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Germany divided - Deutsche Kunst in Großbritannien

Ellen Otzen / Birgit Görtz6. Februar 2014

Bislang war die deutsche Malerei nach dem Zweiten Weltkrieg für die Briten ein weißer Fleck. Nun soll sich das ändern. Von Baselitz bis Polke: Das British Museum zeigt erstmals Bilder sechs zeitgenössischer Künstler.

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Sigmar Polke: Ohne Titel, 1969 (Rechte: © Polke/DACS)2013
Sigmar Polkes Werk ohne Titel von 1969 ist auch ausgestelltBild: Polke/DACS 2013

Eines Tages im Jahr 1968 fasste der damals 29-jährige Maler und Dissident Ralf Winkler den Entschluss, seinen Namen zu ändern. Ihn packte die Angst vor Repressalien der DDR-Führung wegen seiner regimekritischen Ansichten und seines Einsatzes für andere Dissidenten. Aus Ralf Winkler wurde A. R. Penck, nach dem bekannten Geologen des 19. Jahrhunderts Albrecht Penck, der über die Eiszeit forschte.

Die Wahl des Pseudonyms ist bezeichnend, denn Winkler empfand seine Zeit als Eiszeit. Es herrschte der Kalte Krieg zwischen Ost und West. Auch die künstlerischen Kontakte waren eingefroren. Von Malern wie Winkler alias Penck wurde erwartet, dass ihre Kunst den Vorgaben des sogenannten Sozialistischen Realismus' entsprachen.

Selbstporträt von A. R. Penck 1975 (Rechte: © A.R. Penck/DACS 2013)
Selbstporträt von A. R. Penck von 1975Bild: A.R. Penck/DACS 2013

Ein kritischer Blick auf die deutsche Geschichte

In der Kunstszene der 1960er und 1970er Jahre passierte aber etwas Neues, etwas Außergewöhnliches. Zum ersten Mal nach 1945 nahmen Künstler der Nachkriegsgeneration die jüngste und bewegte Vergangenheit Deutschlands genau und kritisch in den Blick.

In der Ausstellung "Germany divided. Baselitz und seine Generation" im British Museum in London sind nun bisher unbekannte Arbeiten von sechs großen deutschen Künstlern aus den 1960er und 1970er Jahren zu sehen. Sie eröffnete am 6. Februar 2014. Die Werke illustrieren unter anderem, warum Penck so frustriert war, was es bedeutete, in dem damals geteilten Deutschland zu leben.

Neben Werken von Penck sind Zeichnungen, Aquarelle und Holzschnitte von Georg Baselitz, Gerhard Richter, Sigmar Polke, Blinky Palermo und Markus Lüpertz zu bewundern. Die insgesamt 94 Werke stammen aus dem Besitz des Grafen Christian Dürckheim, einem öffentlichkeitsscheuen Industriellen aus Köln. 34 dieser Werke hat Dürckheim dem British Museum vor kurzem geschenkt.

Sigmar Polke: Ohne Titel, 1969 (Rechte: Polke/DACS 2013)
Sigmar Polke: Ohne Titel, 1969Bild: Polke/DACS 2013

Der Geschäftsmann hatte den richtigen Riecher, sich Werke von Baselitz und seinen Zeitgenossen zu einem günstigen Preis zu sichern, bevor sie berühmt und teuer wurden. Seit Mitte der 1970er Jahre verbindet ihn eine Freundschaft mit Georg Baselitz.

Künstler malen gegen die Vergangenheit an

Den sechs gezeigten Künstlern ist gemeinsam, dass sie alle in der ehemaligen DDR geboren wurden und lange vor dem Mauerfall nach Westdeutschland emigriert waren, die meisten von ihnen sogar vor dem Mauerbau 1961. Penck emigrierte erst 1980 – zu Fuss. Lange Jahre hatte er unter den Schikanen der DDR-Behörden zu leiden, ehe er die Erlaubnis zur Ausreise in die Bundesrepublik Deutschland erhielt.

Der Kunstkritiker John-Paul Steinard Stonard hat sich eingehend mit den Werken auseinandergesetzt und den Katalog der Ausstellung verfasst. Er weist darauf hin, dass sich alle gezeigten Künstler auf ihre ganz eigene Weise mit der deutschen Geschichte auseinandersetzen. "Vor dem Zweiten Weltkrieg war es viel wichtiger, ein internationaler Künstler, Teil einer größeren Künstlervereinigung wie der Bauhaus-Bewegung zu sein. Für die deutsche Nachkriegsgeneration im Jahre 1960 war es das allerwichtigste, nicht deutsch zu sein."

Gleichzeitig wollte etwa Georg Baselitz, der zusammen mit Gerhard Richter der international bekannteste der sechs Künstler ist, an die von der NS-Zeit unbelasteten Strömungen anknüpfen. "Baselitz wollte provokative Kunst der Avantgarde inmitten der angespannten Nachkriegssituation schaffen. Das war sein Weg, nicht-deutsch zu sein." Dazu greift er zurück auf traditionelle Techniken wie Holzschnitte. "Seine Drucke zeigen Waldarbeiter, Jäger, Hirten - ikonenhafte Figuren der deutschen Geschichte", sagt Stonard.

Ausstellung deutsche Georg Baselitz: " Ein neuer Typ", 1965 (Rechte: Georg Baselitz)
Georg Baselitz: "Ein neuer Typ", 1965Bild: Georg Baselitz

Zu sehen ist auch eine Serie außergewöhnlicher Drucke aus der Reihe "Helden" von Georg Baselitz. Die Bilder zeigen das Motiv eines besiegten Soldaten inmitten einer verwüsteten Nachkriegslandschaft, die Füße mitunter in Tierfallen verstrickt. Die Darstellungen der "Helden" sind so etwas wie der rote Faden, auf den er in seinen späteren Werken immer wieder zurückkommt.

Deutsche Nachkriegs-Kunst in Großbritannien kaum bekannt

Heute genießen die Werke von Baselitz und Richter längst Weltruf und haben die internationale Kunstszene in hohem Maße beeinflusst. Doch das britische Publikum nahm von der Kunst Nachkriegsdeutschlands kaum Notiz. Wie kommt es, dass die sechs Künstler in Großbritannien weitgehend ignoriert wurden, während sie weltweit Erfolge feierten?

Die mangelnde Wahrnehmung deutscher Malerei in Großbritannien hat Tradition, findet Kunstexperte Stonard. "Sie geht zurück auf die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts, als die Briten ganz versessen auf Cezanne und die französische Kunst waren. Deutsche Kunst galt als Qual, hässlich, zu gefühlvoll, zu intellektuell." Außerdem hätten die Briten in zwei Weltkriegen gegen Deutschland gekämpft und seien in mehreren Fußball-Weltmeisterschaften unterlegen gewesen. "Daher gibt es einfach eine Art gewachsenen, kulturellen Widerstand gegen Deutschland", meint Stonard.

Georg Baselitz: "Ohne Titel", 1965 (Rechte: Georg Baselitz)
Georg Baselitz: Ohne Titel, 1965Bild: Georg Baselitz

Doch wie es aussieht, ändern sich diese Einstellung gerade in Großbritannien. 2014 jähren sich der Beginn des Ersten Weltkrieges zum 100. Mal und der Fall der Berliner Mauer zum 25. Mal. Es gibt zwar kein offizielles Festival deutscher Kunst, aber in diesem Jahr gibt es einiges davon in London zu sehen. So zweigt die Whitechapel Gallery eine Retrospektive der Berliner Dadaistin Hannah Höch. Zudem sind mehrere Baselitz-Ausstellungen in Planung.