Russland wegen Vertreibung verurteilt
3. Juli 2014Der Urteilsspruch der Straßburger Richter liest sich wie eine Ohrfeige. Russland habe nicht nur gegen das Recht auf Freiheit und Sicherheit verstoßen sondern auch gegen die Verbote kollektiver Vertreibung und menschenunwürdiger Behandlung. Die Richter stellten außerdem eine "koordinierte Politik der Festnahmen, Verhaftungen und Ausweisungen" der russischen Behörden fest.
"Willkürliches Vorgehen" Russlands
Mit seinem "willkürlichen" Vorgehen gegen in Russland lebende Georgier habe Moskau unter anderem gegen das Verbot von kollektiven Ausweisungen ohne Einzelfallprüfung sowie gegen die Grundrechte auf Freiheit und einen fairen Prozess verstoßen, heißt es in dem Urteil. In diesem gibt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) Georgien Recht, das die Staatenklage gegen Moskau eingereicht hatte - gegen die Stimme des russischen Richters.
Die untersuchten Vorfälle ereigneten sich von Ende September 2006 bis Ende Januar 2007 - knapp zwei Jahre vor dem bewaffneten Konflikt mit Russland um die abtrünnigen georgischen Regionen Südossetien und Abchasien. Damals hatte Russland mehr als 4600 auf russischem Staatgebiet lebende Georgier festgenommen und ausgewiesen.
Auch der Europarat erhob Vorwürfe
Die Richter sahen es als erwiesen an, dass die Festgenommenen bis zu zwei Wochen in Abschiebehaft sitzen mussten, wo sie in verdreckten und überfüllten Zellen eingepfercht waren und weder ausreichend Nahrung noch ausreichend Wasser bekamen.
Auch der Europarat und Menschenrechtsorganisation hatten Moskau zur Zeit der Abschiebungen vorgeworfen, Georgier systematisch zu schikanieren und willkürlich festzunehmen. In einem Bericht des Europarats ist sogar von vier Georgiern die Rede, die während der Abschiebehaft gestorben sein sollen.
Angeblicher Kampf gegen "Illegale"
Russland machte in dem Verfahren geltend, die Abschiebungen seien im Zuge des Kampfes gegen illegale Einwanderung erfolgt. Die russischen Behörden weigerten sich aber, dem Gerichtshof die entsprechenden Akten vorzulegen, weil diese als "geheim" eingestuft seien. Damit verstieß Russland nach Ansicht der Richter außerdem gegen die Verpflichtung, dem Straßburger Gericht alle notwendigen Unterlagen zur Verfügung zu stellen.
Der Gerichtshof gab beiden Parteien ein Jahr Zeit, um eine gütliche Einigung über die Entschädigung der Betroffenen zu finden. Gelingt dies nicht, können die Richter die Höhe des Schmerzensgeldes festsetzen.
Weitere Klage Georgiens
Beim Straßburger Gericht ist noch eine zweite Staatenklage Georgiens gegen Russland anhängig. Darin wirft die georgische Regierung in Tiflis Russland schwere Übergriffe auf Zivilisten vor, die sich im Krieg um die abtrünnige Provinz Südossetien im Sommer 2008 ereignet haben sollen. Wann der Gerichtshof darüber entscheidet, ist noch nicht bekannt.
cw/gmf (dpa, afp, epd, kna)