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"Silicon-Valley-Kapitalismus zähmen"

20. September 2014

Weder übertriebene Angst noch blinde Begeisterung sollen die Sozialdemokraten empfinden angesichts der Digitalisierung und ihrer Folgen. Dafür hat SPD-Chef Gabriel auf einem Parteikonvent in Berlin geworben.

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Sitzung des SPD- Parteivorstandes in Berlin am 20.09.2014 kurz vor Beginn des Konvents - in der Mitte Parteichef Sigmar Gabriel (Foto: picture-alliance/dpa/Wolfgang Kumm)
Bild: picture-alliance/dpa/Wolfgang Kumm

SPD-Chef Sigmar Gabriel sieht eine der zentralen Aufgabe für seine Partei in der Bändigung globaler Datenkonzerne. "Wir müssen den Silicon-Valley-Kapitalismus zähmen", sagte der Bundeswirtschaftsminister bei einem Parteikonvent in Berlin. Mit Blick auf die Steuervermeidungsstrategien von Konzernen wie Apple, Amazon und Google in Europa sagte er: "Das ist asozial." Das Steuer-Dumping müsse unterbunden werden. Wer in Deutschland Gewinne erwirtschafte, müsse sie auch hier versteuern. Sonst fehle Geld für Infrastruktur und Bildung.

"Click- und Cloud-Worker"

Gabriel rief seine Partei zugleich auf, den digitalen Wandel nicht als Gefahr zu sehen, sondern auch als Chance. Die Sozialdemokraten dürften das digitale Zeitalter weder verherrlichen noch verharmlosen. Er betonte, es gebe Auswirkungen auf alle Bereiche. Früher sei Griechisch oder Latein die zweite Fremdsprache gewesen, in der Welt der Algorithmen bedürfe es vielleicht einer ganz neuen zweiten Fremdsprache in der Schule: der Programmiersprache. Heute gebe es "Click- und Cloud-Worker" ohne feste Arbeitszeiten, Jobs würden global ausgeschrieben. "Das Ergebnis sind rechtlose digitale Tagelöhner", meinte der SPD-Chef.

Zusammen mit den Gewerkschaften gelte es Leitplanken einzuziehen. "Wir dürfen die Digitalisierung nicht einfach dem Markt überlassen, warnte Gabriel. "Sonst riskieren wir eine Zukunft, in der die Marktkräfte der digitalen Ökonomie mit immer gigantischeren Rechenkapazitäten durchschnittliche Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zunehmend durch Software und durch Robotik ersetzen." Dies liefe auf eine Zukunft hinaus, "in der die Mittelschicht ausgehöhlt wird, weil es nur noch ganz oben und ganz unten auf der Lohnskala gibt", warnte Gabriel.

Der Parteikonvent in Berlin soll einen Dialogprozess in der SPD einleiten, der bis zum Parteitag Ende 2015 in ein SPD-Programm zur Digitalisierung münden soll. Gabriel will unter anderem die neuen Berufsbilder in der digitalen Ökonomie diskutieren lassen.

Rote Linien für Handelsabkommen TTIP

Der Konvent beschloss zudem - in einem nicht-öffentlich Teil der Tagung - eine Reihe roter Linien für die Verhandlungen über das transatlantische Freihandelsabkommen mit den USA (TTIP). Gabriel sagte nach dem Treffen, dass sich die 200 Delegierten bei sieben Nein-Stimmen und drei Enthaltungen hinter ein von ihm mit dem Deutschen Gewerkschaftsbund ausgehandeltes Positionspapier gestellt hätten. Darin werden Schiedsgerichte, wo Konzerne Staaten verklagen können, ebenso abgelehnt wie Schutzklauseln für Unternehmen. Auch Einschränkungen bei Arbeitnehmerrechten, Verbraucherschutz-, Sozial- und Umweltstandards wird eine Absage erteilt.

Gabriel selbst betonte, er sei gegen den Abbruch von Verhandlungen. Mit TTIP wollen EU und USA die größte Freihandelszone der Welt mit 800 Millionen Menschen schaffen. Mit Blick auf das bereits ausgehandelte Freihandelsabkommen mit Kanada (Ceta), wo es die Option von Sonderschiedsgerichten gibt, sagte Gabriel, dass die TTIP-Leitplanken auch hierfür angewendet werden sollen. Daher müsse Ceta jetzt noch einmal überprüft werden. Er rechne nicht mehr mit einer Ratifizierung in diesem Jahr.

sti/haz (afp, rtr)