G8 noch ohne Gesundheitsbudget
24. Juni 2010Mit Federn geschmückt tanzen traditionelle Heilerinnen in Malawi zu wilden Trommelrhythmen, um böse Geister auszutreiben. Der böse Geist heißt Aids, die Krankheit, die in Afrika schon tausende Kinder zu Waisen gemacht hat. Die Heilerinnen Malawis haben inzwischen zwar auch eine moderne Ausbildung in Hygiene erhalten. Doch den meisten fehlt das Geld, um Seife oder gar Gummihandschuhe für die Geburtshilfe kaufen zu können.
Durch die schlechte Hygiene stecken viele Mütter ihre Kinder bei der Geburt mit Aids an. Jährlich sterben immer noch neun Millionen Kinder an einfach zu behandelnden Krankheiten. "Wenn man es schafft, in den lokalen Gesundheitsstationen die Durchfälle von ganz kleinen Kindern gut zu behandeln, hat man sehr viel Leben gerettet", weiß Marwin Meier. Der Arzt betreut für die Kinderhilfsorganisation Worldvision verschiedene Gesundheitsprogramme in Afrika. "Wenn wir einfach nur Lungenentzündung oder Durchfall behandeln könnten, dann würde zum Beispiel die Kindersterblichkeit um 20 Prozent sinken", schätzt Meier.
Wo bleiben die versprochenen Gelder?
Die wegweisende Generalversammlung der Vereinten Nationen im Jahr 2000 hatte konkrete Maßnahmen beschlossen, mit denen die Armut bis zum Jahr 2015 halbiert werden sollte. Am weitesten hinter den selbst gesteckten sogenannten Millenniumszielen zurückgeblieben ist die Verbesserung der Frauen- und Kindergesundheit. Viele Experten wie Marwin Meier von Worldvision fordern schon lange, dass die G8 und andere ihre Versprechen endlich umsetzen. "Wir dürfen nicht zulassen, dass durch die Wirtschaftskrise die Millenniumsziele vom Tisch gefegt werden. Zum Beispiel ist die geplante Verdoppelung der Hilfe für Afrika in diesem Jahr bisher ausgeblieben."
Auf dem kommenden G8-Gipfel im kanadischen Muskoka steht die Frauen- und Kindergesundheit bei den Schwerpunkten auf der Tagesordnung. Mit der sogenannten Muskoka-Initiative sollen Maßnahmen beschlossen werden, um Gendergerechtigkeit, Rechte von Frauen und Kindern sowie Bildungsmöglichkeiten zu schaffen. Im Entwurf des Kommuniquees stand bis kurz vor dem Gipfel allerdings noch kein Budget dafür fest.
Auch Diskriminerung kostet die Gesundheit
"Wir haben wahrscheinlich eine Finanzierungslücke von mindestens 30 Milliarden US-Dollar, einfach um Frauen und Kindern Zugang zur Gesundheitsfürsorge zu ermöglichen", sagt Marwin Meier. Doch die schlechte Gesundheitsvorsorge von Frauen liegt nicht nur an fehlenden medizinischen Einrichtungen. Eine von USAID finanzierte Medienkampage wirbt in Pakistan dafür, dass Frauen überhaupt eine professionelle Geburtsvorsorge in Anspruch nehmen. Der schlechte Gesundheitszustand von Frauen ist auch eine Folge von Geschlechterdiskriminierung.
"In Pakistan dürfen Frauen das Haus ohne männliche Begleitung nicht verlassen, nicht einmal wenn sie krank sind", erläutert Fayyaz Khan. Er leitet die in mehreren lokalen Sprachen ausgestrahlte Aufklärungskampagne "Paiman". "Frauen haben viel schlechtere Bildungschancen als Männer. Zudem sind die meisten unserer Frauen und Mädchen unterernährt. Frauen dürfen immer erst nach den Männern essen, wenn etwas übrig ist. All dies hat negative Auswirkungen auf die Gesundheit."
Ohne Budget weniger Überlebenschancen
Rund zehn Prozent aller Neugeborenen in Pakistan sterben. Das ist eine der höchsten Sterberaten in ganz Südostasien. Allein mit Aufklärungsprogrammen ist das Problem nicht zu lösen, glaubt Marwin Meier. "Mit Impfungen könnte die Kindersterblichkeit deutlich gesenkt werden. Das kostet Geld. Länder wie Tansania haben es geschafft, innerhalb eines Jahrzehnts ihre Kindersterblichkeit signifikant um mehr als zehn Prozent zu senken."
Nicht nur die G8 sind gefordert, ihren selbst gesteckten Verpflichtungen endlich nachzukommen. Langfristig müssten alle Staaten mindestens 15 Prozent ihres Haushaltes in Gesundheitsfürsorge investieren, fordern Experten.
Autorin: Jutta Schwengsbier
Redaktion: Stephanie Gebert