"Russland lässt sich nicht in die Knie zwingen"
13. Mai 2014DW: Herr Dr. Gaddy, die EU hat nach dem Referendum in der östlichen Ukraine ihre Sanktionen ausgeweitet. Was sind die nächsten Schritte für die USA? Wird auch Washington vor den Wahlen in der Ukraine am 25. Mai neue Sanktionen verhängen? Oder gibt es noch Spielraum für eine Verhandlungslösung?
Vor den Wahlen werden sowohl die USA als auch die EU ihre Drohung schärferer Sanktionen wiederholen für den Fall, dass Russland sich in die Wahlen einmischt. Die US-Regierung sucht verzweifelt nach einem Weg aus dieser Konfrontation mit Russland, aber das muss ein gesichtswahrender Weg sein.
Wie könnte denn eine solche gesichtswahrende Lösung für die USA aussehen?
Sie wollen Russland an den Verhandlungstisch bekommen und eine Art Finnlandisierung der Ukraine erreichen. Das wäre eine - mit Ausnahme der Krim - territorial intakte Ukraine, die ein nominell unabhängiger souveräner Staat wäre, der sich aber neutral verhält. Und der ganz sicher keine Verbindung zur NATO hätte.
Aber sie müssen das als einen Sieg des Westens darstellen und als eine Konzession von Präsident Putin. Hier geht es um PR, denn diese Lösung wäre ja genau das, was Putin will. Sein Ziel ist eine Ukraine, die keine Plattform für anti-russische Aktivitäten ist und über die Russland eine ziemlich große Kontrolle hat.
Haben die bisherigen Sanktionen Russland denn überhaupt nicht beeindruckt?
Die Sanktionen haben weh getan. Haben sie der russischen Wirtschaft geschadet? Absolut. Und schärfere Sanktionen würden noch mehr weh tun. Aber tragen sie effektiv dazu bei, dass Russland seine Ziele und Strategie ändert? Nein, da sind sie kompett ineffektiv. Und auch schärfere Sanktionen würden nicht besser wirken.
Wie kommt es denn, dass die Russen gegenüber wirtschaftlichem Druck scheinbar so resistent sind?
Sie können mehr Schmerz aushalten, als wir ihnen zufügen können. In Russland gibt es eine Tradition des Leidens, die Teil der nationalen Identität ist. Niemand hat die Russen je in die Knie gezwungen und sie dazu gebracht, sich einer fremden Macht zu unterwerfen. Sie kämpfen bis zum letzten Mann.
Clifford Gaddy ist Ökonom und Russland-Experte an der Brookings Institution in Washington.
Das Interview führte Sabine Muscat.