Gedichte statt Waffen - wie Exil-Autoren gegen den Krieg in ihrer Heimat kämpfen
In ihrer Heimat haben sie die Hölle erlebt: Fünf Lyriker aus Syrien, Kamerun, Tunesien, Tschetschenien und Russland beweisen, dass das Wort mächtiger ist als jede Waffe. Krieg und Poesie - hier einige Leseproben.
Fünf Schriftsteller aus fünf Ländern
Die Writers-in-Exile-Autoren auf der Bühne des Volkstheaters Rudolfplatz in Köln (von links nach rechts): Enoh Meyomesse aus Kamerun, Yamen Hussein aus Syrien, Najet Adouani aus Tunesien, der Russe Sergej Lebedew und die Tschetschenin Maynat Kurbanova. Daneben PEN-Präsident Joseph Haslinger, rechts im Bild Kulturstaatsministerin Monika Grütters und Literaturkritiker Denis Scheck.
Yamen Hussein: "Siebzehn Minuten"
"Die verbleibende Zeit, bis die U-Bahn kommt, (...) reicht für einen Liebesrausch, reicht, um ein Massaker zu begehen, dass eine Scud-Rakete Rakka erreicht und ein ganzes Wohnviertel zerstört.(...) Zeit genug für ein weiteres Glas Bier, das dich über die Schwelle trägt, in den angenehmen Taumel, in den Rausch, dass du tanzt wie ein Irrer." Folter und Flucht vertrieben Yamen Hussein aus Syrien.
Maynat Kurbanova: "Flugzeuge nicht nur für Bomben"
"...Ich denke an unseren letzten Flug. Meine Tochter hatte sich damals lautstark geweigert, ins Flugzeug zu steigen. 'Sie schmeißen Bomben!' hatte sie immer wieder geschrien. Sie wusste einfach nicht, dass es Flugzeuge auch zum Transport gab, nicht nur zum Bombenwerfen..." Die tschetschenische Journalistin Maynat Kurbanova verließ Russland 2004 nach Drohungen.
Enoh Meyomesse: "Als sie mich verhörten"
"wo hast du deine Waffen gebunkert / deine Freunde haben schon alles zugegeben / wo hast du sie versteckt / ... / meine Freunde haben gelogen / meine Freunde haben gezittert / meine Freunde hatten Panik". Enoh Meyomesse (bürgerlich: Dieudonné Enoh) stammt aus Kamerun und saß dort wegen regimekritischer Schriften 40 Monate im Gefängnis.
Najet Adouani: "Der Held der Revolution"
"Der revolutionäre Held erhöht den Preis für Brot und ernährt sich selbst von warmen Croissants. (...) Er steckt dem Polizisten des Viertels eine Liste zu mit den Namen aller, die ihre Zunge noch haben. (...) Er verrät euch für ein Saufgelage und für eine Paradiesjungfrau aus dem Bordell der Obrigkeit..." Die tunesische Dichterin und Journalistin Najet Adouani floh vor Bedrohung in ihrer Heimat.
Sergej Lebedew: "Zwei rote Sterne"
"Großvater war Pilot eines Bombenflugzeugs, er sah nicht, wen er tötete / Mein anderer Großvater diente beim NKWD. Er sah, wen er tötete, wen er am Erschießungsgraben auf die Knie zwang / In meiner Hand liegen zwei rote Sterne, einer gehört dem Krieger, der andere dem Henker. Wie kann ich sie auseinanderhalten?" Der Russe Sergej Sergejewitsch Lebedew schreibt gegen Geschichtsvergessenheit an.