Adele: Plattenvertrag der Superlative
27. Mai 2016DW: Einer der größten Deals der Musikindustrie: 117 Millionen Euro bekommt Adele von ihren neuen Label Sony. Und hat sich damit den teuersten Plattenvertrag der Musikgeschichte gesichert. Ist das ein echter Coup, auch wegweisend für andere Musiker, oder klug eingefädeltes Management, Herr Gorny?
Dieter Gorny: Es ist erstmal ein weiterer Erfolg einer supererfolgreichen Künstlerin - oder anders gesagt: für ein supernachgefragtes Produkt. Adele ist eine der wenigen großen europäischen Stars, die in der Lage sind, in solchen Größenordnungen Menschen und Fans weltweit anzusprechen. Was angesichts der Digitalisierung von Musik, den damit entstandenen Nischenmärkten und der ungeheuren Vielfalt immer schwieriger geworden ist.
Adele ist das Gegenbeispiel. Damit hat sie auch im Musikbusiness einen entsprechenden Status und auch ihren Marktwert. Daran sieht man auch, was für einen Wert die Musik und die Kunst generell auch heutzutage hat. Denn so ein Riesenerfolg einer Sängerin käme ja nicht zustande, wenn da nicht die Fans wären, die Adeles Musik haben wollen und ihre Platten kaufen. Und damit diese Nachfrage erzeugen.
Adele hat eine sehr eigene Art, mit der Vermarktung ihrer Musik umzugehen. Sie hat einen dicken Pflock gesetzt, gegen die Streamingkultur im Netz. Inwieweit ist sie da eine - im besten Sinne - eigensinnige Künstlerin, die sich nicht so schnell den Marktgesetzen unterordnet?
Das ist immer eine wichtige Entscheidung der Künstler und Künstlerinnen, zu sagen, in welchen Vertriebsformen sie sich wiederfinden möchten. Ich denke, wir müssen sowieso davon Abschied nehmen, dass in einer quasi durchdigitalisierten Welt alles für alle und überall auf der Welt verfügbar sein müsse.
Wenn Sie sich die Umsätze von Adele ansehen, dann sehen Sie, dass sie eine Musikerin ist, die sehr stark im üblichen Tonträgerbreich verkauft. Und dann ist es legitim, wenn sie sagt: "Dann verknappe ich mich auf den Streaming-Plattformen und bleibe im klassischen Plattenmarkt."
Diese Form des Exklusiven ist ja nichts Neues. Wir haben das auch im TV- und Bewegtbildbereich, wo digitale Plattformen wie Netflix ("House of Cards") oder Amazon Prime Exklusivangebote an Serien und TV-Inhalten machen. Und so ist es auch im Musikbereich, wo entschieden wird: Das bespielen wir nur über diese speziellen Kanäle. Das macht auch Sinn, da sitzt die stärkste Nachfrage.
Inwieweit ist das auch die Rückkehr zur CD oder zur analogen Schallplatte, weg vom weltweit verfügbaren digitalen Streaming? Erzählt uns das etwas über Adele, die ja erst 28 ist, als moderne junge Künstlerin?
Nein, es erzählt uns weniger über Adele, sondern es erzählt uns etwas über uns selber - als Musikkonsumenten und Fans. Wir müssen Abschied nehmen von der Eindeutigkeit der Entwicklung: Aus Vinyl wurde CD, aus CD wird jetzt zwingend etwas, was man nicht mehr anfassen kann, werden Streams und Ähnliches mehr.
Wert exklusiver Musikangebote wächst
Es gibt in Deutschland zum Beispiel einen hohen Prozentsatz an CD-Verkauf, fast 60 Prozent, einen wachsenden Vinylanteil und natürlich auch einen wachsenden Digitalanteil an den aktuellen Musikproduktionen. Ich glaube, dass es klug ist, den Wert der Musik nicht nach ihrem Transportmittel zu betrachten. Adele bleibt immer Adele, egal wie ich sie jetzt konsumieren möchte. Man sollte es den Menschen selbst überlassen, wie sie Musik konsumieren und hören möchten.
Es ist Sache der Künstler, der Musikindustrie und ihrer Partner, die Musik so anzubieten, wie sie gewünscht wird. Es ist nicht sinnvoll, da immer so Adjektive dran zu pappen: digital gleich cool. Und CD gleich "old fashioned". Und Vinyl: Ach Du liebe Güte! Es gibt eine enorm große Bandbreite, die es den Fans und Musikliebhabern möglich macht, an ihre Musik ranzukommen. Wir entscheiden als Fans, wie wir das am liebsten tun wollen.
Dieter Gorny ist deutscher Musikmanager und selbst Musiker. 1993 gründete er den Musiksender VIVA. Seit 2004 ist er Präsidiumsmitglied im Deutschen Musikrat und seit 2007 Vorstandsvorsitzender des Bundesverbandes Musikindustrie. Im März 2015 wurde er von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel zum "Beauftragten für Kreative und Digitale Ökonomie" berufen.