Mohamad will, kriegt aber keinen Job
12. Februar 2018Mohamad will seine Chancen auf dem deutschen Arbeitsmarkt nicht endgültig verspielen. Deshalb will der 29-Jährige Flüchtling aus Syrien seinen Nachnamen nicht nennen. Was er über seine Jobsuche zu berichten hat, könnte nämlich einige verstören. Denn es wirft kein gutes Licht auf den Umgang deutscher Unternehmen mit Geflüchteten. Und es zeigt, was schief läuft bei deren Integration am Arbeitsmarkt. Derzeit kämpfen rund 500.000 anerkannte Flüchtlinge um einen Job. Die meisten vergeblich. So wie Mohamad.
Mohamad ist Medizintechniker - und will es bleiben
Dabei war er voller Energie gestartet, als es für ihn vor dreieinhalb Jahren nach Deutschland ging. Er konnte sein Glück kaum fassen. Mit offiziellem Visum wurde er im Oktober 2014 vom Libanon nach Deutschland geflogen, als Teil eines UNHCR-Flüchtlingskontingents. Mit an seiner Seite waren seine Eltern und seine Brüder. "Ich hatte das Gefühl, dass mein Leben eine neue Chance bekommt", erinnert Mohamad sich an die Zeit der Euphorie. Bis 2012 hatte die Familie im Bombenhagel in einem Stadtteil von Damaskus ausgeharrt. Über Nacht folgte die Flucht. Seine letzte Erinnerung an sein Zuhause, sagt er leise, sei ein lauter Knall: dann war das Haus der Familie weg.
In Deutschland wollte Mohamad schnell wieder auf die Beine kommen. Mit einem eigenen Job, wie in Syrien. Als diplomierter Medizintechniker rechnete er sich gute Chancen aus. Gerade in technischen Berufen herrscht akuter Fachkräftemangel - und Mohamad kann auf über drei Jahre Arbeitserfahrung verweisen. Er arbeitete als Facharbeiter in einer syrischen Medizintechnik-Firma, und kurz vor seiner Flucht in einem Universitätsklinikum. Doch all das verhinderte nicht den Spießrutenlauf, den er bis heute erlebt.
Deutschlands Großkonzerne ducken sich weg
Die erste Hürde für Mohamad war der deutsche Stempel unter seine syrischen Zeugnisse. Bis sein Berufsabschluss anerkannt war, dauerte es. "Ein Jahr habe ich immer wieder nachgefragt", erzählt der junge Syrer. Inzwischen hat er grünes Licht vom Amt, darf sich "staatlich geprüfter" Medizintechniker nennen. Damit kann er deutschlandweit auf Jobsuche gehen und besitzt auf dem Papier alles, was auch seine einheimischen Kollegen vorweisen können. Auch seine Deutschkenntnisse stimmen. Offiziell beherrscht er das Sprachniveau B2. Im persönlichen Gespräch wirkt Mohamads Deutsch gewählter, als es bei so manchem Einheimischen klingt.
Dann ein Glücksfall, die erste große Chance: ein viermonatiges Praktikum bei Siemens. Seine Augen leuchten, wenn er darüber spricht. "Das war eine Supermöglichkeit, weil ich gesehen habe, wie hier gearbeitet wird", sagt Mohamad. Anschlussjobs waren in dem Praktikums-Programm für Flüchtlinge allerdings nie vorgesehen, und dass, obwohl er die vakante Position eines ausgeschiedenen Siemens-Rentners füllte. "Die Chefs waren sehr freundlich, aber eine echte Jobperspektive gab es nicht." Ähnlich haben sich auch alle anderen DAX-Konzerne in Deutschland verhalten, und so verwundert es kaum, dass Journalisten zuletzt weniger als zehn Flüchtlinge zählen konnten, die bei Deutschlands Vorzeigeunternehmen einen regulären Job gefunden haben.
Ausbeutung: Flüchtlinge werden in den Billiglohn-Sektor gedrängt
Mohamad wollte sich davon nicht entmutigen lassen, versuchte es weiter, hartnäckig und selbstkritisch. Immer wieder verbesserte er seine Bewerbungsunterlagen. Immer wieder fragte er Bekannte, worauf es in einem persönlichen Jobinterview in Deutschland ankommt. Das Problem: meistens kam er gar nicht so weit. Im Gegenteil, er kassierte eine schriftliche Absage nach der anderen. Viele Dutzende Bewerbungen hat er schon geschrieben. Auch vom führenden Hersteller für Herzschrittmacher in Deutschland mit Hauptsitz in Berlin kam ein schriftliches Nein. Ein besser für die Position qualifizierter Bewerber sei gefunden worden, hieß es in dem sehr höflichen Schreiben. Das Perfide: Durch Zufall bekommt der Geflüchtete wenige Tage später Post vom Jobcenter. "Ich habe exakt die gleiche Stellenausschreibung noch einmal gelesen, dieses Mal allerdings vermittelt durch eine Zeitarbeitsfirma." Und ganz konkret bedeute das: "Ich hätte für weniger Gehalt und mit weniger Rechten genau dieselbe Arbeit machen sollen. Warum?"
