemenBild: AP

Bundeskanzlerin Angela Merkel rief dazu auf, die Chancen einer großen Koalition voll auszunutzen. "Lassen Sie uns verzichten auf die eingeübten Rituale, auf die reflexhaften Aufschreie, wenn wir etwas verändern wollen", verlangte Merkel am Mittwoch (30.11.2005) in ihrer ersten Regierungserklärung.

Deutschland als Motor in Europa

Die große Koalition habe die Lage des Landes "gemeinsam ehrlich analysiert und daraus notwendige Konsequenzen gezogen". Dazu gehörten der Aufholprozess der neuen Bundesländer, die Entwicklung zu einer Bildungsnation und die Vorbereitung auf eine älter werdende Gesellschaft. Zugleich müsse die Neuordnung des Föderalismus gelingen. Alle Anstrengungen dienten dem langfristigen Ziel, Deutschland wieder zum Motor Europas zu machen, sagte Merkel.

Die neue Bundesregierung - Gruppenbild
Die neue Bundesregierung nach Erhalt der ErnennungsurkundenBild: AP

Die Kanzlerin forderte alle gesellschaftlichen Gruppen auf, sich am Reformprozess zu beteiligen. "Überraschen wir uns damit, dass wir die großen Fragen nicht immer aufgegliedert nach Einzelgruppen und Interessen angehen, sondern im Zusammenhang", forderte die Bundeskanzlerin. In Anlehnung an einen Ausspruch des ehemaligen Bundeskanzlers Willy Brandt sagte Merkel: "Lasst uns mehr Freiheit wagen".

Verlässlichkeit als Markenzeichen

Zu einem Markenzeichen ihrer Regierung will Merkel die Verlässlichkeit machen. Beispielhaft nannte sie in diesem Zusammenhang die Rentenpolitik. Die große Koalition wolle die solidarische Altersversorgung erhalten, wobei die gesetzliche Altersgrenze der Rentenversicherung ab 2012 schrittweise auf 67 angehoben werden soll. Die Rentner würden auch in Zukunft mit einer Sicherungsklausel vor Rentenkürzungen geschützt, sagte die Kanzlerin. Weil es aber dabei bleibe, dass sich die Renten auch in Zukunft im Grundsatz an der Lohnentwicklung orientieren, müssten ausgebliebene Anpassungen nachgeholt werden.

Merkel räumte ein, dass der Koalition in der Gesundheitspolitik noch kein "großer Wurf" gelungen sei. Union und Sozialdemokraten hätten bisher mit der solidarischen Gesundheitsprämie auf der einen Seite und der Bürgerversicherung auf der anderen Seite zwei völlig konträre Ansätze verfolgt. Ein "fauler Kompromiss" zwischen beiden Ansätzen sei für sie nicht in Frage gekommen.

Elterngeld nimmt Väter in die Pflicht

Besonderes Gewicht gab Merkel der Familienpolitik und der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Die Bundesregierung will 2007 ein neues "Elterngeld" einführen. Dieses soll nur dann über den gesamten Zeitraum bewilligt werden, wenn sowohl Väter als auch Mütter eine Auszeit von ihrem Job nehmen. "Die Betriebe sollten sich stärker als bisher in der Pflicht sehen, auch die Väter zeitweise frei zu stellen", sagte die Kanzlerin.

Im Bereich der Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik bekannte sich Merkel ausdrücklich zur Tarifautonomie, rief aber zugleich die Gewerkschaften zu mehr Flexibilität auf. Die Gewerkschaften sollten mithelfen, dass mit mehr Flexibilität mehr Beschäftigung gesichert werden könne. Dies sei eine Schlüsselfrage für den Arbeitsmarkt in Deutschland.

Kanzlerwahl - Amtseid Die neugewählte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) legt am Dienstag (22.11.2005) in Berlin den Amtseid vor Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) ab
Bundeskanzlerin Angela Merkel legt ihren Amtseid abBild: dpa

Als schwierigste Entscheidung der Koalitionsverhandlungen bezeichnete Merkel die Einführung einer höheren Mehrwertsteuer. Umso wichtiger sei es, dass ein Drittel der Einnahmen für die Senkung der Lohnzusatzkosten eingesetzt werde, um Arbeitsplätze wettbewerbsfähiger zu machen. Nach Willen von SPD und Union soll der Satz 2007 von derzeit 16 auf 19 Prozent steigen.

Kurswechsel in der Haushaltspolitik

In der Haushaltspolitik kündigte Merkel einen Kurswechsel an. Um die Weichen für die Kinder und Enkel neu zu stellen, seien stabile Staatsfinanzen auf Grundlage einer langfristigen Konsolidierungsstrategie erforderlich. "Dabei hat für uns das Reformieren und Investieren zeitlichen Vorrang", fügte sie hinzu. Die neue Bundesregierung will im Jahr 2007 wieder einen verfassungsmäßigen Haushalt vorlegen, der auch den Kriterien des europäischen Stabilitätspakts entsprechen soll.

Höchste Priorität räumte die Kanzlerin bei ihrer ersten Regierungserklärung der Föderalismusreform ein. "Föderalismus darf keine Bremse für den Standort Deutschland sein, sondern ein Zugewinn", sagte Merkel. Eine Reform des Föderalismus sei wichtig, damit die Bürger besser die Verantwortlichkeiten verstünden, aber auch für den internationalen Wettbewerb. (daw)