Mehr als nur Entwicklungshilfe für Afrika
11. Mai 2017Wenn K.Y. Amoako an Afrikas Zukunft denkt, kommt ihm seine siebenjährige Enkeltochter in Ghana in den Sinn. In einigen Jahren wird auch sie auf den Arbeitsmarkt drängen. Ihr Großvater hofft, dass sich bis dahin einiges zum Guten verändert hat: "Ich hoffe, sie wird eine Wirtschaft erleben, die genug gut bezahlte Arbeitsplätze schafft. Ich hoffe, sie wird eine Wirtschaft sehen, die nicht mehr auf traditioneller Landwirtschaft und dem Abbau von Bodenschätzen basiert", sagt Amoako, der frühere Chef der UN-Wirtschaftskommission für Afrika. "Ich hoffe, sie wird eine Wirtschaft vorfinden, die mit hochqualitativen Importen aus Europa konkurrieren kann."
Die Realität sieht anders aus. Derzeit leben rund 389 Millionen Afrikaner in Armut. Und diese Zahl könnte noch steigen, denn die Bevölkerung wächst. Bis 2050 wird sich Afrikas Bevölkerung auf rund 2,5 Milliarden Menschen verdoppeln. 440 Millionen junge Afrikaner werden bis 2030 zusätzlich auf den Arbeitsmarkt drängen, doch ausreichend Arbeitsplätze sind für sie nicht in Sicht.
Das Zauberwort der Bundesregierung heißt G20-Afrika-Partnerschaft. Sie will den Vorsitz der G20-Gruppe der größten Industrie- und Schwellenländer nutzen, um mehr Ressourcen für den Kontinent zu mobilisieren. So sollen die hohen Flüchtlingszahlen nach Europa gesenkt werden. Auch Amoako hält die Partnerschaft für eine gute Idee. Aber sie sei nur ein Stück in einem großen Puzzle, schränkt er ein.
Entwicklungshilfe reicht nicht aus
Denn: Mehr Entwicklungshilfe allein reicht nicht. Allein für die nötigen Investitionen in die Infrastruktur auf dem Kontinent sind pro Jahr 130 Milliarden US-Dollar nötig. Das entspricht in etwa der gesamten öffentlichen Entwicklungshilfe pro Jahr, sagt Thomas Silberhorn, parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.
Deswegen soll mehr Geld in Afrika selbst akquiriert werden. Schließlich ist der Kontinent reich an Rohstoffen. An deren Export verdienen auch lokale Eliten mit. "Wir müssen feststellen, dass ein großer Teil der in Afrika generierten Mittel nicht vor Ort als Ersparnisse oder für Investitionen angelegt wird, sondern in sichere Häfen exportiert wird - zur Steuervermeidung oder für Wohnungen in Berlin und München, London oder Paris", so Silberhorn auf einer Konferenz der Konrad-Adenauer-Stiftung in Berlin.
"Diese Mittel so zu lenken, dass sie dort, wo sie entstanden sind, auch investiert und für Beschäftigung und Wohlstand eingesetzt werden können, erfordert eine andere Herangehensweise als bisher." Zudem will die Bundesregierung mehr Privatinvestitionen nach Afrika holen. Zurzeit seien gerade mal 1.000 deutsche Firmen in Afrika aktiv, sagt Silberhorn.
Reformen in Afrika statt Pläne von außen
Die Bundesregierung wirbt für ihre "Compact with Africa"-Initiative. Die Elfenbeinküste, Marokko, Ruanda, Senegal und Tunesien haben sich für die Teilnahme am Compact beworben. Andere Länder könnten folgen, wenn sich das Konzept des Compacts durchsetzt. Doch Tutu Agyare ist skeptisch. Er ist Chef der Investitions- und Beratungsfirma Nubuke Investments. "Ich kann der EU Rohkakao verkaufen und sie wird darauf keine Zölle erheben. Wenn ich aber Schokolade nach Europa verkaufen will, muss ich 30 Prozent Importzoll bezahlen", so Agyare, der früher für die Schweizer Großbank UBS gearbeitet hat. "Wenn ich Hühner züchten und eine Geflügelwirtschaft aufbauen will, bekomme ich aber Hühnchenteile aus Europa, die hier vor Ort verramscht werden und mein Vorhaben im Kein ersticken." Sein Fazit: Man brauche ihm keinen Compact aus Deutschland anzubieten, wenn die G20 nicht ihre Handelspolitik änderte.
Für ihn liegt der Schlüssel für Wohlstand nicht in Plänen von außen, sondern in Afrika selbst. Statt auf Entwicklungshilfe sollten afrikanische Länder eher prüfen, wie sich die Rücküberweisungen ihrer Bürger im Ausland besser investieren ließen, empfiehlt Agyare. Und das Bildungssystem müsste auch dringend überholt werden. "Unsere Bildungssysteme erfüllen ihren Sinn nicht", sagt er. 50 bis 60 Prozent aller Afrikaner lebten von der Landwirtschaft. Aber nur fünf Prozent aller Universitätsabsolventen hätten Landwirtschaft studiert. "Man würde nie einen Betrieb führen und die Menschen in Dingen ausbilden, die sie dort nicht brauchen. Aber genau so funktioniert unser Bildungssystem."