1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Bundespräsident Gauck in Marseille

Kay-Alexander Scholz5. September 2013

Am letzten Tag seines Staatsbesuchs in Frankreich diskutierte Bundespräsident Gauck mit Jugendlichen das Thema Europa. Er machte Mut, auf die Achse Berlin-Paris zu vertrauen und erklärte, warum er ein Europäer sei.

https://p.dw.com/p/19cah
Bundespräsident Joachim Gauck mit Jugendlichen in Marseille, neben Gauck Bürgermeister Jean-Claude Gaudin (Foto: picture-alliance/dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

"Deutschland kann sich kein Europa vorstellen, in dem Deutschland und Frankreich getrennte Wege gehen", sagte Joachim Gauck in einer Podiumsdiskussion mit Jugendlichen in dem neu gebauten Museum Villa Méditerranée in Marseille. "Da ist nix, was uns auseinander bringt." Denn die gemeinsame Freundschaft beider Länder könne auf Besitzstände zurückgreifen - zum Beispiel auf vielfältige Schulpartnerschaften, Jugendzusammenarbeit und akademischen Austausch. Wenn derzeit manche politischen Akteure über den richtigen Reformweg in ihren Ländern und in Europa streiten würden, dann sei das ein Streit wie in einer Familie. "Es ist eine nützliche Auseinandersetzung."

In diesem Streit müsse niemand Angst vor Deutschland haben. "Kein politischer Akteur Deutschlands will Europa führen oder Europa zu einem deutschen Europa machen", sagte der Bundespräsident. Stattdessen möchte die Regierung auf deutsche Erfahrungen verweisen und gestalten helfen. Den Deutschen ginge es dabei letztlich auch darum, die eigenen Reformen ernst zu nehmen und zu bezeugen, dass diese richtig waren. Er meine damit die schmerzhaften Sozialreformen unter Kanzler Schröder zu Beginn des Jahrtausends, die in Deutschland Unsicherheit und Diskussionen erzeugt hätten. Aber sie seien richtig, weil nützlich für das Land gewesen.

Die europäische Idee ist wichtig

"Wir leisten finanzielle und intellektuelle Arbeit, um Europa aufzubauen", so Gauck. Und warum das alles, warum sollte man überhaupt mehr Europa wagen, lautete die Frage eines jungen Studenten. "Wir brauchen eine größere Einheit, um in der Welt ernst genommen zu werden", antwortete Gauck. Und die europäischen Werte seien doch auch etwas, "was wir gut vertreten können in der Welt".

Gleichzeitig dürften die jungen Menschen aber nicht vergessen, wie viele ältere Menschen wie er noch ein Europa der Kriege erlebt hätten. Deshalb sei die europäische Idee auch ein Projekt der Friedenssicherung. Er sei stolz darauf, heute ein anderes Deutschland repräsentieren zu dürfen als das, was ihre Großeltern und Eltern erleben mussten, sagte Gauck zu den aufmerksam zuhörenden Jugendlichen.

"Deutsch-französisches Tandem"

Am Tag zuvor war Gauck nach Oradour gereist, einen hoch symbolischen Ort des Nazi-Grauens in Frankreich. Nach 69 Jahren war er damit der erste führende deutsche Politiker, der hier um Versöhnung bat. Die positive Resonanz darauf in der französischen Öffentlichkeit und auch bei den Menschen auf der Straße war immens.

Auch der Präsident des Dialogzentrums Villa Méditerranée hatte zu Beginn der Diskussion betont, wie wichtig der Besuch in Oradour gewesen sei. Die Bilder des Vortages - Holland und Gauck Hand in Hand - seien ein Zeichen des "deutsch-französischen Tandems" gewesen. Und noch mehr, sie seien eine "Fortsetzung der Geste von Helmut Kohl und François Mitterand", die sich 1984 auf dem Schlachtfeld von Verdun die Hände gereicht hatten, um beide Länder zu versöhnen. Der Tag in Oradour sei ein Zeichen für den gemeinsamen Willen, "Europas Zukunft aufzubauen".

"Das Mittelmeer braucht Deutschland"

Gauck besuchte die Mittelmeer-Stadt Marseille nicht nur, weil die älteste Stadt Frankreichs in diesem Jahr Kulturhauptstadt Europas ist. "Sondern weil man hier einen Blick über das Mittelmeer hat", so Gauck. Das sei auch politisch wichtig, mahnte Direktor Vauzelle. "Man kann Europa nicht aufbauen, wenn man dem Mittelmeer den Rücken zuwendet." Er werte den Besuch Gaucks als Zeichen, dass sich Deutschland für das Mittelmeer interessiere. "Denn wir brauchen Deutschland im Mittelmeerraum, um gemeinsam Probleme wie das in Syrien zu lösen."

Gauck antworte im Verlauf der Diskussion auf die Aussage zu Syrien. In Europa eine Einheit darüber herzustellen, "was und wie und wann" als Reaktion auf den Giftgasangriff getan werden müsse, das sei schwierig. Auf dem Gebiet einer gemeinsamen europäischen Außenpolitik zeige sich, wie mühsam die Schritte auf dem Weg zu den "Vereinigten Staaten von Europa" seien. "Aber wir müssen dorthin kommen", sagte Gauck zu den Jugendlichen. Er blicke mit Sorge auf den Kleinmut mancher gegenwärtigen Akteure und auch vor dem Zurückfallen in "nur nationales Denken".