Georgiens Regierung greift hart gegen EU-Befürworter durch
Bei proeuropäischen Demonstrationen in Tiflis sind etliche Menschen festgenommen worden. Die Proteste richten sich gegen den Russland-Kurs des umstrittenen Ministerpräsidenten Irakli Kobachidse.
Gegen die Abwendung von der EU
Das Ziel, EU und NATO beizutreten, steht seit 2013 in Georgiens Verfassung. Bei Umfragen drücken die Georgier regelmäßig breite Zustimmung zur Westorientierung ihres Landes aus. Dennoch siegte bei der umstrittenen Parlamentswahl Ende Oktober die Russland zugewandte Regierungspartei "Georgischer Traum". Doch die Opposition erkennt das offizielle Ergebnis wegen mutmaßlicher Wahlfälschung nicht an.
Premier Kobachidze beklagt "Erpressung" durch EU
Die jüngsten Proteste begannen Donnerstagabend, nachdem Premierminister Irakli Kobachidze verkündet hatte, Georgien werde bis 2028 nicht mehr mit der EU über den Beitrittsprozess verhandeln. Er warf Brüssel "Erpressung" und "Manipulation" vor. Die EU hatte die Verhandlungen im Sommer auf Eis gelegt, nachdem die Regierungspartei eine Reihe Gesetze nach russischem Vorbild erlassen hatte.
Präsidentin Surabischwili demonstriert mit
Georgiens Staatspräsidentin Salome Surabischwili erkennt das Ergebnis der Parlamentswahl nicht an. Ihre Solidarität mit den Demonstranten drückte sie durch Teilnahme an den Protesten in der Hauptstadt am Donnerstag aus. Surabischwili wirft der Regierung einen "konstitutionellen Putsch" vor. In einer Fernsehansprache sagte sie: "Es ist offensichtlich, dass niemand ein russifiziertes Georgien will."
Verletzte nach Ausschreitungen in Tiflis
Vor allem in der Hauptstadt Tiflis kam es bei den Kundgebungen am Donnerstag- , Freitag und Samstagnacht zu heftigen Ausschreitungen. Die Polizei setzte Wasserwerfer und Tränengas ein. Die USA beendeten zunächst ihre strategische Partnerschaft mit Georgien. Das US-Außenministerium verurteilte einen "unverhältnismäßigen Gebrauch von Gewalt gegen Georgier, die ihr Recht auf Protest ausüben".
Festnahmen nach Zusammenstößen mit Polizei
Bereits in der Nacht auf Freitag hatte die Polizei laut Innenministerium 43 Demonstranten "wegen Missachtung polizeilicher Anordnungen" und Vandalismus festgenommen, am Abend darauf meldete die Behörde weitere 107 Festnahmen. Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) bestätigte eine "unverhältnismäßige und wahllose Gewaltanwendung der Polizei".
Der dritte Abend in Folge
Auch am Samstagabend gingen tausende Menschen auf die Straße, um gegen den Aufschub der EU-Beitrittsverhandlungen zu protestieren. In Tiflis errichteten die Demonstranten Barrikaden, schlugen Fensterscheiben ein und zündeten Feuerwerkskörper. Die Polizei setzte erneut Wasserwerfer und Tränengas ein. Georgischen Medien zufolge gab es in weiteren Städten in Georgien Proteste.
"Maidan-ähnlichen Szenario"
Am Samstag hatte Premier Kobachidze erklärt, Tiflis sei weiter der europäischen Integration verpflichtet. Gleichzeitig sagte er, "ausländische Organisationen" strebten in Georgien ein "Maidan-ähnliches Szenario" an, ohne konkreter zu werden. 2014 hatten Proteste auf dem Maidan-Platz in Kyjiw zum Sturz der Regierung geführt, nachdem diese ein Assoziierungsabkommen mit der EU abgeblasen hatte.