Libertas in Polen
28. Mai 2009Es war wohl ein anstrengender Wahlkampf: Artur Zawisza kneift beim Reden die Augen zusammen und sucht - so scheint es - nach jedem einzelnen Wort. Der dunkelhaarige Mann mit dem Schnurrbart steht auf Platz Eins der Liste seiner Partei, der Libertas. Er hat, genau wie Libertas-Gründer Declan Ganley, ein großes Ziel: Er will den Lissabon-Vertrag verhindern. "Wenn wir wirklich einen EU-Vertrag brauchen, dann soll dieser so sein wie die Amerikanische Verfassung: kurz, lesbar und verständlich", fordert er. Um die EU auf einen Nenner zu bringen, brauche es nur 25 Seiten, meint Zawisza. Der aktuelle Lissabon-Vertrag habe dagegen 4708 Seiten und sei zu bürokratisch.
Libertas versammelt polnische EU-Kritiker
Die Brüsseler Bürokratie ist vielen Polen ein Dorn im Auge. So konnte Libertas-Gründer Declan Ganley hier schnell Verbündete finden - und einen Ableger seiner Partei auch in Polen gründen.
127 Kandidaten treten in ganz Polen für Libertas an. Die meisten sind eng verbunden mit der ultrakatholischen und nationalkonservativen Partei LPR, der Liga der polnischen Familien. Zuletzt machte diese als Koalitionspartner der Kaczyński-Partei "Recht und Gerechtigkeit" von sich reden. Auch diese Partei ist EU-kritisch. Doch so offen wie die Libertas lehnt die LPR den Lissabon-Vertrag nicht ab. Das ärgert viele ihrer Anhänger wie den Geschäftsmann Jerzy Krajewski. "Wenn der Lissabon-Vertrag unterschrieben ist, werden in der EU vor allem die Deutschen dominieren, denn das ist ein bevölkerungsreiches Land. Deswegen liegt denen auch am meisten an der Unterzeichnung des Vertrages. Aber deswegen müssen wir ihnen nicht dabei helfen", sagt er. Er will bei den Europawahlen für Libertas stimmen.
Personen statt Programm
Die Angst vor dem großen Nachbarn und die Angst, dass Polen seine so hart erkämpfte Souveränität an die EU verliert - das bringt die Anhänger von Libertas zusammen. Sie sehen Europa als nicht viel mehr als einen Wirtschaftsverband mit einem offenen Arbeitsmarkt. Von Brüssel will man zwar Geld, aber keine Vorschriften.
Ideen, die auch dem früheren polnischen Präsidenten Lech Wałęsa gefallen. Er sprach vor ein paar Wochen auf einem Libertas-Treffen in Rom. Inzwischen hat er sich wieder von der Partei distanziert, aber ganz Polen diskutiert seinen Auftritt. "Wir haben große Probleme: Die Journalisten interessieren sich nicht für unser Programm, sie interessieren sich für Lech Wałęsa und Declan Ganley, aber keiner von beiden ist das Programm der Partei Libertas", sagt Artur Zawisza.
Nein zu Lissabon
Die Partei hat noch einen Sympathisanten: Piotr Farfał, umstrittener Intendant des öffentlich-rechtlichen Fernsehens. Der LPR-Getreue war früher Funktionär der offen antisemitischen Organisation "Allpolnische Jugend". Was Libertas macht, gefällt ihm wohl. Angeblich hat er persönlich angeordnet, den EU-Verfassungsgegnern Sendeminuten zur besten Fernsehzeit einzuräumen. Bei so viel Unterstützung blickt die Partei den Wahlen optimistisch entgegen. "Wir wollen bei der Wahl aufs Podium, das heißt den dritten Platz hinter den zwei großen Parteien einnehmen", erklärt Zawisza.
Zehn Prozent der Wählerstimmen will Libertas in Polen erreichen. Die Partei will ins Europa-Parlament einziehen und dann versuchen, den Lissabon-Vertrag zu kippen. Noch ist das ein fernes Ziel, denn Umfragen sehen die Partei bei knapp unter fünf Prozent. Das weiß auch Artur Zawisza. Er rückt seinen Anzug gerade, kneift seine Augen zusammen und gibt das nächste Interview.
Autorin: Linda Vierecke
Redaktion: Julia Kuckelkorn