Oft hört Mohamad in Situationen wie diesen, er solle die Angebote von Zeitarbeitsfirmen als Sprungbrett begreifen, für mehr Berufserfahrung, ein Kennenlernen. Seine Antwort lautet dann: "Aber ich brauche keine Erfahrung sammeln, weil ich auch welche mitbringe." Und so wirkt das Spiel zwischen Arbeitgeber und Zeitarbeitsfirmen für Mohamad vor allem wie eins: Profitmacherei. Mit Nachdruck wünscht er sich: "Gebt mir einen Job, keine Zeitarbeit!" Und oft wundert er sich darüber, dass die vom Staat bezahlten Jobcenter bei diesem Spiel der Unternehmen einfach so mitspielen würden. "Wieso vermitteln die keine richtigen Jobs?" Viele seiner deutschen Freunde gehe es wie ihm. Auch sie würden keine festen Stellen finden, sich von einem Zeitrarbeitsjob zum nächsten hangeln. "Viele gehen dann ins Ausland, doch das kann ich nicht".
Diskriminierung: "Einige Regeln sollten nur für mich gelten"
Dann folgt der Tag, als Mohamad vom Chef eines 15-Mann-Betriebs im Berliner Stadtteil Pankow zur Probearbeit eingeladen wird. "Ich war überglücklich", erinnert er sich an den Januar vor einem Jahr. Bereits am ersten Probe-Tag wurde jedoch klar, dass in diesem Unternehmen mit zweierlei Maß gemessen wird. Schnell schlich sich bei ihm das Gefühl ein: "Einige Regeln sollten nur für mich gelten." Von Gleichbehandlung der Mitarbeiter konnte keine Rede sein, erzählt Mohamad. Das zeigte bereits die Raucherpause. Während Mohamad seine erste Abmahnung kassierte, als er außerhalb der Produktionshalle eine Zigarette zog, war anderen Kollegen das wenig später ohne Widerspruch des Chefs erlaubt. "Ich bin ein Mensch, kein Ding, und eigentlich würde ich auch gern so behandelt werden", so lautete Mohamads Fazit, bevor er die Firma verließ.
Wenige Tage darauf arbeitet er bei einem anderen Kleinunternehmen in Berlin zur Probe. Mit dem dortigen Chef hatte er über die Position eines Elektronikers gesprochen, was sich auch im Entwurf des Arbeitsvertrags widerspiegelte. Doch im Kleingedruckten wurde deutlich, dass die Bezahlung von Mohamad eher der eines Minijobbers gleichen sollte. "Nach sechs Jahren Uni neun Euro Stundenlohn bekommen - in meinen Augen ist das Betrug", sagt er mit mächtig Frust in der Stimme. "Wie kann man mit so einem Gehalt die Miete, den Strom und alles andere in Berlin bezahlen?" Schnell deutlich wurde auch, dass der Firmenchef in Mohamad weniger einen Elektroniker, als vielmehr einen Paketboten sehen wollte. Er sollte stapeln, sortieren und versenden. Für Mohamad türmten sich immer mehr Fragezeichen auf, bis es aus ihm herausplatzte. "Lasst mich arbeiten, und zwar das, was ich kann."
Eine große Leere stellt sich ein
Mohamads jüngerem Bruder erging es ähnlich. Obwohl er eine Ausbildung als Elektriker in Syrien gemacht hat, wollte ihn das deutsche Jobcenter vor allem als Aushilfe in Restaurants vermitteln. Dabei gehören Elektriker in Deutschland derzeit zu jener Gruppe von Handwerkern, die vom Fachkräftemangel besonders betroffen sind. Für Mohamad fühlte sich das zurückliegende Jahr schrecklich an - denn bewegt hat sich seitdem nicht viel. Weiter verbrachte er jeden Tag vier Stunden lang in Jobbörsen. Weiter kassierte er Absage um Absage, ein ums andere Mal. Um auf andere Gedanken zu kommen, machte er zuletzt den Führerschein. Er stockt, und sein trauriger Blick verrät, wie sehr ihm der aktuelle Stillstand an die Nieren geht. "Ja, das ist wirklich alles, was bei mir so passiert."