Geldgeber verzweifelt gesucht
22. Dezember 2015Gambias Präsident Yahya Jammeh ist bekannt für seine erratischen Verkündungen - etwa, dass er Aids oder Ebola per Handauflegen binnen drei Tagen heilen könne. Daher überraschte es viele Gambier zunächst nicht, dass ihr Präsident vor zwei Wochen im Staatsfernsehen verfügte: "Gambia ist von nun an ein Islamische Republik." Die Rechte der Christen würden trotzdem respektiert, sie dürften Weihnachten feiern, und Frauen müssten sich keinen Kleidungsvorschriften unterwerfen.
Inzwischen beschleicht so manchen Gambier allerdings doch ein mulmiges Gefühl. Etwa den jungen Journalisten Ebrahim Gaye. Das ist nicht sein richtiger Name; wie viele seiner Landsleute hat er Angst, sich öffentlich zur Regierungspolitik des Präsidenten zu äußern. "Wenn Gambia eine Islamische Republik ist, dann heißt das auch: Einführung der Scharia", fürchtet der Journalist. Dass Christen weiterhin geschützt seien, wie Jammeh sagt, sieht er nicht garantiert. "Wird die Scharia eingeführt, droht die Diskriminierung anderer Religionen."
Knapp zwei Millionen Menschen leben in dem kleinen westafrikanischen Land, das bis auf seine Küste vollständig vom Senegal umschlossen ist. Rund 90 Prozent der Einwohner sind Muslime, etwa acht Prozent Christen. Sie leben friedlich zusammen - auch jetzt: Seit der Ankündigung habe er keine Spannungen zwischen Muslimen und Christen feststellen können, sagt Gaye.
Was der Präsident will, setzt er durch
Laut Verfassung sind in Gambia Staat und Religion getrennt. Konkrete Schritte, die Verfassung zu ändern und etwa die Scharia als Rechtsgrundlage einzuführen, hat die Regierung bislang nicht unternommen. Auch habe sie sich noch nicht mit der für religiöse Angelegenheiten zuständigen Instanz, dem Obersten Islamischen Rat, beraten. Das erklärte ein Sprecher des Rates im DW-Interview. Weitere Nachfragen wollte er nicht beantworten, sondern legte stattdessen den Hörer auf.
Dass es bislang noch keine konkreten Schritte gegeben habe, heiße nichts, sagt Journalist Gaye. "Präsident Jammeh kann durchsetzen, was er will", sagt er. "Das Parlament wird zu 95 Prozent von seiner Regierungspartei kontrolliert, er kann die Verfassung von heute auf morgen in eine Islamische Republik ändern lassen".
Ein Land in der Abwärtsspirale
Seit sich Jammeh vor 21 Jahren an die Macht geputscht hat, geht es mit Gambia bergab. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch erklärte das Land in diesem Jahr zu einem der weltweit repressivsten Regime. Brutal geht es gegen Journalisten und Andersdenkende vor. Auf Homosexualität steht seit vergangenem Jahr lebenslange Gefängnisstrafe. In einer Rede vor der Vollversammlung der Vereinten Nationen 2013 nannte Jammeh Homosexuelle "tödlicher als alle Naturkatastrophen zusammen". Ein Bericht der Vereinten Nationen beschreibt Folter als regelmäßige Praxis des gambischen Nachrichtendienstes. Die Zahl der Gambier, die in der EU Asyl beantragen, hat sich im vergangenen Jahr auf knapp 12.000 verdreifacht.
Aus Protest gegen Gambias Menschenrechtspolitik hat die Europäische Union, der wichtigste Geldgeber des Landes, im vergangenen Jahr zugesagte Hilfen in zweistelliger Millionenhöhe eingefroren. Die USA haben ähnliche Schritte unternommen. Gleichzeitig ist die Wirtschaft des einst prosperierenden Landes auf Talfahrt. "Gambia ist das einzige Land der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft, dessen Bruttoinlandsprodukt stetig gefallen ist - um 30 Prozent seit 1994", sagt Jeffrey Smith, der für die Nichtregierungsorganisation John F. Kennedy Center for Justice and Human Rights in Washington DC zu Gambia forscht.
