Globaler Verkehr torpediert Klimaziele
2. Februar 2017Das von der Weltgemeinschaft beschlossene Klimaziel, die Erderwärmung deutlich unter zwei Grad zu halten - möglichst unter 1,5 Grad - wird durch den Verkehr torpediert. Nach einer Studie des International Transport Forum (ITF) gibt es weltweit einen stark ansteigenden Mobilitätsbedarf, damit verbunden sind sehr hohe CO2- Emissionen. Derzeit liegt der Anteil des Verkehrs an den globalen Treibhausgasen bei 14 Prozent.
Das bei der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) angesiedelte Weltverkehrsforum (ITF) hat nun in verschiedenen Szenarien die Entwicklung des globalen Verkehrs und die damit verbundenen CO2-Emissionen bis 2050 durchgerechnet.
In dem Trendszenario würden die CO2-Emissionen bis 2050 im Vergleich zu 2015 um etwa 70 Prozent steigen. In dem etwas optimistischen Szenario berücksichtigen die Wissenschaftler eine ambitioniertere Politik mit einer stärkeren Förderung des öffentlichen Verkehrs sowie Verhaltensänderungen der Bürger. Dennoch würde auch in diesem Szenario bis zum Jahr 2050 keine nennenswerte Reduzierung des CO2-Ausstoßes im Vergleich zu heute gelingen. Der erforderliche Ausstieg aus den fossilen Energien bis zur Mitte des Jahrhunderts, der zur Umsetzung des Pariser Klimaabkommen nötig ist, würde auch in diesem Szenario klar verfehlt.
"Wir müssen sowohl das Innovationstempo beschleunigen als auch drastische politische Weichenstellungen vornehmen, um den Verkehr vom CO2 zu entwöhnen", erklärte ITF-Generalsekretär José Viegas bei der Vorstellung des Berichts in Paris. Der technologische Fortschritt könne bis 2050 den größten Teil der möglichen CO2-Reduktion liefern. Eine weitere Reduktion verlange eine neue Herangehensweisen an die Mobilität - hier gäbe es noch viel Spielraum.
Straßen- und Flugverkehr sind Hauptproblem
Ein großes Problem sind die CO2-Emissionen aus dem Straßenverkehr. Im Trendszenario führt der zunehmende Warenaustausch in Regionen mit wenig entwickelten Eisenbahnnetzen und Schifffahrtswegen bis 2050 zu einer verstärken Nutzung des Straßentransports und damit zu einem CO2-Anstieg um 80 Prozent.
Besonders stark wird voraussichtlich vor allem der Frachtverkehr auf innerasiatischen Routen zunehmen. Dort wächst bis 2050 nach ITF-Angaben der Frachtverkehr um 250 Prozent.
Problematisch fürs Klima ist auch die zunehmende PKW-Nutzung. Bis 2050 wird sich diese voraussichtlich verdoppeln, vor allem durch eine veränderte Mobilität in den Schwellenländern.
Laut ITF können Städte die Zahl der Autos aber auch auf dem Niveau von 2015 halten. Mit entsprechender Verkehrsplanung, Investitionen in den Nahverkehr und Anreizen könne das Mobilitätsverhalten gesteuert werden.
Zugleich ließe sich durch weniger Verkehr die Lebensqualität in den Städten verbessern, die Luft würde sauberer und der Lärm reduziert. "Mit dem richtigen Maßnahmen-Mix werden sogar schnellwachsende Städte in der Lage sein, ihren Bewohnern dasselbe Mobiltitätsniveau wie heute zu bieten, aber in einer weitaus nachhaltigeren Art und Weise", so Studienautor Jari Kauppila.
Ein großes Problem ist auch der Flugverkehr: Dieser wächst unter allen Verkehrsträgern am schnellsten und wird sich nach ITF-Angaben (Trendszenario) bis 2050 vervierfachen. Zwar werden die Flugzeuge sparsamer aber die CO2-Emissionen würden sich bis 2050 trotzdem fast verdoppeln. Hinzu kommt die besonders negative Klimawirkung des CO2-Ausstoßes in höheren Bereichen der Atmosphäre: Im Vergleich zum CO2-Ausstoß am Boden ist der Treibhauseffekt dort etwa drei Mal so hoch.
Verkehrswende erforderlich
Klimawissenschaftler schlagen Alarm und mahnen zur Eile: Im Vergleich zur vorindustriellen Zeit (etwa 1850) hat sich die Erdtemperatur bereits um 1,2 Grad erhöht, die Konzentration von CO2 in der Erdatmosphäre hat einen Rekordwert erreicht. Schnellstmöglich müsse deshalb der CO2-Ausstoß gebremst werden. Um das Zwei-Grad-Ziel noch zu erreichen, dürfte der CO2-Ausstoß pro Erdbewohner im Durchschnitt nicht mehr über einer Tonne pro Jahr liegen.
Nach Angaben von ITF liegen die verkehrsbedingten Emissionen in den OECD-Ländern derzeit bei etwa drei Tonnen CO2 pro Person und Jahr. Zu den OECD-Ländern gehören Australien, Japan, Korea, Türkei, Israel, Mexiko, Chile, USA und die Länder in Europa. Außerhalb der OECD-Länder liegt der verkehrsbedingte CO2-Ausstoß im Durchschnitt bei einer halben Tonne pro Person und Jahr und würde sich nach ITF-Prognosen bis 2050 fast verdoppeln.
Das Weltverkehrsforum empfiehlt, alle Richtungshebel zu nutzen, damit der Verkehr nachhaltig wird. Zu den Maßnahmen gehören die Vermeidung von unnötigen Transporten, Treibstoffsteuern, der Ausbau des öffentlichen Verkehrs und die gemeinsame Nutzung von Fahrzeugen, der sogenannten Shared Mobility, wie zum Beispiel Carsharing.
"Die Politik muss jetzt handeln, um einen nachhaltigen Verkehr zu entwickeln, eine Strategie mit langfristiger Vision", so José Viegas. Wichtig sei der langfristige Blick und eine solide Politik, um Fehlentscheidung zu vermeiden.
Kritisch sehen die Autoren den derzeitigen Trend der Fahrzeugautomatisierung und warnen vor möglichen Folgen. So könnte durch autonome LKW der Gütertransport auf der Straße günstiger werden und so zunehmend von der Schiene auf die Straße verlagert werden. Dies führe zusätzlich zu mehr Luftverschmutzung, CO2-Emissionen und Staus.
Verkehrsexperte Daniel Moser von Greenpeace sieht die Entwicklung des weltweiten Verkehrs ebenfalls mit "großer Sorge". Dass ein klimafreundlicher Straßen- und Schienenverkehr ohne Öl bis 2050 weltweit möglich ist, zeigte Greenpeace bereits im Energie-(R)evolution-Szenario.
"Das große Problem ist allerdings, dass die Politik kaum handelt", meint Moser. "Eine leichte Trendwende sehe ich allerdings in den Städten. In New York, London, Paris und auch Berlin sprechen sich immer mehr Menschen für mehr öffentlichen Verkehr und Fahrradverkehr aus." Dies seien Hoffnungskeime.
Zum Schutz der Bürger geht die chinesische Politik inzwischen hier ein gutes Stück voran: Zum einen wird die Zulassung von Autos stark begrenzt, außerdem soll es ab 2018 eine Mindestquote von Elektrofahrzeugen geben.