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Politik

Gentiloni als bloßer Statthalter?

12. Dezember 2016

Der designierte italienische Ministerpräsident Paolo Gentiloni gilt als Übergangskandidat. Trotzdem sind die Erwartungen an ihn hoch, weil das Land in der politischen und wirtschaftlichen Krise steckt.

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Paolo Gentiloni Außenminister Italien
Bild: Reuters/A. Bianchi

In Medienberichten wird er "proletarischer Graf" und "Gentleman" genannt. Tatsächlich entstammt der 62-Jährige dem alten italienischen Adelsgeschlecht der Gentiloni Silveri. Doch das Aristokratische seiner Herkunft hat ihn nie gehindert, links zu sein. Als junger Mann war er sogar in linksextremen Bewegungen aktiv. Die Radikalität hat sich im Laufe seiner politischen Karriere abgeschliffen. Nach zwei Ministerposten, 2006-2008 als Kommunikations- und bis vor wenigen Tagen als Außenminister, sieht sich Gentiloni als Sozialdemokrat.

Vielleicht ist es seine vornehme Herkunft, vielleicht auch seine Persönlichkeit, jedenfalls hat sich Gentiloni immer in der zweiten Reihe gehalten. Er und sein Förderer, der zurückgetretene Ministerpräsident Matteo Renzi, könnten charakterlich kaum verschiedener sein: Auf den extrovertierten, zur Selbstüberschätzung neigenden Renzi folgt der stille, loyale Arbeiter im Hintergrund, Paolo Gentiloni. Einmal hat er selbst versucht, sich nach vorn zu schieben, als er Bürgermeister von Rom werden sollte. Doch er scheiterte bereits bei der innerparteilichen Kandidatenkür. Allerdings folgte bald darauf die Berufung zum Außenminister durch Renzi. Der Posten war frei geworden, weil die Amtsinhaberin Federica Mogherini zur EU wechselte. 

Zahlreiche Witze machen die Runde über das Neue, das jetzt in den Palazzo Chigi einziehen werde: nämlich angeblich überhaupt nichts, Gentiloni sei Renzis "Klon", sein "Avatar". Die Lega Nord erwartet eine "Fotokopie" der bisherigen Regierung, und die Fünf-Sterne-Bewegung zieht die Namen der beiden Politiker zu "Renziloni" zusammen, um zu zeigen, da gebe es praktisch keinen Unterschied.

Symbolbild Matteo Renzi  Abschied
Matteo Renzi ist abgetreten, aber er will wieder an die MachtBild: picture-alliance/dpa/O. Hoslet

Er glaubt nicht an "deutsche" Sparpolitik

Dass Gentiloni nicht immer der Sanfte ist, zeigen Äußerungen aus seiner Zeit als Außenminister. Im Februar 2015 sagte er in einem Fernsehinterview: "Wenn nötig, wird Italien bereit sein, in Libyen gegen den 'Islamischen Staat' zu kämpfen, denn die italienische Regierung kann es nicht hinnehmen, dass nur wenige Stunden mit dem Schiff von Italien entfernt eine terroristische Bedrohung herrscht." Auch gegenüber der von Deutschland geforderten Sparpolitik zeigte er sich in einem Gespräch mit der Zeitung "Die Welt" unnachgiebig: "Ich weiß, dass in Deutschland viele meinen, wir würden hier eine fröhliche Finanzpolitik betreiben. Aber wenn wir glauben, die in 30 Jahren aufgehäuften Schulden abzutragen, indem wir Italien erdrosseln, dann erdrosseln wir die gesamte europäische Wirtschaft."

Gentilonis stille, versöhnliche Art ist gleichzeitig ein Vorteil und ein Nachteil für die zerstrittene Demokratische Partei nach dem gescheiterten Referendum. Er unterhält gute Beziehungen zu den verschiedenen Flügeln und dürfte der richtige Mann sein, um die Partei zu einen. Sein Nachteil ist, dass er als reiner Übergangskandidat gilt. So jedenfalls dürfte auch Renzi Gentilonis Rolle sehen: Der Graf soll ruhig weiterregieren und ihm den Platz bis zu den Neuwahlen in einigen Monaten warmhalten; fällt die Wahl günstig für die Demokratische Partei aus, könnte Renzi zurückkehren.

Italien Beppe Grillo
Beppe Grillos eurokritische "Fünf-Sterne-Bewegung" will sofortige NeuwahlenBild: Getty Images/AFP/G. Cacace

Die Fünf-Sterne-Bewegung scharrt mit den Hufen

Fest steht, die Finanzwelt hat zunächst aufgeatmet, als Gentiloni mit der Regierungsbildung beauftragt wurde. Eine der wichtigsten Herausforderungen für die neue Regierung ist die ungelöste Bankenkrise. Auch deshalb dürfte Pier Carlo Padoan nicht Ministerpräsident geworden sein; er wird einfach zu dringend in seinem bisherigen Ressort gebraucht. Daher gilt auch als sicher, dass Gentiloni ihn auf seinem alten Posten belassen wird.

Wann es Neuwahlen geben wird, ist unklar. Renzi selbst sagte in einem Interview mit der Zeitung "Quotidiano Nazionale", er erwarte sie für Juni. Und Gentiloni sei jetzt der Richtige: "Er hat das Zeug, er wird Erfolg haben. Ich wünsche ihm viel Glück." Vor Neuwahlen muss die Regierung aber das juristisch und politisch umstrittene Wahlrecht anpassen. Nach dem Willen des Staatspräsidenten Sergio Mattarella sollen die beiden bisher unterschiedlichen Wahlgesetze für beide Parlamentskammern vereinheitlicht werden. Die eurokritische Fünf-Sterne-Bewegung und die rechtspopulistische Lega Nord drängen bereits auf sofortige Neuwahlen und wittern Verrat an den Wählern des Referendums, wenn sich der Wahltermin deutlich verzögert. In Umfragen liegen die Fünf Sterne im Moment als zweitstärkste Kraft knapp hinter der Demokratischen Partei.

Auch außerhalb Italiens macht man sich Gedanken über die italienische Politik. Die spanische Zeitung "El Mundo" schreibt: "Vor dem Hintergrund der Populismuswelle in Europa muss Gentiloni nun mit jener Behutsamkeit vorgehen, die ihm seine Anhänger nachsagen. Er darf keine Fehler machen, um Parteien wie der Fünf-Sterne-Bewegung und der Lega Nord nicht noch mehr Flügel zu verleihen."

Geht es nach den Erwartungen der meisten Regierungen in der EU, hätte Paolo Gentiloni seinem Land und Europa schon einen Dienst erwiesen, würde er Italien bis zum Wahltermin stabilisieren. Im gegenwärtigen Klima wäre das schon viel.