Griechenland: Abhöraffäre ohne Aufklärung?
2. September 2022Griechenland hat sein "Watergate" - eine skandalöse Abhöraffäre, die vor einem Monat ans Licht kam und seitdem immer höhere Wellen schlägt: Anfang August 2022 wurde bekannt, dass Nikos Androulakis, Europaabgeordneter und Chef der sozialistischen Oppositionspartei PASOK, vom griechischen Geheimdienst EYP abgehört wurde und man versucht hatte, sein Smartphone mit der Spyware Predator zu infizieren, wenn auch ohne Erfolg. Außerdem wurde auch der Finanzjournalist Thanasis Koukakis monatelang abgehört.
Nun soll die offizielle Aufarbeitung der Affäre beginnen - doch die griechische Regierung scheint den Prozess verschleppen, wenn nicht sogar blockieren zu wollen. Am Donnerstag (1.09.2022) tagte in Athen erstmals ein Gremium des griechischen Parlaments zu dem Thema, in dem unter anderem der inzwischen zurückgetretene Chef des EYP, Panagiotis Kontoleon, auftrat.
Falsch, aber legal?
Zur nicht-öffentlichen Sitzung des Ausschusses für Institutionen und Transparenz waren sowohl Kontoleon als auch Grigoris Dimitriadis geladen, der ehemalige Bürochef des Premierministers Kyriakos Mitsotakis. Beide sollen sich darauf berufen haben, dass sie keine Informationen zur Verfügung stellen könnten, da diese "vertraulich'' seien. Nicht antworten, ausweichen, abwiegeln, schien das Motto der beiden zu sein.
In ähnlichem Stil war in der vergangenen Woche bereits Premier Mitsotakis aufgetreten. Im Parlament gab er am 26.08.2022 die Abhöraktion gegen Androulakis einerseits zu, sprach dann jedoch von einer "legalen", wenn auch "falschen" Aktion. Er persönlich habe davon nichts gewusst, wolle "den Fehler" aber zugeben.
Ist das Ausland verantwortlich?
Antworten auf die wichtigsten Fragen in der Afäre gibt es nach wie vor nicht: Warum wurde Androulakis überhaupt abgehört? Ist der Chef der zweitgrößten Oppositionspartei eine Gefahr für die nationale Sicherheit?
Ob die Antworten noch kommen, ist unklar. Demnächst wird sich ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss mit der Affäre befassen, doch die ersten Zeichen sprechen nicht für eine baldige Klärung der Angelegenheit. Lediglich die 142 Abgeordneten der Opposition stimmten für die Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses. Die 157 Abgeordneten der konservativen Regierungspartei Nea Dimokratia (ND) enthielten sich. Ihr politischer Wille zur Aufklärung scheint wenig ausgeprägt zu sein.
Das zeigte sich auch schon vor der Abstimmung. Die griechische Regierung spielte immer wieder die Karte der fremden Länder und der "dunklen Mächte", die Mitsotakis destabilisieren wollten. Anfangs ließ man Gerüchte kursieren, dass Androulakis wegen seiner Teilnahme in einem EU-China-Ausschuss abgehört wurde. Später, dass die Ukraine und Armenien um das Abhören gebeten hätten - was die Botschafter beider Länder in Athen sofort vehement dementierten. Die griechische Öffentlichkeit empfand diese Gerüchte eher als schlechten Witz.
Waren es Putin oder Erdogan?
Zu Anfang dieser Woche befeuerte der Premier Mitsotakis die Gerüchteküche weiter. Auf der Kabinettssitzung vom 30.08.2022 betonte er, dass "Moskau politische Instabilität in denjenigen Ländern verursacht, die auf seine Pläne reagieren". Er fügte hinzu, dass sowohl der russische Präsident Wladimir Putin als auch sein türkischer Amtskollege Recep Tayyip Erdogan "nicht verbergen, dass sie eine andere Regierung in Griechenland wollen". Dass hinter dem Abhörskandal Putin oder Erdogan stecken würden, sagte er allerdings nicht explizit.
Obwohl sogar der ehemalige Premierminister und langjährige Vorsitzende der konservativen Nea Dimokratia, Kostas Karamanlis, auf eine lückenlose Aufklärung pochte, versuchen die meisten Regierungsmitglieder derzeit, die Angelegenheit herunterzuspielen. "Selbstverständlich ist die Bespitzelung von Androulakis nicht das wichtigste Thema, besser reden wir über die Stromumlage, die die Regierung anbietet", betont beispielsweise immer wieder der Wirtschaftsminister Adonis Georgiadis, der fast täglich Gast im Morgenmagazin des regierungsfreundlichen Fernsehsenders SKAI ist.
Anhörung im EU- Parlament
Noch weniger wichtig scheint für die griechische Regierung die Bespitzelung von Journalisten zu sein. Noch vor der Offenlegung des Lauschangriffs von Androulakis war die Bespitzelung des Finanzjournalisten Thanasis Koukakis bekannt geworden, sowohl seitens des Geheimdienstes als auch durch die Abhör-Spyware Predator auf seinem Handy. Mittlerweile hat der EYP zwar zugegeben, dass der Journalist abgehört wurde, doch eine Verbindung zu Predator bestreitet er. Auf eine Erklärung, warum Koukakis abgehört wurde, wartet der Journalist noch immer. Der Premierminister verlor seinerseits kein Wort über den Fall.
Stattdessen interessiert sich nun das Europaparlament für die Bespitzelung von Journalisten in Griechenland. Am kommenden Donnerstag (8.09.2022) ist Koukakis zur Anhörung vor dem PEGA-Untersuchungsausschuss eingeladen.
Wer Kritik übt, liegt falsch
Solche Untersuchungen hat die Regierung Mitsotakis nicht besonders gern. Und noch weniger mag sie kritischen Journalismus. Es ist kein Zufall, dass Griechenland auf dem Pressefreiheitsindex von Reporter ohne Grenzen auf dem unrühmlichen Platz 108 gelandet ist.
Im Moment haben vor allem die Korrespondentinnen und die Korrespondenten internationaler Medien darunter zu leiden. Als die New York Times am 22.08.2022 einen kritischen Kommentar von Alexander Klapp über die Abhöraffäre publizierte, gab es einen regelrechten Krieg gegen den freien Journalisten in den regierungstreuen sozialen, digitalen und analogen Medien.
Attacken auf Journalisten
Noch schlimmer waren die Attacken gegen die Griechenland-Korrespondentin von Politico, Nektaria Stamouli. Sie hatte keinen Kommentar verfasst, sondern lediglich den Inhalt eines Antwortbriefs der griechischen Regierung an die EU-Kommission veröffentlicht, in dem die Athener Exekutive praktisch behauptete, die Medien würden nicht objektiv über die Abhöraffäre berichten, daher solle man sich keine Sorgen machen.
Die Reaktion des Regierungssprechers Jannis Oikonomou bestand darin, die Journalistin namentlich zu attackieren. Ihre Berichte seien "ungenau, irreführend und voreingenommen", so Oikonomou, weil sie "für ihre Beziehungen zu SYRIZA (linke Oppositionspartei, Anm.d.Red.) bekannt ist" - was auf Stamouli, die Vorsitzende des Verbandes der Auslandskorrespondenten in Griechenland ist, nicht zutrifft. Nur die Washington Post zu attackieren, wagten regierungsnahe Kreise" bisher nicht - obwohl es dieses Blatt war, das über ein "griechisches Watergate" schrieb.