Kämpfe im Namen des Herrn - der erste Kreuzzug 1097 - 1099
Bereits 1071 verlor ein christliches Heer im ostanatolischen Mantzikert gegen muslimische Truppen. Doch die Nachrichten aus der Heiligen Stadt waren geeignet den päpstlichen Zorn zu erwecken: schließlich wurde davon berichtet, ehrbaren Christenmenschen seien während ihrer Pilgerfahrt unerträglichen Drangsalierungen der Heiden ausgesetzt gewesen. Für Papst Urban II. (ca. 1035 – 1099) war die Synode von Clermont im November 1095 der geeignete Moment zu einer "bewaffneten Pilgerfahrt" nach Jerusalem aufzurufen. Die Wortwahl des Heiligen Vaters ließ an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig:
"Sie beschneiden die Christen und das Blut der Beschneidung gießen sie auf den Altar oder in die Taufbecken. Es gefällt ihnen, andere zu töten, indem sie ihnen die Bäuche aufschneiden, ein Ende der Därme herausziehen und an einen Pfahl binden. Unter Hieben jagen sie sie um den Pfahl, bis die Eingeweide hervordringen und sie tot auf den Boden fallen. Ihr solltet von dem Umstand berührt sein, dass das Heilige Grab unseres Erlösers in der Hand des unreinen Volkes ist, das die heiligen Stätten schamlos und gotteslästerlich mit seinem Schmutz besudelt."
Massaker im Namen des Herrn
Das war vielleicht ein bisschen übertrieben. Richtig war jedoch, dass die muslimischen Herrscher eine Art Eintrittsgeld für Jerusalem erhoben. Für die christlichen Pilger war das ein unerträglicher Zustand, der dadurch noch verschlimmert wurde, dass in Jerusalem heilige Stätten, religiöse Figuren und Monumente zerstört worden waren. Diesen Zustand abzustellen, war Sinn des ersten Kreuzzugs, zu dem 1096 rund 300.000 europäische Ritter mit Aussicht auf lohnende Beute aufbrachen. Papst Urban II. stärkte die Kampfmoral der christlichen Krieger dadurch, dass er Ablass für alle vergangenen und zukünftigen Sünden auf Erden in Aussicht stellte. Aber auch das konnte den hohen Blutzoll nicht verhindern, den die Ritter mit dem Kreuz auf der Rüstung schon vor ihrer Ankunft in Jerusalem zu bringen hatten. Immer wieder wurden sie von Partisanen überfallen oder von lokalen Banden in Kämpfe verwickelt.
Bis Anfang Juli 1098 eroberten die christlichen Kämpfer Nicea und Antiochia. Über Beirut ging es weiter nach Jaffa und Haifa. Gottfried von Bouillon (um 1060 – 1100) gründete in Edessa den ersten "Kreuzfahrer-Staat". Drei Jahre nach ihrem Aufbruch erreichten die Kreuzfahrer Jerusalem. Im Juli 1099 begann die Schlacht des inzwischen auf 21.000 erschöpfte Ritter dezimierten Kreuzfahrer-Heeres um die heilige Stadt. Mit Rammböcken und Wurfmaschinen wurden die Befestigungsanlagen zerstört. Den Ruf "Gott will es!" auf den Lippen erstürmten sie schließlich Jerusalem und richteten dort ein bestialisches Blutbad an - nur wenige Bewohner der Stadt kamen mit dem Leben davon. Dieses Massaker stilisierten die Gotteskrieger zur "Reinigung" der Stadt von den Ungläubigen und hielten anschließend eine Dankprozession ab. Der Tag kostete 70.000 Menschen das Leben.
Kreuzfahrer-Staaten – Anlass für weitere Glaubenskämpfe
Mit Gottfried von Bouillon (1060 – 1100) wurde im Sommer 1099 ein Kreuzfahrer zum "Vogt des heiligen Grabes" ernannt. Neben Edessa gründeten sich weitere Kreuzfahrer-Staaten: Klein-Armenien, das Fürstentum Antiochia, die Grafschaft Tripolis und eben das Königreich Jerusalem. Diese Neuordnung des Nahen Ostens hielt nicht lange, denn die Region war umgeben von mächtigen arabischen Staaten, die das Treiben der Kreuzfahrer mit Wut und Empörung beobachtet hatten: Das Emirat von Damaskus, das Kalifat von Kairo und das Sultanat der Seldschuken. Sie setzten in den kommenden beiden Jahrhunderten alles daran, die Gebiete zurück zu erobern und boten damit Anlass für sechs weitere Kreuzzüge, denen bis in die Mitte des 13. Jahrhunderts einige Hunderttausend Menschen zum Opfer fielen.
In Europa aber waren die Kreuzzüge Ausdruck der christlichen Gemeinschaft, die sich unter päpstlicher Führung um das Kreuz geschart hat. Eine Art christliche "europäische Gemeinschaft" entstand. Jene "Universitas Christiana" einte Europa über einen langen Zeitraum. Das Zusammengehörigkeitsgefühl der Europäer basierte jedoch auf der religiös bedingten Ablehnung der Andersgläubigen. Es war keine Identität "mit" etwas, sondern "gegen" etwas.