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PolitikNahost

G7 fordern Zurückhaltung von Israel

18. April 2024

Russlands Krieg gegen die Ukraine und die Lage in Nahost bedrohen die globale Ordnung. Die G7 suchen nach Lösungen. Doch das fällt den Außenministern auch in schönster Umgebung auf Capri schwer. Bernd Riegert berichet.

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Sieben Außenministerinnen und -minister und ein EU-Außenbeauftragter an einem runden Besprechungstisch
Viel zu besprechen: Sieben Außenministerinnen und -minister und ein EU-Außenbeauftragter am BesprechungstischBild: Remo Casilli/AP Photo/picture alliance

Immer wieder ziehen dunkle Regenwolken über die malerische Insel Capri im Golf von Neapel. Das azurblaue Meer ist ungewöhnlich aufgewühlt. Auf den Fähren, die die G7-Delegationen auf die Insel bringen, wird so mancher seekrank. Auch Ministerinnen sind davon nicht verschont. "Die Überfahrt zu diesem G7 Treffen war stürmisch. Das ist vielleicht auch ein Zeichen, wie stürmisch die globalen Zeiten gerade sind", sagte die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock.

Deutschlands Außenministerin Annalena Baerbock gibt den Journalisten, die sie umringen, Interviews
Großes Medieninteresse: Deutschlands Außenministerin Annalena Baerbock spricht vor JournalistenBild: Gregorio Borgia/AP Photo/picture alliance

Der Nahe Osten und der russische Krieg gegen die Ukraine sind die zentralen Themen, bei denen es viele unbeantwortete Fragen und Unwägbarkeiten gibt. In den vergangenen Tagen haben viele Außenminister versucht, auf die Regierung in Israel Einfluss zu nehmen, um sie von einer starken militärischen Antwort auf den massiven Drohnenangriff aus dem Iran vom vergangenen Samstag abzuhalten. Der derzeitige G7-Vorsitzende, Italiens Außenminister Antonio Tajani, hat "stundenlang" mit seinem israelischen Kollegen Israel Katz telefoniert. Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock und der britische Ressortchef waren am Mittwoch noch schnell persönlich in Jerusalem vorstellig geworden 

Abwarten, wie Jerusalem entscheidet

Die Botschaft der G7 lautet: Israel hat mit Verbündeten den Angriff aus dem Iran vollständig abgewehrt. Das sei ein "defensiver Sieg" gewesen, so der US-Außenminister Anthony Blinken. Eine weitere Eskalation sei nicht nötig. "Jetzt müssen wir abwarten, wie der jüdische Staat reagieren wird. Ich hoffe, dass sich Zurückhaltung durchsetzt", meinte Italiens Ressortchef Tajani. Abwarten ist auch die Devise von Großbritanniens Außenminister David Cameron, der den Eindruck hat, dass die Entscheidungen im Kriegskabinetts Israels zu einem Schlag gegen den Iran gefallen sind. Er wisse nur noch nicht, in welchem Umfang und wann der stattfinden werde. 

Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell (l.) und US-Außenminister Blinken auf Capri
Können zumindest kurzzeitig auch mal lachen: Der EU-Außenbeauftragte Borrell (l.) und US-Außenminister Blinken im GesprächBild: Remo Casilli/AP Photo/picture alliance

Der Iran soll weiter isoliert werden, ist das einhellige Ziel der sieben führenden Demokratien und auch der Europäischen Union. Es soll weitere Sanktionen geben und möglichst einen Beschluss, die Revolutionsgarden, eine Art militärische Eliteeinheit des Iran, als Terrorgruppe zu ächten. Bislang haben diesen Schritt nur die USA getan. Die Europäer waren zurückhaltend, weil sie Kontakte zum iranischen Regime in den vergangenen Jahren nicht völlig unterbinden wollen. Schließlich hoffte man immer noch auf eine Wiederbelebung der Gespräche über eine Begrenzung der iranischen Atomrüstung. Doch diese Hoffnung ist wohl nun vorbei. 

Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock machte sich dafür stark, dass die Revolutionsgarden auf die Terrorliste der EU kommen. Einen entsprechenden Gerichtsbeschluss aus Deutschland habe man jetzt gefunden, so Baerbock. Denn rechtlich muss nachgewiesen sein, dass die Revolutionsgarden einen Terroranschlag in der EU unternommen haben oder unternehmen wollten, um sie auf die Terrorliste setzen zu können. Die israelische Regierung hatte die Ächtung der Revolutionsgarden und weitere Sanktionen gegen den Iran gefordert. 

