Gewalt schreckt Afghanen nicht ab
13. Juni 2019Ungeachtet der US-Bemühungen, mit den radikalislamischen Taliban eine politische Lösung zu finden, hält die Gewalt im kriegszerrissenen Afghanistan an. Bei einem Selbstmordanschlag und Gefechten in mehreren Provinzen wurden nach offiziellen Angaben binnen 48 Stunden mindestens 35 Menschen getötet.
In der östlichen Provinzhauptstadt Dschalalabad sprengte sich ein Selbstmordattentäter bei einem Polizeiauto in die Luft. Dabei starben laut den Behörden vier Sicherheitskräfte und fünf Zivilisten, darunter ein Kind. Zwölf Menschen wurden verletzt. Diese Tat reklamierte die Terrororganisation "Islamischer Staat" (IS) inzwischen für sich.
Bei Gefechten mit Taliban-Kämpfern in der nördlichen Provinz Tachar wurden vier Soldaten getötet und mehrere verwundet, wie Provinzrat Salahuddin Burhani mitteilte. Die Kontrolle des Bezirkszentrums von Chwatscha Ghar wechselt seit mehreren Tagen zwischen Taliban und Regierungstruppen hin und her.
Im südlichen Sabul wurden bei einem Taliban-Angriff auf einen Kontrollpunkt mindestens acht Polizisten getötet und sieben verletzt. Im westlichen Herat töteten Taliban-Aktivisten einen Polizisten und zwei Zivilisten sowie im Bezirk Ghorian den Sohn eines mächtigen Stammesältesten und dessen zwei Freunde.
In der Provinz Nangarhar sind die Taliban und der IS aktiv. Dort wurde der mittlerweile achte Kleriker innerhalb von drei Monaten getötet.
Bei einem fehlgeleiteten Luftangriff der US-Streitkräfte kamen im nördlichen Kundus sechs afghanische Soldaten ums Leben, acht weitere wurden verwundet.
205.000 Afghanen wieder in ihrer Heimat
Ungeachtet der Gewalt kehren seit Jahresanfang verstärkt zehntausende nach Pakistan und in den Iran geflüchtete Afghanen in ihre Heimat zurück. Allein aus dem benachbarten Iran kamen 195.000 Menschen, wie die Internationale Organisation für Migration (IOM) mitteilte. Insgesamt trafen mehr als 205.000 Afghanen ein. Sie waren nicht beim UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR registriert und verfügten zumeist nicht über eine gültige Aufenthaltserlaubnis.
Der Iran steckt wegen der US-Sanktionen in einer schweren Wirtschaftskrise. Die oftmals illegal beschäftigten Afghanen finden dort kaum noch Arbeit. Allerdings leidet auch Afghanistan unter hoher Erwerbslosigkeit.
Innenminister diskutieren über Abschiebung
In Deutschland hält die Diskussion über eine verstärkte Abschiebung von Afghanen an. Auf der Innenministerkonferenz in Kiel konnten sich die Ressortchefs aus Bund und Ländern nicht auf eine Linie einigen. Mehrere unionsgeführte Länder und Baden-Württemberg pochen darauf, neben Gefährdern und Schwerverbrechern generell vermehrt afghanische Flüchtlinge abzuschieben, eine Reihe von SPD-regierten Ländern lehnt dies strikt ab.
Nach Schätzungen der UN-Agentur zur Koordinierung humanitärer Hilfe (OCHA) flohen in Afghanistan seit Jahresbeginn mehr als 127.000 Menschen vor Kämpfen und Gewalt aus ihren Dörfern und Städten.
se/jj (dpa, rtr, afp)