"Gorch Fock"-Bericht sorgt für Verwirrung
14. März 2011Rund vier Monate nach dem tödlichen Sturz einer Kadettin auf dem Ausbildungsschiff "Gorch Fock" liegt nun der Untersuchungsbericht des Marineamtes vor. Das 98-seitige Papier entlaste Norbert Schatz, den Kapitän der "Gorch Fock", schreibt die Financial Times Deutschland (FTD) in ihrer Montagsausgabe (14.03.2011).
Die erhobenen Vorwürfe hätten sich "zum großen Teil als nicht haltbar" erwiesen, zitierte die Zeitung aus dem ihr vorliegenden Bericht der Untersuchungskommission unter Leitung des Chefs des Marineamts, Horst-Dieter Kolletschke. Zuvor hatte die "Bild"-Zeitung unter Berufung auf dasselbe Dokument berichtet, der Kapitän werde doch nicht entlastet.
Das Bundesverteidigungsministerium wollte sich bislang nicht zu den Inhalten des Berichts äußern. Die Untersuchungskommission hatte das Papier in der vergangenen Woche an Marineinspekteur Axel Schimpf übergeben. Dieser soll den Bericht am Mittwoch im Verteidigungsausschuss des Bundestages vorstellen.
Drill, Schikanen, Nötigung?
Im November war eine 25-Jährige Kadettin bei Kletterübungen aus 27 Meter Höhe aus der Takelage auf Deck gestürzt. Sie erlag später ihren schweren Verletzungen. Offiziersanwärter hatten der Stammbesatzung daraufhin Schikanen an Bord bis hin zu sexueller Nötigung vorgeworfen. Der damalige Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) hatte Kapitän Norbert Schatz im Januar vorläufig suspendiert und eine Untersuchungskommission auf das Schiff geschickt. Die "Gorch Fock" wurde nach Deutschland zurückbeordert. Für seine Entscheidung war Guttenberg heftig kritisiert worden, weil er selbst zuvor vor einer vorschnellen Verurteilung des Kapitäns ohne eine entsprechende Ermittlung gewarnt hatte.
Kapitän wird entlastet
Laut FTD räumt der Untersuchungsbericht viele Vorwürfe gegen die Stammbesatzung und den Kapitän aus dem Weg. "Soweit Vorwürfe in Teilen bestätigt werden konnten, besaßen diese hingegen bei Weitem nicht die Qualität, die ihnen ursprünglich beigemessen worden ist", zitiert die Zeitung aus dem Bericht.
Die Untersuchungskommission habe für ihren Bericht 221 Offiziersanwärter und 192 Angehörige der Stammbesatzung der "Gorch Fock" befragt. Wie die FTD berichtet, widersprechen die Ermittler vor allem dem Kernvorwurf mehrerer Kadetten, sie seien nach dem tödlichen Sturz ihrer Kollegin aus der Takelage von ihren Ausbildern genötigt worden, wieder in die Segel zu klettern. Zwar hätten "einzelne Lehrgangsteilnehmer" die Enterausbildung "als negativ" empfunden, doch könne durch die Untersuchungen "nicht bestätigt werden", dass die Ausbilder nach dem Unfalltod der Kadettin "unangemessen massiven Druck" zum Aufentern ausgeübt hätten.
Zudem entlaste die Untersuchungskommission den suspendierten Kapitän Schatz. Als die Ausbildung am vierten Tag nach dem Tod der Kadettin wieder aufgenommen wurde, habe Schatz den Auszubildenden freigestellt, wieder in die Takelage zu klettern und bei den ersten Übungen Hilfestellung gegeben. Außerdem hätten die Ermittler keine Anhaltspunkte für systematischen Alkoholmissbrauch an Bord, sexuelle Exzesse oder herabwürdigendes Verhalten der Stammbesatzung gegenüber den Kadetten gefunden. In dem Bericht heißt es: Es sei auch wegen der räumlichen Enge und der fehlenden Privatsphäre an Bord des Seglers nicht zu vermeiden, dass die "menschliche Fehlbarkeit gelegentlich im Einzelfall zu Beanstandung Anlass gibt". Persönlichem Versagen Einzelner sei die Schiffsführung jedoch "konsequent begegnet".
Verschiedene Interpretationen des Berichts
Das Magazin "Focus" berichtete vor knapp zwei Wochen bereits von einer Entlastung des Kapitäns. Auch nach Informationen der "Kieler Nachrichten" vom vergangenen Donnerstag stehen in dem Bericht keine belastenden Aussagen zum Führungsstil von Schatz. Nach Angaben der "Bild"-Zeitung werden in dem Papier jedoch Ausbildungsdefizite beklagt. Offiziersanwärter seien auf ihre Aufgaben teilweise mangelhaft vorbereitet worden, schrieb die Zeitung.
Den Ermittlern der Marine zufolge, müssten die Ausbilder auf der "Gorch Fock" künftig "noch sorgfältiger und sensibler" auf mögliche Probleme der Kadetten mit Höhenangst achten und "inoffiziellen Strukturen" innerhalb der Mannschaft entgegenwirken. Die Zukunft der "Gorch Fock" ist bislang jedoch noch unklar. Sie wird nach einem mehrmonatigen Südamerika-Törn Anfang Mai wieder in Kiel erwartet. Flottenchef Manfred Nielson möchte die "Gorch Fock" weiterhin in Kiel haben, berichteten die "Kieler Nachrichten". Nach dem Willen von Ex-Verteidigungsminister Guttenberg sollte eine Kommission über die Zukunft des Schiffes beraten. Die wurde Berichten zufolge bislang jedoch noch nicht zusammengestellt.
Autorin: Julia Hahn (mit afp, dpa)
Redaktion: Marion Linnenbrink