Griechenland: Ich bleibe!
30. Juni 2016In Wood We Trust - Wir vertrauen auf Holz - so lautet der Werbeslogan zweier Brüder aus Nordgriechenland, die die Krise wieder zurück in den väterlichen Betrieb geführt hat. Leon und Babis Souras sind Ende Zwanzig und hatten eine Idee, mit der sie im Augenblick wieder Geld verdienen. Und das ohne ihre Heimat dabei verlassen zu müssen, wie so viele andere junge Leute in Griechenland.
In der Schreinerwerkstatt von Leon und Babis Souras in der nordgriechischen Ortschaft Kolindros nahe dem Olymp, wird wieder unermüdlich gearbeitet. Nicht an Schränken, Tischen und Stühlen, wie noch zu Vaters Zeiten. Die beiden Brüder stellen etwas Originelleres her: Herrenfliegen, in verschiedenen Mustern und Farben. Im Augenblick bis zu 500 Stück im Monat. Tendenz steigend.
Erfolg braucht solide Fundamente
"Wir legen bei unseren Herrenfliegen besonderen Wert auf feinste Handarbeit. Es sind ja alles Einzelstücke", erklärt Babis Souras. Das Design und Farbgebund bestimmt bei ihren Herrenfliegen vor allem die Maserung des verwendeten Holzes. Die jungen Schreiner verwenden ausschließlich alte Hölzer von Eichen und Buchen, die sie aus den Wäldern des Olympbergmassivs sammeln. Oder sie fragen bei den Obstbauern der Region an. Nach Kirsche, Walnuss und Olive. Auch Apfel- und Pfirsichhölzer stapeln sich bereits in ihrem Lager, aber mit diesen Hölzern laufen lediglich erste Tests.
Noch sind die beiden jungen Männer in ihrem Betrieb für alles alleine zuständig. Leon arbeitet an der Gestaltung und macht die Öffentlichkeitsarbeit, sein Bruder Babis kümmert sich um die Finanzen und den Herstellungsprozess. Während viele klein-und mittelständische Betriebe in Griechenland in den vergangenen Krisenjahren Pleite gingen oder kurz vor dem Aus stehen, haben die beiden ehemaligen Mathematiker erst geträumt – und dann gewagt und gestaltet. Die Schreinerei ihres Vaters, die wirtschaftlich nicht mehr gut da stand, wurde wieder auf Kurs gebracht, erklärt Leon Souras: "Seit 2009 ging es der Schreinerei des Vaters wirtschaftlich nicht mehr gut. Vor zwei Jahren dann fuhr er einen Verlust von fast 90 Prozent ein. Mein Vater hatte praktisch keine Aufträge mehr."
Die beiden Brüder merkten, sie mussten rasch handeln. Der Zeitpunkt schien günstig, denn Bruder Babis fand als Mathematiklehrer noch keine Arbeit und Leon hatte seine zweite Ausbildung als Designer in London gerade beendet. So wurde nicht lange gezögert. "Unsere Idee war das Schreinern, das wir von Kindesbeinen an kannten, neu aufzuwerten. Ich blätterte in meinem Modellbuch herum und sah eine Herrenfliege, die ich mal gezeichnet hatte. So fing alles an.“
Ausnahmen bestätigen die Regel
Was die beiden Brüder in nur zwei Jahren geleistet haben, gehört in Griechenland zu den Ausnahmen. Fast 30.000 klein- und mittelständische Betriebe sollen in den vergangenen Jahren allein ins benachbarte Ausland, nach Bulgarien, Serbien und in die Türkei emigriert sein. Um Produktionskosten zu sparen oder die hohe Einkommenssteuer von 35 Prozent in Griechenland zu umgehen.
Als "ungute Situation" bezeichnet dies der Vorsitzende der westmakedonischen und thrakischen Handelskammer, Pandelis Philippidis: "Das einzige, wovon man ausgehen kann, ist, dass viele Firmen einfach schließen. Genaue Zahlen haben auch wir nicht, weil sich niemand bei uns abmeldet." Dabei bräuchte die griechische Wirtschaft gerade jetzt Firmen, die im Land gegründet werden und die Wirtschaft stärken.
