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Gold im Wimpernschlag-Finale

28. Februar 2010

Ein Wettkampf, der an Dramatik kaum zu überbieten war: nach einem Sturz im Halbfinale, einem scheinbar aussichtslosen Rückstand im Finale holten die deutschen Eisschnellläuferinnen spektakulär Gold.

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Anni Friesinger-Postma, Katrin Mattscherodt, Stephanie Beckert und Daniela Anschütz-Thoms mit Goldmedaillen (Foto: AP)
Vier gewinnt: Die "Golden-Girls" von der EisbahnBild: AP

Was für ein Finale: Abgeschlagen, ja schon aussichtslos lag das deutsche Team im Eisschnelllauf-Mannschaftsrennen zwei Runden vor Schluss mit knapp zwei Sekunden Rückstand hinter den Japanerinnen. Doch dann drehte das deutsche Trio Stephanie Beckert, Daniela Anschütz-Thoms und Katrin Mattscherodt mächtig auf und fuhr einen fantastischen Schlussspurt. Erst auf den letzten Metern schoben sie sich an der japanischen Mannschaft mit der Winzigkeit von zwei Hundertsteln vorbei zur Goldmedaille. Fast synchron rissen die drei ihre Arme in die Höhe und ließen sich vom stehenden Publikum im Richmond Olympic Oval feiern.

Mit Bauchlandung ins Finale

Anni Friesinger-Postma stürzt ins Ziel (Foto: AP)
Bauchplatscher ins Finale: Anni Friesinger-Postma gibt im Team-Rennen allesBild: AP

Der Endlauf fand ohne Anni Friesinger-Postma statt, die der Bundestrainer Markus Eicher nicht ganz zufällig im Finale nicht mehr aufstellte. "Mit Anni wäre das ein gewagtes Ding", hatte Eicher vor dem Wettkampf gesagt und damit Unruhe im Team entfacht. Er sollte Recht behalten: Denn Friesinger hatte bereits im Halbfinale gegen die USA für spektakuläre Szenen gesorgt. Das deutsche Trio Stephanie Beckert, Anni Friesinger-Postma und Daniela Anschütz-Thoms lag in Führung, als Friesinger-Postma in der letzten Runde strauchelte, den Kontakt zu ihren Teamkolleginnen verlor und sichtlich mit dem Gleichgewicht kämpfte. Auf den letzten 20 Metern fiel die Olympiasiegerin schließlich entkräftet aufs Eis, rutschte als Dritte bäuchlings über die Ziellinie und riss geistesgegenwärtig im letzten Moment noch den Schlittschuh nach vorne, der bei der Zeitmessung im Eisschnelllauf zählt. Zunächst dachte die 16-malige Weltmeisterin, sie hätte das Team aus dem Rennen geworfen und hämmerte frustriert mit der Faust aufs Eis. Als sie kurz darauf realisierte, dass es mit zwei Zehntelsekunden Vorsprung trotzdem fürs Finale gereicht hatte, vergoss sie Freudentränen. Denn auch die US-Amerikanerinnen hatten auf der letzten Runde die Kräfte verlassen.

Friesinger-Postma und Anschütz-Thoms schafften somit die Wiederholung ihres Team-Olympiasieges von Turin, wo sie vor vier Jahren mit Claudia Pechstein triumphiert hatten. Den beiden Golden Girls gelang damit nach enttäuschend verlaufenen Einzelstarts doch noch ein glorreiches Ende ihrer olympischen Karrieren. Bronze ging an Polen, die sich im kleinen Finale knapp gegen die US-Amerikanerinnen durchsetzten.

Im Rennen der Männer gewann das Team Kanadas vor den Mannschaften aus den USA und den Niederlanden.

Lange mit Aufholjagd zu Silber

Es war eine Demonstration zum Abschied: André Lange fuhr einen perfekten vierten Lauf und verabschiedete sich in den Sportler-Ruhestand. Im Viererbob reichte es für den sympathischen Bobpiloten zwar diesmal "nur" für Silber, aber es war erneut eine Ausnahme-Leistung des Deutschen. Dank der letzten Fahrt schob sich Lange noch um den Hauch einer Hundertstelsekunde an dem Kanadier Lyndon Rush vorbei.

Der deutsche Bob von André Lange (Foto: AP)
André Lange in seinem letzten RennenBild: AP

Zu Gold reichte es nach seinem Sieg im Zweierbob nicht mehr, denn der US-Amerikaner Steven Holcomb fuhr in allen vier Läufen traumhaft sicher und dazu noch richtig schnell. Während sich Lange im zweiten Lauf in der gefürchteten "50:50"-Kurve einen Patzer leistete, fuhr Holcomb souverän und verdankte seinen Erfolg wohl auch seinem Sportgerät. Der US-Schlitten wurde von Entwicklern der US-Rennwagen-Serie Nascar entworfen und fuhr zeitweise in einer anderen Bobliga.

Wer gedachte hatte, dass ein so erfolgsverwöhnter Pilot wie André Lange mit Silber unzufrieden ist, sah sich getäuscht: Im Ziel hüpften die vier Hünen André Lange, Alexander Rödiger, Kevin Kuske und Martin Putze vor Freude wie kleine Kinder auf und ab. Ebenfalls Grund zur Freude hatten Thomas Florschütz, der mit seinem Bob Vierter wurde, und Karl Angerer, der auf den siebten Platz kam. Sie werden das Erbe Langes antreten, eines der erfolgreichsten deutschen Wintersportler überhaupt.

