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Politik

Gabriels ehrgeiziges Programm

3. Oktober 2016

Wirtschaftsbeziehungen voranbringen, Banken zum mitmachen bringen, Menschenrechte nicht vergessen: Volles Programm im Iran für Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel. Von Jens Thurau, Teheran.

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Wirtschaftminister Sigmar Gabriel in Teheran - Foto: Hannibal Hanschke (Reuters)
Bild: Reuters/H. Hanschke

So viele Wirtschaftsvertreter hat Sigmar Gabriel selten dabei auf Auslandreisen: Mehr als 100 führende Persönlichkeiten begleiten den deutschen Vizekanzler und Wirtschaftsminister nach Teheran. Über ein Jahr nach Aufhebung der internationalen Sanktionen wegen des iranischen Atomprogramms wollen die Wirtschaftsleute nicht zu spät kommen, wenn Europa, Asien und vor allem China in den islamischen Staat investieren.

"Bis 2020 will der Iran eine Billion Dollar in die Infrastruktur stecken, und da müssen wir dabei sein", macht etwa Eric Schweitzer deutlich: "In den Siebzigern war der Iran immerhin zweitgrößter Partner unseres Landes außerhalb von Europa", sagte der Präsident des Deutschen-Industrie- und Handelskammertages der DW. Der Nachholbedarf der Iraner ist groß: Anlagen und Maschinen, Krankenhausinfrastruktur - alles kann der Iran nach den Dürrejahren wegen der internationalen Sanktionen gebrauchen. Und Deutschland will liefern: 2,4 Milliarden Euro betrug das Handelsvolumen 2015. Experten schätzen, dass eine Verdoppelung in wenigen Jahren möglich ist.

Die Banken zögern

Hauptproblem dabei: das Geld. Besser: das Vertrauen der Banken. Die USA haben - anders als Europa - im vergangenen Jahr längst nicht alle Sanktionen gegen den Iran aufgehoben. Viele internationale Banken schrecken deshalb vor langfristigen Krediten zurück. Wer weiß, ob sich der Iran wirklich an alle Bedingungen des Atom-Deals hält? Wenn nicht, wollen die USA auch laufende Geschäfte schnell wieder beenden. Zu schnell, finden viele Europäer. Ein Abgesandter Gabriels, Staatsekretär Matthias Machnig, spricht gerade in Washington mit den Amerikanern über diese harten Bedingungen. Der Bundeswirtschaftsminister weiß: Ohne Finanzierung keine Geschäfte.

Iranischer Autohersteller Khodro Industrial Group in Teheran - Foto: A. Stoffel (dpa)
Industriebetrieb in Teheran: Der Nachholbedarf der Iraner ist großBild: picture-alliance/dpa/A. Stoffel

Dicht gedrängt stehen deutsche und iranische Presseleute im iranischen Wirtschaftsministerium neben dem Gast aus Deutschland, der in die Mikrofone spricht: "Wir bemühen uns sehr, den Iranern zu helfen, wieder Anschluss an die internationalen Finanzbeziehungen zu finden, die sie verloren hatten." Das Ziel des SPD-Politikers: Durch eine wirtschaftliche Öffnung sollen auch die Lebensbedingungen im Iran besser werden. "Das Freund-Feind-Schema, was es ja nicht nur im Westen, sondern auch im Iran gibt, muss reduziert werden", ergänzt Gabriel.

Eine böse Zeitungsschlagzeile

Dass es immer noch ein Freund-Feind-Schema gibt, hat Gabriel schon auf dem Hinflug nach Teheran erfahren: Da werden Kopien von iranischen Tageszeitungen verteilt, darauf ein Bild des Ministers mit der Schlagzeile: "Lasst den Zionisten-Freund nicht ins Land." Vor allem die Revolutionsgarden, Stütze des konservativen Islam, haben von den über zehnjährigen Sanktionen profitiert, herrschen über viele staatliche Unternehmen wie Monopolisten. Jetzt fürchten sie die neue internationale Konkurrenz.

Dazu kommt: Israel, der Erzfeind des Iran, ist Deutschlands enger Freund. Und der Iran gilt als großer Unterstützer des syrischen Despoten Baschar al-Assad. Auch unter dem pragmatischen Präsidenten Hassan Ruhani, der die Einigung im Atomstreit erst möglich machte, werden Minderheiten verfolgt, die Lage der Menschenrechte ist prekär. Gabriel spricht das an, hat sich schon in Berlin von Menschenrechtsgruppen informieren lassen. Was er erreichen kann, ist offen.

Der iranische Wirtschaftsminister Ali Tayebnia und sein deutscher Kollege Sigmar Gabriel bei der Unterzeichnung eines Vertrages
Wirtschaftsminister Tayebnia und Gabriel: "Das Freund-Feind-Schema reduzieren"Bild: picture-alliance/abaca/F. Bahrami

Am Dienstag wird Gabriel das wohl alles zur Sprache bringen - im Gespräch mit Parlamentspräsident Ali Laridschani, einem der einflussreichsten Politiker im Land. Aber klar ist auch: Gabriel will die Öffnung unter Ruhani fördern, gegen die Konservativen. Da helfen gute Geschäfte, Ruhnai will im nächsten Jahr wiedergewählt werden.

Deutsch-Iranische Kommission tagt wieder

Und deshalb unterzeichnete der deutsche Minister mit seinem iranischen Kollegen, Wirtschafts-und Finanzminister Ali Tayebnia, eine Absichtserklärung zur guten Zusammenarbeit. Außerdem tagte am Montag die deutsch-iranische Wirtschaftskommission, bestehend aus Politikern und Firmenvertretern. Das Gremium gibt es schon lange, aber das letzte Mal kam es 2002 zusammen - bevor die Sanktionen verhängt wurden. "Wir müssen diese Tradition wiederbeleben", sagt Gabriel. Mohammed Khazaei, stellvertretender Wirtschaftsminister des Iran, entgegnet: "Unsere beiden Völker verbindet so viel mehr als nur Wirtschaft. Unser Respekt vor Deutschland war immer groß."

Höflich geht es beim Besuch Gabriels in Teheran zu. Und der deutsche Vizekanzler genießt es offenbar, immer auch ein bisschen Außenpolitik zu betreiben.