Gaddafi wehrt sich mit Rede und Angriffen
9. März 2011"Das schöne Bengasi wird zur Ruine, es muss befreit werden." Mit dieser und ähnlichen Parolen hat Muammar al-Gaddafi am Mittwoch (09.03.2011) in einer aufgezeichneten Ansprache im libyschen Fernsehen seine Anhänger aufgefordert, weiter gegen die Rebellen in Libyen zu kämpfen. Zudem warf er den Aufständischen vor, ihre Heimat zu verraten und mit den westlichen Staaten eine Verschwörung eingegangen zu sein.
"Bande von Verrätern"
In seiner Rede vor Anhängern beschimpfte Gaddafi die Übergangsregierung der Aufständischen als Bande von "Verrätern". Die USA, Frankreich und Großbritannien hätten sich gegen Libyen verschworen, um die Öl-Felder unter ihre Kontrolle zu bringen, behauptete der Machthaber.
Außerdem wiederholte Gaddafi seine Theorien über eine Verschwörung von El-Kaida-Terroristen, die libyschen Jugendlichen Drogen verabreichten. Er sagte: "Was da geschieht, ist ein Wahnsinn." Vor allem die Kinder würden rekrutiert, "die unreif und schwach sind".
In der Rede wandte sich Gaddafi auch an die Großfamilien der umkämpften Stadt Al-Sintan. Sie sollten sich von den Rebellen abwenden. Um diese Forderung zu unterstreichen, präsentierte er Angehörige eines in der Stadt beheimateten Stammes, die Gaddafi ihre Treue bekundeten.
Weiter blutige Kämpfe
Unbeeindruckt von der Fernsehansprache kämpfen die Aufständischen weiter gegen das Gaddafi-Regime. Doch dieses erlangt zumindest in der Stadt Sawija im Westen des Landes wieder die Oberhand. Regierungstruppen kontrollierten die Hauptverkehrsstraße und die Vororte, berichtete ein Kämpfer der Aufständischen am Mittwoch. Panzer seien in 1500 Meter Entfernung vom zentralen Platz zu sehen, der weiter von Rebellen gehalten werde.
Die halbe Stadt sei durch Luftangriffe zerstört worden, sagte der Rebellenkämpfer weiter. "Es gibt viele Tote und sie können nicht einmal beerdigt werden. Sawija ist wie leergefegt, niemand ist auf den Straßen. Keine Tiere, nicht einmal Vögel sind am Himmel."
Rebellen teilweise uneins
Unterdessen zeigen sich erste Meinungsverschiedenheiten unter den Anführern der Rebellen. So sprach sich der Vorsitzende des Nationalrats in Bengasi, Mustafa Abdul Dschalil, dafür aus, dass Gaddafi, falls er ins Exil gehe, nicht mehr strafrechtlich belangt werden solle. "Wenn er die Bombardierungen einstellt und das Land innerhalb von 72 Stunden verlässt, werden wir als Libyer davon Abstand nehmen, ihn strafrechtlich zu verfolgen", sagte Dschalil dem Nachrichtensender Al-Arabija. Innerhalb der nächsten drei Tage soll Gaddafi die Angriffe gegen die Zivilbevölkerung stoppen und ins Exil gehen.
Der frühere Innenminister Abdulfattah Junis, erklärte dagegen, Gaddafi müsse unbedingt der Prozess gemacht werden. Junis forderte die internationale Gemeinschaft erneut auf, den Luftraum über Libyen zu einer Flugverbotszone zu erklären und dies auch mit militärischer Gewalt durchzusetzen. Eine Militärintervention lehnte er jedoch ab. "Wir fordern keinen einzigen Soldaten und auch keine Panzer", sagte er.
EU-Parlament fordert Flugverbotzone
Für eine Flugverbotszone haben sich im Europaparlament Vertreter aller maßgeblichen Fraktionen ausgesprochen. Der libysche Machthaber müsse daran gehindert werden, sein eigenes Volk zu bombardieren, sagte der CDU-Abgeordnete Elmar Brok am Mittwoch in Straßburg.
Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton betonte, die EU werde alles tun, um ein Ende der Gewalt in Libyen sicherzustellen. Sie kündigte an, in den kommenden Tagen mit Vertretern der Vereinten Nationen und der Arabischen Liga über die Einrichtung einer Flugverbotszone beraten zu wollen.
EU soll Freihandelszone schaffen
Der Chef der sozialistischen Fraktion, Martin Schulz (SPD), und der FDP-Politiker Alexander Graf Lambsdorff appellierten an die EU-Verantwortlichen, eine Freihandelszone mit den arabischen Ländern zu schaffen. Dies sei notwendig, um den Handel zu fördern und den Menschen in den betroffenen Ländern eine Zukunft zu geben.
Der Grünen-Abgeordnete Daniel Cohn-Bendit betonte, es müsse sichergestellt werden, dass Gaddafi den Konflikt verliere. Darüber hinaus forderte er die EU auf, die oppositionelle Übergangsregierung in Bengasi als Gesprächspartner zu akzeptieren. Nur so könnten die Aufständischen gestärkt und eine demokratische Revolution in Libyen unterstützt werden. Während der Debatte waren zwei Vertreter aus dem Übergangsnationalrat in Bengasi anwesend.
Denen machte Ashton Hoffnung: Die EU wolle einerseits die humanitäre Krise bekämpfen und Menschen in Sicherheit bringen. "Zum anderen müssen die Gewalt beendet und die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden", erklärte die Britin. Sie habe ihre Dienststellen angewiesen, eine Initiative im Rahmen der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik zu prüfen, führte Ashton aus. Es gehe darum, die laufenden Evakuierungen und die humanitären Einsätze zu unterstützen. Dafür brauche es umsichtige Analysen sowie klare Vorgaben hinsichtlich des Mandats, der Mittel und der Ziele.
Autorin: Marion Linnenbrink (afp, dapd, dpa, eps, kna, rtr)
Redaktion: Marko Langer