Sachenbacher stark und doch nur Vierte

Kowalczyk (r.) siegt vor Björgen (Foto: AP)
Kowalczyk siegt vor BjörgenBild: AP

Dauerregen, Nebel und eine tiefe Loipe: Die Bedingungen für die letzte Langlauf-Entscheidung der Damen über die 30 Kilometer waren alles andere als gut. Und so war es auch nicht verwunderlich, dass sich die Läuferinnen zunächst ein taktisches Rennen lieferten. Erst gegen Ende kristallisierte sich jenes Duell heraus, das die Fachwelt ohnehin ewartet hatte: zwischen der Norwegerin Marit Björgen und der Polin Justyna Kowalczyk.

Am letzten Anstieg setzte sich die Polin leicht ab und Björgen hatte eingangs des Stadions schon einen Rückstand von zehn Metern, holte dann aber bis zur Zielgerade wieder auf, ehe Kowalczyk sich in einem packenden Sprint doch noch durchsetzte. Dahinter holte die ebenfalls hoch gehandelte Finnin Aino-Kaisa Saarinen Silber, gefolgt von Evi Sachenbacher-Stehle, der zum Abschluss ein starker, aber letztlich unglücklicher vierter Platz gelang.

Behle zufrieden mit Sachenbacher-Stehle

"Evi ist hervorragend gelaufen und hat eine Superleistung gebracht. Es war ganz stark, immer mitzugehen und die Lücken zu schließen. Es gibt nichts auszusetzen", sagte Bundestrainer Jochen Behle. Sachenbachers Teamkollegin Claudia Nystad, die mit ihr gemeinsam im Team-Sprint Gold sowie in der 4 x 5-km-Staffel Silber gewonnen hatte, verzichtete angesichts der schwierigen Bedingungen auf einen Start.

Neureuther im Slalom ausgeschieden

Felix Neureuther (Foto: AP)
Zerknirscht: Felix NeureutherBild: Picture alliance/dpa

Was Maria Riesch bei den Damen gelang, missglückte Felix Neureuther gründlich: Nach nur 27 Sekunden im 1. Lauf schied der 25-Jährige aus und musste alle Medaillenträume begraben. Nach gut der Hälfte der Strecke stürzte Neureuther, der zum Zeitpunkt seines Ausfalls nur zwei Zehntel Sekunden hinter dem Führenden zurück lag. "Die Kurssetzung war natürlich nicht einfach", haderte Neureuther nach dem Rennen, der dies jedoch nicht als Entschuldigung gelten lassen wollte. "Bei olympischen Spielen riskiert jeder alles, das muss man einfach. Daher scheiden auch viele aus." Dies scheint besonders auf ihn selbst zuzutreffen, denn Neureuther schied in seinem insgesamt vierten olympischen Rennen schon zum dritten Mal vorzeitig aus. Bei Olympia 2006 in Turin war er beim Slalom im zweiten und beim Riesenslalom im ersten Lauf gescheitert. Nur im Riesenslalom von Vancouver kam Neureuther als Achter ins Ziel.

Frenetischer Jubel dagegen im Lager der italienischen Skifahrer: Erstmals seit der Slalom-Legende Alberto Tomba feierten die Tifosi wieder Gold für einen Skirennfahrer aus Italien. Giuliano Razzoli wurde im Whistler Olympic Parc Olympiasieger im Slalom. Nach zwei Läufen rettete der Italiener 13 Hundertstelsekunden Vorsprung vor dem Kombinations-Zweiten Ivica Kostelic aus Kroatien ins Ziel. Bronze holte sich der Schwede Andre Myhrer.

Kanada steht als Sieger der Nationenwertung fest

Der Kanadier Marc Kennedy schaut dem Curlingstein hinterher, den er gerade angestoßen hat. Foto: AP
Kanadas Curler holen GoldBild: AP

In den übrigen beiden Entscheidungen des vorletzten Wettkampftags bejubelte Gastgeber Kanada jeweils Gold. Die Curler um Skip Kevin Martin setzten sich im Finale gegen Norwegen mit 6:3 durch. Bronze ging an die Mannschaft der Schweiz, die gegen Schweden 5:4 gewann.

Beim Parallel-Riesenslalom der Snowboarder am Cypress Mountain triumphierte der Kanadier Jasey Jay Anderson. Silber gewann der Österreicher Benjamin Karl, Bronze der Franzose Mathieu Bozetto. Der Deutsche Patrick Bussler scheiterte im Achtelfinale und belegte den 16. Platz.

Bronze im Eishockey ging an Finnland. Die Skandinavier setzten sich im "kleinen Finale" gegen die Slowakei mit 5:3 durch. Das Finale bestreiten an diesem Sonntag (28.02.2010) Kanada und die USA.

Vor den beiden letzten Entscheidungen steht Kanada bereits als Sieger der Nationenwertung fest. Die Olympia-Gastgeber sammelten bisher 13 Gold-, sieben Silber- und fünf Bronzemedaillen. Auf Rang zwei liegt Deutschland (10/12/7) vor den USA (9/14/13).

Neuner trägt Fahne

Biathletin Magdalena Neuner wird bei der Abschlussfeier der Spiele von Vancouver die deutsche Fahne tragen. "Ich freue mich riesig. Es ist eine große Ehre, aus so vielen tollen deutschen Wintersportlern ausgewählt zu werden", sagte die 23-Jährige. Mit zweimal Gold und einmal Silber ist Neuner die erfolgreichste deutsche Teilnehmerin der Winterspiele.

Autor: Joscha Weber

Redaktion: Calle Kops