42 Vereine sind unter dem Dachverband von Philippidis Handelskammer vereint. Der Mann weiß wovon er spricht: "Es ist im ganzen Land schwierig, aber bei uns in Nordgriechenland sieht die Situation noch dramatischer aus. Den Unternehmern geht es schlecht und die Banken verbleiben noch immer sehr zögerlich in der Vergabe von weiteren Krediten. Da helfen auch nicht die positiven Signale aus Brüssel."
Die Schreinerei floriert
Für die beiden Herrenfliegen-Hersteller kommt ein Wegzug nicht in Frage. Vor allem der Handel weltweit übers Internet läuft gut. Kaum zwei Jahre ist ihre neue Firma namens Exallo alt und täglich flattern neue digitale Aufträge ins Haus. Auch von deutschen Unternehmen, die Holzfliegen mit einem eigenen Firmenlogo für Mitarbeiter und Messepersonal ordern wollen.
Leon ist froh, dass er und sein Bruder im Land geblieben sind. Vor allem jetzt nach der jüngsten Einigung der griechischen Regierung mit den europäischen Geldgebern, hoffen gerade Jungunternehmer wie sie zumindest auf die Chance nach neuen Absatzmärkten im Ausland.
Doch wegen der hohen Steuerauflagen der Regierung, haben nicht alle Handwerker so viel Glück, wie die beiden Brüder. Denn ohne solides Startkapital oder einer Förderung der Jungunternehmen, blicken nicht alle zuversichtlich in die Zukunft.
Der Designer Leon Souras vernimmt die Klagen von allen Seiten. "50 Prozent der Fachbetriebe, die ich kenne, mussten schließen. Einige Kollegen sind in ein anderes Land gezogen, um Arbeit zu finden. Andere sind sogar mit ihrer gesamten Firma ins benachbarte Ausland gezogen. Der größte Teil aber macht jetzt weiter und arbeitet schwarz ohne irgendwelche Einnahmen steuerlich geltend zu machen“. Für die meisten Betriebe sind die neuen Steuerauflagen einfach zu hoch, vor allem wenn sie verschuldet sind.
Ohne Kredite geht's besser
Die jungen Handwerker Leon und Babis Souras glauben, dass ihnen die Übernahme der väterlichen Werkstatt so leicht fiel und sich ihre neue Firma Exallo sich so gut entwickelt, weil sie beim Start weder verschuldet waren noch neue Kredite für die Umgestaltung brauchten. Erst nach und nach wollen die Brüder in neue Maschinen investieren. Deshalb müssen sie mit dem auskommen, was im Betrieb des Vaters bereits vorhanden ist.
Wenn es mehr Unternehmer und Handwerker in diesem Stil in Griechenland geben würde, bräuchte sich auch Toula Tektonidou, Generalsekretärin für Wirtschaftsbeziehungen und Entwicklungsarbeit im griechischen Wirtschaftsministerium, kein Kopfzerbrechen machen. Weder über die hohe Jugendarbeitslosigkeit, die bei 58 Prozent liegt, noch über die Firmen, die über Nacht verschwinden. Aber diese bräuchten, wenn es nach ihr ginge, sowieso nicht mehr zurück kommen. "Wir wollen hier wieder echte Existenzgründungen haben", erklärt die Wirtschaftsexpertin in überzeugendem Ton.
Inzwischen haben die Souras-Brüder ihr Sortiment erweitert. Zu den Herrenfliegen sind Manschettenknöpfe, Handyetuis, Hochzeitseinladungskarten, Fotoalben und Geschenkdosen hinzugekommen. Alles aus Holz versteht sich. Im Augenblick entwickeln sie stylische Holztaschentücher fürs Jackett sowie feine Herren- und Damentaschen.
Und eines wird bei ihnen deutlich: Wer mit Innovationen und handwerklichem Geschick etwas wagt, braucht sich auch inmitten der griechischen Krise, trotz neuer Steuern und Kapitalverkehrskontrollen um die Zukunft im Land keine Sorgen zu machen.