Gaos Berufung wieder verschoben
13. Oktober 2015Es war eine Überraschung, aber keine angenehme: Am Dienstag (13.10.2015) erfuhr Gao Yu von ihrem Rechtsanwalt Shang Baojun, dass der Beginn des Berufsprozesses erneut verschoben wurde - zum dritten Mal bereits. Gao wusste vorher von der Entscheidung des zuständigen Gerichts nichts. Sie habe signalisiert, dass sie die Entscheidung nicht akzeptiere, sagt Shang der Deutschen Welle. Er zitierte seine Mandantin mit den Worten: "Haben sie vor, mich bis zum Tod hier einzusperren?"
Die 71-jährige Gao Yu leidet seit Jahre an Herzproblemen. Vor einer Woche sei es nachts besonders schlimm gewesen, berichtet Rechtsanwalt Shang nach dem Treffen mit Gao. Zwar habe sie Medikamente bekommen, jedoch wirkten diese nicht gut. Im Justizvollzug habe man ihr darauf hin sieben Tage lang Infusionen gegeben. Die Häufigkeit der Herzanfälle habe zugenommen, so Shang. Nach seinen Angaben hatte Gao im September einen weiteren Bluttest gemacht - allerdings ohne Auffälligkeiten. Sie wünsche sich daher, dass weitere Untersuchungen durchgeführt werden.
Für immer im Gefängnis?
Drei Mal schon sei der Auftakt des Berufsprozesses verschoben worden - beim ersten Mal um zwei Monate, dann um einen und nun um drei Monate, bestätigt auch der andere Anwalt Gaos, Mo Shaoping, im Interview mit der DW. Der dritten Verschiebung hätte das Höchste Volksgericht in Peking, das oberste Gericht Chinas, zugestimmt.
Mo appellierte an die Behörden, Gao aus humanitären Gründen freizulassen, da sie älter als 70 Jahre alt sei und schwerwiegende gesundheitliche Probleme habe. "Die Angeklagte sollte auf Kaution freigelassen werden, wenn das Gericht nicht binnen der gesetzlichen Frist zu einem rechtskräftigen Urteil kommt", sagte Mo. "Wir als Verteidiger glauben, dass die Verschiebung des Berufungsprozesses die gesetzlich festgelegte Frist nicht verschiebt. Das Gericht ist anderer Meinung."
Mo argumentierte weiter, dass auf diese Weise seine Mandantin womöglich für immer eingesperrt bleiben könne, wenn das Gericht den Termin - jetzt auch mit Zustimmung des obersten Gerichts - immer wieder verschiebt. Die Rechte der Angeklagten seien dadurch verletzt.
Verurteilt wegen Geheimnisverrat
Die DW-Autorin und Regimekritikerin Gao Yu wurde im April dieses Jahres wegen "Verrats von Staatsgeheimnissen" zu sieben Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Zuvor hatte sie im Gefängnis ein Jahr lang auf den Prozess warten müssen.
Gao hatte die Weitergabe eines Regierungspapiers an ausländische Institutionen zunächst gestanden. Diese Aussage wurde auch im Staatsfernsehen gezeigt. Doch später erklärte die Journalistin, das Geständnis sei aufgrund von Drohungen gegen ihren Sohn zustande gekommen. Peter Limbourg, der Intendant der Deutschen Welle, hatte wiederholt ein faires Verfahren für Gao gefordert.