Sanktionen gegen den Iran sollen Israel besänftigen

Die Hoffnung bei G7-Diplomaten ist nun, dass die Signale aus Capri und Brüssel ausreichen, um Israel von Zurückhaltung zu überzeugen. Natürlich sei der Angriff des Iran auf Israel auf Schärfste zu verurteilen, aber "beiden Seiten muss klar sein, dass sie sich am Rande eines Krieges in der gesamten Region befinden", mahnte erneut der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell, der ebenfalls an den G7-Sitzungen teilnimmt. 

Die Außenministerinnen und -minister spiegeln sich im blankgeputzen Boden
Ruhe bewahren, auch wenn die Welt Kopf steht. Die G7-Außenminister spiegeln sich beim Gruppenfoto im Boden.Bild: Gregorio Borgia/AP Photo/picture alliance

Borrell mahnte seine Kolleginnen und Kollegen auch, über den Iran die Lage im Gazastreifen nicht zu vergessen: "Die humanitäre Katastrophe dort geht weiter. Die Hilfe ist nur in sehr kleinem Umfang gesteigert worden." Die US-Regierung gibt allerdings an, dass die Zahl der LKW, die Hilfsgüter in den Gazastreifen fahren, erheblich gestiegen sei, auf Drängen von US-Präsident Joe Biden. US-Medien berichten, dass es eine Art Vereinbarung zwischen Jerusalem und Washington geben soll: Israel hält sich mit einer Antwort auf den Iran zurück, wenn die USA ihre Opposition gegen eine israelische Bodenoffensive in Rafah im Gazastreifen aufgeben. Seit dem Angriff der vom Iran gestützten Terrorgruppe Hamas aus Israel am 7. Oktober geht die israelische Armee massiv gegen Hamas-Kämpfer im Gazastreifen vor. Mehr als 30.000 Menschen wurden getötet. Die Bevölkerung von fast zwei Millionen Menschen steht nach Einschätzung der Vereinten Nationen am Rande einer Hungersnot. 

Mehr Luftverteidigung für die Ukraine

Das zweite große Thema der G7-Runde in Italien ist der russische Krieg gegen die Ukraine. Der ukrainische Außenminister Dymitro Kuleba wirbt, bittet, ja fleht in Capri noch einmal um mehr Luftverteidigungswaffen von den westlichen Verbündeten für sein Land. "Hier sitzen die Länder, die das möglich machen können", sagte Kuleba nach einem Treffen mit Gastgeber Antonio Tajani. Die G7 sollte nun weltweit alle Kapazitäten zur Luftverteidigung moblisieren und in die Ukraine liefern. Deutschland hat ein zusätzliches Patriot-System zugesagt. Die übrigen Staaten prüfen ihre Bestände. 

Blick auf das Kapitol in Washington
Im Kapitol in Washington wird der US-Kongress über die Freigabe der Ukraine-Hilfen entscheidenBild: Imago Images/Zuma Press/A. Samperio

Hoffnungsvolle Signale konnte Außenminister Anthony Blinken aus den USA mitbringen. Der Kongress könnte nach monatelanger Blockade durch die oppositionellen Republikaner am Wochenende 60 Milliarden Dollar an Militär- und Finanzhilfe freigeben. Trotzdem wird mehr Hilfe aus Europa und vom G7-Mitglied Japan nötig sein, meinte Ettore Greco vom Italienischen Institut für Außenpolitik, einer Denkfabrik in Rom. "Hier wird die G7 sicherlich etwas in Gang setzen können, um der Ukraine zu helfen, wenn man die Schwierigkeiten in anderen Bereichen und das Ausbleiben von amerikanischen Zusagen betrachtet." NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg nimmt ebenfalls am G7-Treffen teil. Am Freitag tagt in Brüssel auf Drängen der Ukraine der gemeinsame NATO-Ukraine-Rat. "In den nächsten Tagen müssen endlich konkrete Beschlüsse fallen", forderte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell. "Wir müssen schneller werden."

Porträt eines Mannes mit blauem Sakko und roter Krawatte
Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union