Partnerschaft mit der Türkei und Saudi-Arabien
Kurzum: Präsident Jammeh braucht dringend neue Geldquellen. Dass er Gambia nun als Islamische Republik ausgerufen hat, wertet Smith als Teil einer Strategie, mit der Jammeh den Schulterschluss zu finanzstarken autoritären muslimischen Staaten sucht. Damit ist er mal mehr, mal weniger erfolgreich. So unterzeichnete er im Februar 2014 mit der Türkei einen Vertrag über politische Zusammenarbeit, Gesundheit, Verteidigung, Bildung und Sicherheit. "Gambia wird einer der wichtigsten afrikanischen Partner der Türkei werden", zitierte das türkische Blatt Today's Zaman den damaligen türkischen Präsidenten Abdullah Gül. Gambia habe die Türkei immer wieder beim Konflikt um die gespaltene Zypern-Insel unterstützt, so Gül damals.
Einen Monat später wurde Jammeh in Saudi Arabien vorstellig: Man wolle die gemeinsamen Interessen besser verzahnen und als "Bruderstaaten" kooperieren, hieß es anschließend in einer Mitteilung beider Staaten. Auch Katar stand auf der Besuchsliste des gambischen Präsidenten. Im November 2014 unterzeichneten die beiden Länder mehrere Steuer- und Wirtschaftsabkommen. Die Golfmonarchie sagte Gambia Hilfsgelder für Infrastruktur und Landwirtschaft zu.
Geschenk aus Katar: Islamisch korrekte Kleidung für Gambias Frauen
Zumindest im Fall Katar gibt es Anzeichen dafür, dass sich das Geberland im Gegenzug religiösen Einfluss in Gambia sichern will. Laut dem privaten Internetportal "Qatar is booming" hat die islamische Hilfsorganisation Islamic Dawah Organisation im vergangenen Januar den Bau von 16 Moscheen in Gambia unterstützt und insgesamt Entwicklungsprojekte im Wert von umgerechnet 1,5 Millionen Euro auf den Weg gebracht. Die Organisation habe islamische Kleidung für Frauen gespendet, die sich gambische Frauen nicht leisten könnten, zitiert das Portal den katarischen Generaldirektor der Organisation.
Insgesamt aber sprudelt das Geld vom Golf nicht so, wie Jammeh es sich erhofft. Saudi Arabiens Unterstützung an Gambia umfasste laut der saudischen Entwicklungsbehörde SFD in den vergangenen 40 Jahren gerade einmal 55 Millionen Euro. Zum Vergleich: Ruanda bekam im selben Zeitraum 97 Millionen Euro. Der staatliche Kuwait Fund hat nach eigenen Angaben seit 1977 rund 98 Millionen Euro nach Gambia überwiesen. Das sind rund 2,5 Millionen Euro im Jahr - für ein reiches Ölland wie Kuwait nicht viel.
Wie weit geht Präsident Jammeh?
Das liege einerseits daran, dass Gambia nicht von geopolitischem Interesse sei und etwa über keine natürlichen Ressourcen verfüge, sagt Jeffrey Smith. Aber auch an der grassierenden Korruption. Entwicklungsgelder seien in der Vergangenheit versickert. "Das schreckt internationale Geber berechtigterweise ab: Sie stehen nicht Schlange, um in einen Präsidenten zu investieren, der unfähig ist, es richtig zu machen."
Für Journalist Gaye ist das kein Grund zur Entwarnung. "Der Präsident weiß, was die arabische Welt sehen möchte", sagt er. Und das könnte durchaus noch weitere Schritte einschließen, etwa die Einführung der Scharia - um sich den Golfstaaten weiterhin als verlässlicher muslimischer Bruderstaat anzuempfehlen.