1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Bei "Colonia Dignidad" immer weggeschaut

12. Juli 2016

Der Aufarbeitung der Verbrechen der Militärdiktatur gilt die besondere Aufmerksamkeit von Bundespräsident Joachim Gauck bei seinem Besuch in Chile. Dabei geht es auch um das dunkle Kapitel der deutschen Beteiligung.

https://p.dw.com/p/1JNhP
Bundespräsident Joachim Gauck und Präsidentin Michelle Bachelet Jeria in Santiago (foto: dpa)
Chiles Präsidentin Bachelet empfängt Bundespräsident GauckBild: picture-alliance/dpa/W. Kumm

Deutsche Diplomaten hätten jahrelang weggeschaut, wenn in der berüchtigten Siedlung der deutschen Sekte "Colonia Dignidad" in Chile "Menschen entrechtet, brutal unterdrückt und gefoltert wurden": Bei seinem Besuch in der Hauptstadt Santiago spricht Bundespräsident Joachim Gauck unmissverständlich die Versäumnisse Deutschlands im Zusammenhang mit der Horrorsekte an. Gauck verurteilt das lange Schweigen des deutschen Staates. "Natürlich machen auch demokratisch verfasste Staaten Fehler. Und manchmal laden auch sie Schuld auf sich", so Gauck in seiner Rede.

Folterzellen des Geheimdienstes

Die Siedlung "Colonia Dignidad" (Kolonie der Würde) unter ihrem Gründer Paul Schäfer hatte sich seit den 60er Jahren zu einem befestigten Lager mit sektenähnlichen Strukturen entwickelt. Es kam dort auch zu systematischem Kindesmissbrauch. Während der Militärdiktatur bis 1990 wurde die Kolonie etwa 350 Kilometer südlich von Santiago ein Folterzentrum der chilenischen Geheimpolizei. Das Erschrecken darüber sei groß, "was Demokraten zu verdrängen und zu verschweigen vermochten", sagte Gauck, der frühere Stasi-Aufklärer. Er begrüßte, dass Außenminister Frank-Walter Steinmeier nun in der Bundesrepublik die Akten zur Aufklärung offenlege. Die wichtigeren Dokumente über die Folterungen und Ermordungen des chilenischen Geheimdienstes in der Kolonie lägen aber in Chile selbst.

Entschädigungen für Mord und Folter?

Gauck wird auf seiner Reise von dem Regisseur Florian Gallenberger begleitet. Auf dem Programm in Santiago stand auch eine Vorführung dessen Kinofilms "Colonia Dignidad", mit Daniel Brühl und Emma Watson in den Hauptrollen. Am Mittwoch wird das deutsche Staatsoberhaupt voraussichtlich auch mit Vertretern der Opfer zusammentreffen. Die fordern Entschädigungen und Hilfe bei der Suche nach sterblichen Überresten der ermordeten politischen Gefangenen.

Die Suche nach der Wahrheit sei für alle Menschen zentral, ob für Folteropfer oder Hinterbliebene. "Nur wenn die Wahrheit ans Licht kommt, können Wunden heilen, beim Einzelnen wie in der Gesellschaft", sagte Gauck bei der Eröffnung eines Forums zum Thema "Herausforderung der Demokratie".

Gauck würdigte Erfolge in Lateinamerika für Demokratie und Freiheit. So sei in Chile der Diktator Augusto Pinochet durch eine Volksabstimmung entmachtet worden, dort sei es wie in Ostdeutschland gelungen, eine autoritäre Herrschaft ohne Blutvergießen zu beenden: "Das ist eine kaum zu überschätzende, historische Leistung".

SC/mak (dpa, kna, BuPrä)