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Goodbye Osama?

13. März 2011

Seit dem Ausbruch der Unruhen in der arabischen Welt hält sich das Terrornetzwerk Al-Kaida merkwürdig bedeckt. Drängen die möglichen Demokratisierungen der arabischen Regime Al-Kaida jetzt in die Bedeutungslosigkeit?

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Osama bin Laden (Foto: AP)
Von ihm ist seit Ausbruch der arabischen Revolutionen nichts zu hören: Osama bin LadenBild: AP
Demonstration in Kairo (Foto: AP)
Bei den Protesten in Nordafrika spielte Al Kaida keine RolleBild: picture alliance/dpa

"Al-Kaida tappt im Dunkeln" – "Die arabischen Volksaufstände enttäuschen Al-Kaida" – "Al-Kaida schaut zu, wie die Geschichte an ihr vorbeifliegt". Mit diesen und ähnlichen Titeln analysierte die internationale Presse in den letzten Wochen die aktuelle Lage des Terrornetzwerks. In einem Punkt sind sich die Blätter einig: Al-Kaida hat bei diesen Revolutionen keine bedeutende Rolle gespielt. Die Ereignisse der letzen Monate zeigten die unüberbrückbare Kluft zwischen dem, was Al-Kaida propagiert, und dem, was die Menschen in den Demonstrationen forderten.

"Das ist eine Kluft, die schon immer da war", sagt der Hamburger Islamwissenschaftler Albrecht Metzger, "aber wegen der teilweise geglückten Anschläge in arabischen Ländern oder auch im Westen glaubten wir, die Organisation Al-Kaida sei stärker als sie wirklich ist". Die jüngsten Entwicklungen zeigen aber, so Metzger weiter, dass Al-Kaida in der arabischen Welt eine Minderheit sei, und dass ihre Ideologie vom heiligen Krieg die Massen nicht überzeugen könne.

Al-Kaida als großer Verlierer

Junge Ägypterin (Foto:dpa)
Die arabische Jugend dürstet nach Freiheit und SelbstbestimmungBild: picture alliance/dpa

Dass neben den Diktatoren Al-Kaida als der große Verlierer der historischen Umwälzungen in der arabischen Welt hervorgehen wird - davon ist auch Mohammad Abu Rumman überzeugt. Er ist Forscher und Nahost-Experte am Zentrum für Strategische Studien an der Jordanischen Universität in Amman. Al-Kaida, sagt Abu Rumman, war nie ein Sprachrohr der arabischen Jugend: "Al-Kaida bot ihre eigenen Antworten auf eine allgemeine politische Krise der arabischen Regime. Diese Krise zeigte sich darin, dass ein friedlicher, demokratischer Wandel nicht in Aussicht war." Doch die Demokratiebestrebungen der arabischen Völker und das Fordern von sozialer Gerechtigkeit, Gleichheit und Pluralismus seien den Grundsätzen von Al-Kaida diametral entgegengesetzt, sagt Abu Rumman. Das entziehe dem Terror-Netzwerk den ideologischen Boden.

Bemerkenswert finden Experten auch Osama bin Ladens bisheriges Schweigen, da er sonst mit seinen Kommentaren in Form von Video-Botschaften nicht spart. Es scheint, er habe angesichts der gewaltigen Umbrüche nicht die passenden Worte gefunden, schrieb kürzlich Yassin Musharbash, Al-Kaida-Experte beim deutschen Nachrichtenmagazin "Der Spiegel". "Nicht Al-Kaida", so Musharbash, "hat sich als Avantgarde erwiesen, sondern die weltliche, internetaffine Jugend der arabischen Welt." Die Folge: Die Chefideologen des Terrornetzwerks wurden aus dem Konzept gebracht.

Diffuse Video-Botschaften

Ayman Al Sawahiri (Foto: youtube.com)
Ayman Al Sawahiri äußert sich in einem Youtube-Video zu den Revolutionen in Ägypten und TunesienBild: youtube.com

Doch trotz der Unfähigkeit von Al-Kaida, mit modernen sozialen Netzwerken wie Facebook und Twitter umzugehen, verstummte das Terrornetzwerk nach den Ereignissen in Ägypten nicht gänzlich. In einem Youtube-Video versucht Ayman Al-Sawahiri die Revolten in Tunesien und Ägypten in seinem eigenen Sinne umzudeuten. Der zweite Mann von Al-Kaida will sie als islamische Revolten gegen unislamische Despoten verstehen. Denn Sawahiri lehnt Demokratie als weltliche Staatsform ab, in der alles von den Launen der Mehrheit abhängt. Für ihn ist sie damit unislamisch – ein Demokratieverständnis, das beispielsweise an den Forderungen der Demonstranten in Libyen und Ägypten weit vorbeigeht.

Insgesamt sind sich die meisten Nahost- und Al-Kaida-Experten einig: Die Irrelevanz der altbekannten Parolen von Al-Kaida könnte ihr zum Verhängnis werden und sie in die Bedeutungslosigkeit stürzen. Eine echte Demokratisierung und die Herausbildung von Rechtstaaten machen die Gruppe endgültig überflüssig. Es muss aber nicht unbedingt überall so laufen, warnt Muhammad Abu Rumman. Denn der Einfluss der Al-Kaida sei nicht in allen Staaten gleich: "In Libyen zum Beispiel, das von der Stammeskultur stark geprägt ist, oder im Jemen, wo die sozialen Unterschiede sehr groß sind, ist der Zustand ein anderer als in Tunesien oder Ägypten." Ein politisches Vakuum in diesen Ländern könnte es also Al-Kaida ermöglichen, sich dort einzunisten und an Boden zu gewinnen.

Keine Entwarnung

Taliban in pakistan (Foto: AP)
In Ländern wie Pakistan sind islamistische Gruppierungen noch immer tief verwurzeltBild: AP

Und sollten die Herrscher in Libyen und Jemen den friedlichen, demokratischen Wandel nicht ermöglichen und ihre Länder somit in Chaos und Bürgerkriege stürzen, könne Al-Kaida für sich daraus Kapital schlagen. Entwarnung gibt auch der Islam-Experte Albrecht Metzger nicht. Denn die Rolle von islamistischen Gruppierungen in Ländern, in denen keine demokratischen Strukturen bestehen, sei immer noch nicht zu unterschätzen. Als Beispiel nennt er Pakistan, das ein wenig aus dem Blickfeld geraten sei: "Das ist ein ganz wichtiges Land für den Dschihadismus, weil dort die radikalen Taliban dabei sind, die Macht zu übernehmen und im Prinzip die gesellschaftlichen und politischen Strukturen zu bestimmen. Ich glaube, das wird ein wichtiges Schlachtfeld für Al-Kaida werden. Die arabische Welt, glaube ich, erstmal nicht."

Autor: Nader Alsarras
Redaktion: Daniel Pelz/tl