Gelbe Karte für angehenden EU-Kommissar
12. Oktober 2004Ab dem 1. November 2004 wird eine neue Kommission von Brüssel aus die Geschicke der Europäischen Union steuern. Jedes der 25 EU-Länder stellt einen Kandidaten für die Kommission, die ab Herbst über die zentralen Fragen der Union entscheiden wird. Doch bevor die Kommissare in Brüssel mit der Arbeit beginnen können, müssen sie sich noch dem Votum des Europäischen Parlaments stellen. Und zum ersten Mal in den seit zwei Wochen laufenden Befragungen haben die Abgeordneten jetzt einen designierten Kommissar abgelehnt.
Harte Verhöre
Wohl kaum einer der Kommissars-Anwärter hatte mit so harten Eignungstests gerechnet. Auch nicht der designierte Kommissar für Justiz und Inneres, Rocco Buttiglione, als er sich sichtlich gelassen den Parlamentariern stellte. Auf Kritik stießen vor allem seine Positionen zur Frau in der Gesellschaft, zur Einwanderung und zur Homosexualität. So hatte der gläubige Katholik erklärt, dass er Homosexualität als Sünde begreife. Dies habe jedoch keine politischen Konsequenzen, solange er nicht von einem Verbrechen spreche. Er werde sich daher an alle europäischen Anti-Diskriminierungs-Gesetze halten.
Kritik an Haltung zur Homosexualität
Doch das sieht der zuständige Justiz-Ausschuss im Europäischen Parlament ganz anders. In einer geheimen Abstimmung wurde die Berufung des Italieners als Justiz- und Innenkommissar mit 27 zu 26 Stimmen abgelehnt. Die Aussagen Buttigliones hatten vor allem bei den Grünen und sozialistischen Abgeordneten Empörung ausgelöst. Hannes Swoboda, Vizepräsident der sozialistischen Fraktion erläutert: "Wenn er die Frauen wieder an den Herd schicken will und Homosexualität als Sünde definiert, dann sind das Meinungen, die zur heutigen Zeit nicht mehr passen. Gerade für jemanden, der für die Verwirklichung von Anti-Diskriminierungsmaßnahmen, für die Verwirklichung von Freiheit und Gleichheit verantwortlich ist."
Zu katholisch für das Amt?
Die konservative Fraktion im Parlament sieht das völlig anders und reagierte ihrerseits empört auf die Ablehnung Buttigliones. Ewa Klamt, deutsche Abgeordnete der Europäischen Volkspartei sprach sich ganz deutlich gegen jede Form der Diskriminierung aus. Und fügte hinzu, dass Herr Buttiglione als Katholik diskriminiert werde, weil er sich ganz klar zu seinem persönlichen Glauben bekannt habe. Eine derartige Haltung kritisiere sie vehement und wies daraufhin, dass es ganz andere Kandidaten gebe, die nicht annähernd die Qualifikationen eines Rocco Buttigliones hätten.
Heikle Situation für Barroso
Vor einer heiklen Situation steht nun vor allem Kommissionspräsident José Manuel Barroso. Gegen zum Teil massive Kritik aus dem Parlament hatte Barroso den designierten Justizkommissar in Schutz genommen. Barroso habe keinen Zweifel, dass Buttiglione in seiner Amtszeit die europäischen Grundrechte verteidigen und die Rechte Homosexueller nicht einschränken werde, ließ eine Sprecherin in Brüssel verlauten. Wird das bisher in der europäischen Parlamentsgeschichte einmalige Ausschussvotum jetzt vom gesamten Parlament bestätigt, muss Barroso entscheiden, ob er an einem offenkundig unerwünschten Kommissar festhält oder möglicherweise die italienische Regierung mit der Bitte um einen neuen Vorschlag verärgert. Das Parlament selbst kann keine einzelnen Kandidaten, sondern nur die komplette Kommission ablehnen. Dadurch wäre Barrosso genötigt, den umstrittenen Kandidaten zurückzuziehen.