Flucht nach Süden
9. Juli 2012Verzweifelt klopften die Migranten gegen die Innenwand des Lastwagens und schrien, doch als der Fahrer anhielt, war es für viele zu spät. 41 junge Äthiopier erstickten Ende Juni im Inneren eines überfüllten Lastwagens in Tansania. Mit Hilfe von Schmugglern wollten sie ihr Ziel erreichen: ein besseres Leben in Südafrika.
Die Überlebenden sollen wieder in ihre Heimat abgeschoben werden, berichtet Tansanias stellvertretender Innenminister Pereira Silima im DW-Interview. "Leider sind an dem Geschäft auch einige unserer Landsleute beteiligt", sagt Silima. "Sie wissen, welche Routen sie wählen müssen, auf denen das Risiko geringer ist, erwischt zu werden."
Netzwerke von Menschenschmugglern
20.000 Flüchtlinge pro Jahr durchqueren Tansania auf ihrem Weg nach Südafrika, schätzt die Internationale Organisation für Migration. Immer wieder kommt es dabei zu tödlichen Unglücken: Ebenfalls im Juni sank ein Flüchtlingsschiff auf dem Malawi-See - 47 Äthiopier ertranken. Im Dezember 2011 wurden die Leichen von 20 Somaliern an einer tansanischen Straße gefunden.
Yitna Getachew ist Experte für Migration im östlichen und südlichen Afrika bei der Internationalen Organisation für Migration. Auch er berichtet, dass die meisten Flüchtlinge mit Hilfe von Schmuggelbanden in Richtung Süden reisen. "Das ist ein loses Netzwerk von Schmugglern, die zusammenarbeiten, eine Art Kette in jedem Land, wobei die Flüchtlinge immer an die nächste Kette weitergeleitet werden", erklärt der Äthiopier.
Dabei gebe es vermehrt Fälle, in denen sich Schmuggler für die komplette Reise nach Südafrika bezahlen lassen, die Migranten dann aber irgendwo unterwegs zurücklassen. "Dort wartet dann der nächste Schmuggler und profitiert von ihrer Notsituation." Die meisten Äthiopier und Somalier, die ihre Heimat verlassen, sind Wirtschaftsflüchtlinge, meint Getachew. Viele fliehen aber auch vor Krieg und politischer Verfolgung.
Die meisten Asylanträge weltweit in Südafrika
Mohad Abdul ist vor der Gewalt in Somalia nach Südafrika geflüchtet. Zwei Wochen ist er illegal durch mehrere Länder gereist - mal mit öffentlichen Bussen, mal mit Hilfe von Schmugglern. Den 32-Jährigen ärgert vor allem, wie die Flüchtlinge auf der Reise kriminalisiert werden. "Mein Land ist zusammengebrochen und völlig am Ende, es gibt keine Stabilität und keine Regierung. Natürlich sucht man in so einer Situation einen sicheren Hafen. Und dann wirst du überall auf dem Weg nach Dokumenten gefragt. Seit 20 Jahren haben wir keinen Staat, wie soll man da ein Dokument bekommen?", fragt der Somalier.
Die Integration in Südafrika fiel Abdul hingegen leicht, da er schnell eine Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigung bekam. Heute lebt er als Geschäftsmann in Johannesburg und beobachtet, wie immer mehr Somalier und Äthiopier nach Südafrika strömen. In keinem anderen Land der Welt werden so viele Asylanträge gestellt wie hier - allein 2011 mehr als 100.000. Die Behörden kommen mit der Bearbeitung der Anträge kaum hinterher.
Immer wieder gibt es Berichte über fremdenfeindliche Übergriffe. Einige hätten Angst, dass die Somalier ihnen die Arbeit wegnehmen, berichtet Abdul. Er ist trotzdem glücklich mit seinem neuen Leben, denn er hat etwas, was er in seiner krisengeschüttelten Heimat nicht kannte: Sicherheit und Arbeit.