Gao Yu wehrt sich gegen Vorwürfe
21. November 2014Die Staatsanwaltschaft wirft Gao Yu (Artikelbild) vor, "Staatsgeheimnisse ans Ausland geliefert" zu haben. Die kritische chinesische Journalistin bestreitet diese Vorwürfe vehement. Ein im Staatsfernsehen zuvor ausgestrahltes Geständnisvideo von ihr sei unter Zwang von Polizisten entstanden, sagte sie nach Angaben ihres Anwaltes zum Prozessauftakt in Peking. Im schlimmsten Fall droht ihr die Todesstrafe, ihr Anwalt Mo Shaoping rechnet mit einer Gefängnisstrafe zwischen fünf und zehn Jahren aus. Ein Termin für die Urteilsverkündung steht noch nicht fest.
Gao Yu soll ein "hoch vertrauliches Dokument" an ausländische Medien gegeben haben. Beobachter meinten, es könne sich um das "Dokument Nr. 9" gehandelt haben. Es listet Bedrohungen für die Kommunistische Partei auf und fordert einen harten ideologischen Kurs. Anfang Mai wurde sie im chinesischen Staatsfernsehen CCTV mit einem Schuldeingeständnis vorgeführt. Später forderte sie die Staatsanwaltschaft auf, das Geständnis nicht im Prozess zu verwenden. Bei einer Voranhörung hatte sie erklärt, dass sie es nur aufgrund von Drohungen gegen ihren Sohn Zhao Meng abgelegt habe. Auch Zhao war unter dem Vorwurf des Verrats von Staatsgeheimnissen verhaftet worden, kam jedoch Ende Mai wieder frei.
"Ihr wird aus politischen Gründen der Prozess gemacht"
Die Journalistin, die bis 1999 wegen eines ähnlichen Vorwurfs sechs Jahre in Haft gesessen hatte, durfte in China schon lange nicht mehr publizieren. Sie schrieb aber für ausländische Medien, wie für die chinesische Redaktion der Deutschen Welle.
In dem Verfahren gegen Gao Yu sollen neue, strengere Gesetze zum Schutz von Staatsgeheimnissen angewendet werden. "In Wahrheit geht es aber nicht um juristische Vergehen, sondern ihr wird aus politischen Gründen der Prozess gemacht", kritisierte ihr zweiter Anwalt Shang Baojun. Bereits im Vorfeld des Prozesses habe Gao Yu gegenüber dem Richter betont, dass das Geständnis erzwungen gewesen sei. "Trotzdem bleibt es das wichtigste Beweisstück der Anklage. Das entbehrt jeder juristischen Grundlage", klagte der Anwalt.
Menschenrechtsgruppen kritisierten das Vorgehen gegen Gao Yu scharf. "Ein unter Zwang aufgezeichnetes vermeintliches Geständnis vor Prozessbeginn im Fernsehen auszustrahlen, spricht jeglicher Rechtsstaatlichkeit Hohn", sagte Christian Mihr von der Organisation "Reporter ohne Grenzen" (ROG) und forderte ihre Freilassung. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International bezeichnete den Prozess als Offenbarungseid für Chinas Führung. Das Verfahren entlarve die von Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping propagierte Kampagne für mehr Rechtsstaatlichkeit als Farce.
Mindestens 29 Journalisten in China in Haft
Deutsche-Welle-Intendant Peter Limbourg begrüßte den Appell von ROG an die chinesische Staatsführung. Gao Yu habe "einen Anspruch auf ein faires und rechtsstaatliches Verfahren". Im Mai hatte Limbourg es als "menschenunwürdig" bezeichnet, Gao Yu "einem Millionenpublikum als geständige Kriminelle vorzuführen".
Nach Einschätzung von Reporter ohne Grenzen reiht sich die Festnahme Gao Yus in eine Repressionswelle rund um den 25. Jahrestag der gewaltsamen Niederschlagung der Studentenproteste von 1989 ein. Insgesamt sitzen in China derzeit mindestens 29 Journalisten und 74 Blogger wegen ihrer Arbeit in Haft - so viele wie in keinem anderen Land der Welt. Auf der Rangliste der Pressefreiheit von ROG steht China auf Platz 175 von 180 Ländern.
Bürgerrechtler muss lebenslang ins Gefängnis
Ebenfalls am Freitag bestätigte ein Gericht eine lebenslange Haft für den uigurischen Bürgerrechtler Ilham Tohti. Die Richter in Ürümqi in der westchinesischen Provinz Xinjiang sahen keinen Grund, das ungewöhnlich harte Urteil gegen den renommierten Pekinger Wirtschaftsprofessor zu mildern, wie Tohtis Anwalt Liu Xiaoyuan auf Anfrage sagte. "Jetzt gibt es keine Möglichkeit für eine Berufung mehr. Tohti wird spätestens in einem Monat in ein Gefängnis überstellt", sagte Liu.
Das Gericht warf dem Menschenrechtsaktivisten vor, die Politik der Regierung gegenüber Minderheiten, Religion sowie die Wirtschafts- und Familienplanung "angegriffen" zu haben. Der Ökonom gilt als gemäßigte Stimme des muslimischen Turkvolkes im Nordwesten, das Unterdrückung durch die herrschenden Chinesen beklagt. Das harte Urteil reiht sich in die Kampagne gegen Terrorismus und Separatismus ein, die Chinas Führung nach einer Serie von Anschlägen und blutigen Zwischenfällen in der Unruheregion Xinjiang ausgerufen hatte.
ab/sti (dpa, kna)