Gedenken an ermordete Sinti und Roma in Auschwitz
2. August 2023Sinti und Roma aus ganz Europa haben in der Holocaust-Gedenkstätte im früheren Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau an die in der Zeit des Nationalsozialismus rund 500.000 ermordeten Frauen, Männer und Kinder der Minderheit erinnert. Dabei wurde an die andauernde Diskriminierung und Ausgrenzung von Sinti und Roma, den Antiziganismus, in vielen europäischen Ländern und vor einem Comeback rassistischer und nationalistischer Ideologien gewarnt.
Der Vorsitzende des Zentralrates der Sinti und Roma in Deutschland, Romani Rose, sagte in der Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau, in vielen osteuropäischen Ländern lebten Roma immer noch unter Apartheid-ähnlichen Bedingungen. Antiziganismus nehme den Menschen ihre Würde. Es müsse der Anspruch der Europäischen Union sein, Antiziganismus genauso zu ächten wie Antisemitismus. Rose forderte die Innenminister der deutschen Bundesländer auf, die Unrechtsgeschichte der Polizei im NS-Staat und nach 1945 aufarbeiten zu lassen
An dem Gedenken nahmen auch der Beauftragte der Bundesregierung gegen Antiziganismus, Mehmet Daimagüler, und die Thüringer Migrationsministerin und Antiziganismusbeauftragte, Doreen Denstädt (Grüne), teil. Daimagüler hatte zuvor die anhaltende Diskriminierung vom Roma und Sinti in Deutschland kritisiert: "Wir können nicht die Opfer achten und ihre Kinder, Enkel und Urenkel verachten", so der Jurist.
Der Präsident des Internationalen Auschwitz Komitees, Christoph Heubner, sagte in Berlin, die Verachtung und der Hass, der Sinti und Roma bis heute in vielen europäischen Ländern entgegenschlägt, sei eine Schande für Europa und eine offene Wunde.
Roth: Sinti und Roma nach wie vor benachteiligt und ausgegrenzt
Deutschlands Kulturstaatsministerin Claudia Roth hat auf die anhaltend schwierige Situation der Menschen hingewiesen. Sinti und Roma würden nach wie vor rassistisch benachteiligt und in vielen Lebensbereichen ausgegrenzt.
Der Kampf um deren Teilhabe müsse auch beim Zugang zu Beschäftigung, Bildung, Gesundheitsversorgung und Wohnen weitergehen. Diese Opfergruppe sei viel zu lang kaum wahrgenommen worden. "Zugleich brauchen wir auch mehr Wissen über die Geschichte und vielseitige Kultur der deutschen Sinti und Roma", sagte Roth.
EU-Kommission ruft zum Minderheitenschutz insgesamt auf
Anlässlich des Gedenktags für die von den Nationalsozialisten ermordeten Sinti und Roma hat die Europäische Kommission zum Minderheitenschutz aufgerufen. Sinti und Roma seien immer noch Rassismus und Diskriminierung ausgesetzt, ließ die Kommission verlauten.
Dieses Problem gelte auch für andere Gruppen, betonte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen: "Europa steht in der Pflicht, die hier lebenden Minderheiten vor Rassismus und Diskriminierung zu schützen", hatte sie vorab zu dem Gedenktag erklärt. Sie rief alle Mitgliedsländer auf, "Gleichstellung, Inklusion und Teilhabe" der Sinti und Roma zu ermöglichen.
Die Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments, Nicola Beer, betonte, auch das EU-Parlament müsse seine Bemühungen im Kampf gegen Diskriminierung verstärken: "Es muss jedem klar sein. Sinti und Roma sind europäische Bürger mit den gleichen Rechten, Freiheiten und Perspektiven."
Am 2. August 1944 hatte die NS-Miliz SS mit der Liquidation des sogenannten "Zigeunerfamilienlagers" im KZ Auschwitz-Birkenau begonnen. Etwa 4300 dort verbliebene Sinti und Roma wurden in den Gaskammern ermordet. Insgesamt sind bis zu einer halben Million Sinti und Roma im nationalsozialistischen Deutschland gewaltsam ums Leben gekommen.
Das Europäische Parlament erklärte im Jahr 2015 den 2. August zum europäischen Gedenktag für die Minderheit.
qu/AR (epd, dpa, afp)