Ukraine-Gespräche werden fortgesetzt
17. Oktober 2014Die Bundeskanzlerin wartet nicht gern, heißt es aus der Delegation von Angela Merkel. Entsprechend verstimmt wird sie gewesen sein, als der russische Präsident Wladimir Putin am Donnerstagabend ein Treffen mit ihr zunächst platzen ließ. Putin kam mit Verspätung aus Serbien angereist und betrat den Saal zum Staatsdinner des ASEM-Gipfels erst während der Grußworte von Italiens Staatspräsident Giorgio Napolitano.
Nach dem förmlichen Abendessen der Staats- und Regierungschefs aus Asien und Europa war Putin dann noch zu einem Treffen mit der Kanzlerin bereit. Um 23.15 Uhr kamen sie zusammen. Fast zwei Stunden lang stritten die beiden dann über eine Lösung für die Krise in der Ukraine. Merkel pochte darauf, dass Putin sich an die Vereinbarungen von Minsk halten müsse. Dort hatten Putin und der ukrainische Präsident Petro Poroschenko Ende August einen Plan zur Befriedung der Ost-Ukraine gefasst. Der Waffenstillstand zwischen pro-russischen Rebellen und ukrainischen Regierungstruppen ist aber brüchig.
Merkel verlangte, dass die Kommunalwahlen in den umkämpften Regionen Luhansk und Donezk nach ukrainischem Recht abgehalten werden müssten. Das sei eine Art Prüfstein dafür, ob Wladimir Putin die territoriale Integrität der Ukraine achte. Wladimir Putin blieb bei diesem Punkt offenbar vage. Er wiederholte seine Vorwürfe, die von der EU verhängten Sanktionen gegen Russland seien "feindlich" und eine Art Erpressung. Großartige Fortschritte habe es bei dem nächtlichen Gespräch nicht gegeben, hieß es.
Putin feiert mit Berlusconi
Putin brach dann zu einem Treffen mit einem alten Freund auf. Er traf den ehemaligen italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi in dessen Villa nahe Mailand. Berlusconi, der unter einer Art Hausarrest steht, durfte nachts nicht in die Stadt fahren, um Putin zu treffen. So lud er kurz entschlossen zu einer Party in sein Heim ein. Italienische Medien berichten, Putin habe die Feier nicht vor drei Uhr morgens verlassen.
Zum Frühstück am Freitag wurden die Ukraine-Vermittlungen in größerer Runde fortgesetzt. Der italienische Ministerpräsident hatte als Gastgeber des Asien-Europa-Gipfels schon um acht Uhr zu Gesprächen eingeladen, an denen auch der ukrainische Präsident Petro Poroschenko und Wladimir Putin teilnahmen. Putin traf auch hier nach kurzer Nacht mit Verspätung ein. Renzi ermahnte seine Duz-Freunde Petro und Wladimir, mehr für die Umsetzung des Friedensabkommens von Minsk zu tun. "Wir starten nicht von Null, da die Parteien ja bereits klare Verpflichtungen eingegangen sind. In Minsk ist bereits eine wichtige Übereinkunft getroffen worden. Es gibt einen Dialog zwischen Wladimir und Petro. Das ist sehr wichtig, aber nicht ausreichend", sagte Renzi zu Beginn der Frühstückrunde. Putin blickte bei der kurzen Einlassung Renzis konzentriert auf die Tischplatte und beschäftigte sich mit den Kopfhörern für die Simultanübersetzung. Die übrigen Gesprächsteilnehmer machten sehr ernste Mienen.
Wenig Fortschritte beim Mini-Gipfel
Um den runden Tisch in einem üppig in Gold und Türkis dekorierten Palazzo in Mailand saßen auch Bundeskanzlerin Merkel, der französische Staatspräsident Francois Hollande, Großbritanniens Premier David Cameron, die italienische Außenministerin Federica Mogherini, EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy und der EU-Kommissionspräsident José Barroso. Die Runde besprach die gleichen Themen wie Merkel und Putin in der Nacht zuvor. Die EU-Vertreter sprachen Putin auch auf seine Drohung an, im Winter die Gaslieferungen nach Europa eventuell einzuschränken, falls die Ukraine sich aus den Transitleitungen bedienen sollte. Die EU hatte gestern eine Studie vorgelegt, wonach die EU auch völlig ohne russische Gasimporte über die Runden kommen könnte, allerdings zu erheblich höheren Preisen. Die Verhandlungen im Gaskonflikt zwischen der Ukraine und Russland sollen kommenden Dienstag in Brüssel fortgesetzt werden.
Ein Sprecher des russischen Präsidenten bezeichnete die Gespräche beim Frühstückgipfel als "schwierig". Auf europäischer Seite war man etwas optimistischer. Der italienische Ministerpräsident Matteo Renzi gab sich allerdings zuversichtlich, dass es Bewegung geben könnte. "Ich bitte jeden, mehr zu tun. Wir sollten zeigen, dass die Feinde des Friedens falsch liegen." Der britische Premier David Cameron sagte, es sei ein postives Treffen gewesen. "Wladimir Putin hat bestätigt, dass er keine gespaltene Ukraine und keinen 'gefrorenen', also unlösbaren Dauerkonflikt will", so Cameron. Immerhin haben die Frühstücksteilnehmer vereinbart, sich am Nachmittag nach Abschluss des eigentlichen ASEM-Gipfels noch einmal in Mailand zu treffen. Das bestätigte inzwischen ein deutscher Regierungssprecher. Der Dialog müsse fortgesetzt werden. Dass das so schnell geschieht, könnte ein Zeichen für Hoffnung sein, so Diplomaten in Mailand. Den von Wladimir Putin angekündigten Abzug russischer Truppen von der ukrainischen Grenze, die dort Mänöver abhielten, konnte die NATO noch nicht bestätigen. Ein Sprecher erklärte gestern in Brüssel, die NATO würde den Truppenabzug begrüßen, bis jetzt habe man aber noch keine Anzeichen dafür gesehen.