Gefahr vom größten Lavasee der Welt
16. April 2015Im Krater des Nyiragongo brodelt der größte Lavasee der Welt. Zehn Millionen Kubikmeter Magma kochen im Schlund des ostkongolesischen Vulkans. Célestin Kasereka, Forscher am Observatorium in der Provinzhauptstadt Goma, hält den Vulkan für einen der gefährlichsten der Welt: "Der Nyiragongo ist einer von weltweit drei Vulkanen, bei denen der Lavasee immer aktiv ist. Und er liegt direkt neben der Millionenstadt Goma. Wir müssen den Vulkan überwachen."
Geldmangel mit tödlichen Folgen
Das aber ist eine schwierige Aufgabe. Einst gab es Zuwendungen von der Europäischen Union und der Schweizer Regierung. Doch seit 2014 unterstützen ausländische Geldgeber das Observatorium in Goma nicht mehr. Die Regierung der Provinz Nordkivu fühlt sich finanziell überfordert. Nun fehlen die Mittel für wissenschaftliche Exkursionen zum Krater, Seismographen, Zugang zu Satellitendaten oder für die Aufklärung der Bevölkerung.
Das Observatorium hat nicht einmal genug Geld, um die Warntafeln in der Stadt zu aktualisieren. Sie sollten den Grad der Aktivität des Nyiragongo anzeigen, damit die Bevölkerung rechtzeitig die Flucht vorbereiten kann, falls der Nyiragongo ausbricht. Der Vulkanologe Kasereka warnt: "Das ist beunruhigend. Wenn wir die Überwachung nicht adäquat fortführen können, können wir eine böse Überraschung erleben.“
Das nackte Chaos
Eine solche haben die Menschen in Goma und Umgebung 2002 erlebt. Damals ist der Nyiragongo zum vorläufig letzten Mal ausgebrochen. Die Lava hat mehrere hundert Menschen getötet, die Landebahn auf dem Flughafen, Wohnhäuser und Geschäfte zerstört. Joseph Makundi, Leiter der staatlichen Abteilung für Zivilschutz, erinnert sich: "Vor 2002 hat niemand darüber nachgedacht, was in Goma passiert, wenn der Vulkan ausbricht. Als es soweit war, herrschte das nackte Chaos. Niemand hat sich gekümmert, weder die Regierung noch deren Partner. Die aktuelle Regierung will diesen Fehler vermeiden und hat die Abteilung Zivilschutz geschaffen."
Glaubt man dieser Behörde, ist die Regierung nun in der Lage, die Einwohner rund um den Nyiragongo zu evakuieren. Sie sollen im Notfall Schutz in 14 Auffanglagern im benachbarten Ruanda und im Kongo finden.
Lebensmittel und Medikamente fehlen
Aber auf kongolesischer Seite bestehen Probleme. Kriege, Milizen und Banditen machen die Gegend unsicher. Der Zivilschützer Makundi sieht das mit Sorge: "Viele Mittel der Regierung fließen in die Armee. Sie soll Sicherheit garantieren und unser Territorium beschützen. Aber es wird vergessen, dass eine andere Zeitbombe droht. Die Auffanglager sind noch nicht ausgerüstet. Wenn jetzt etwas passieren würde, wären wir nicht in der Lage, angemessen zu reagieren."
In den Lagern fehlen Lebensmittel und Medikamente. So ist es kaum verwunderlich, dass viele in Goma den Vulkan fürchten, beinahe so sehr wie die weit verbreitete Kriminalität. Die 28 Jahre alte Kellnerin Amina Mugaruka sagt: "Wenn der Vulkan kommt, werde ich fliehen wie vor dem Regen, ohne zurückzuschauen."
Joshua Mbarasukeye besitzt eine kleine Apotheke in Goma. Der 45-Jährige fürchtet im Falle eines Vulkanausbruchs vor allem um seinen Besitz: "Der Vulkan ist bedrohlich. Wenn er ausbricht, zerstört er alle Häuser und Geschäfte. Man fängt wieder bei null an. Die Kriminalität und die Unsicherheit, die gehen dagegen vielleicht irgendwann vorüber."
In Gefahr leben auch die Menschen in der ruandischen Stadt Gisenyi. Sie liegt direkt neben Goma jenseits der Grenze. Die Lava des Nyiragongo kann bis dorthin gelangen. Außerdem führt ein unterirdischer Magma-Graben unter dem Krankenhaus von Gisenyi hindurch. Auch dort könnte der Nyiragongo jederzeit spucken.
Selbst die Soldaten flüchten
Die Techniker und Wissenschaftler aus dem Kongo und Ruanda arbeiten bei den Plänen für die Evakuierung eng zusammen. Das ist bemerkenswert. Denn die beiden Länder haben Kriege geführt, Ruanda ist mehrmals in den Kongo einmarschiert. Die politischen Beziehungen sind schlecht. Wenn der Nyiragongo ausbricht, werden aber selbst die Soldaten mit ihren Waffen zu den Nachbarn fliehen. So gewinnt der Zivilschützer Makundi dem Vulkan auch etwas Positives ab: "Er ist eine Quelle des friedlichen Zusammenlebens. Die Ruander sind unsere Freunde. Sie kommen zu uns, wir zu ihnen, ganz ohne Probleme."