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Griechenland: Millionenschwere TV-Lizenzen versteigert

Jannis Papadimitriou, Athen 2. September 2016

Durch ein umstrittenes Zulassungsverfahren hat die Tsipras-Regierung einen Teil der griechischen Medienlandschaft umgekrempelt. Landesweite TV-Lizenzen werden neu vergeben - und viele Sendebetreiber gehen leer aus.

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TV-Bildschirme in Athen (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa/A. Vlachos

Für insgesamt vier TV-Lizenzen erhält der klamme griechische Staat stolze 246 Millionen Euro. Mehr als vier Privatsender will die Regierung nicht zulassen. Nach einem 67-stündigen Auktionsmarathon steht das Ergebnis am Freitag fest: Reeder Jannis Alafouzos, Inhaber von Skai TV und Haupteigner des Fußball-Vizemeisters Panathinaikos, darf weiter senden - genauso wie Reeder-Kollege Thodoris Kyriakou, Chef von Antenna TV. Vor dem Aus steht die mächtige Vardinogiannis-Familie mit ihrem Sender Star. Griechenlands größter Privatsender MEGA, seit 1989 in Betrieb, war schon im Vorfeld der Auktion ausgeschieden. Außen vor bleibt auch Alpha TV - eigentlich eine Überraschung, nachdem die deutsche RTL-Gruppe den Sender im Zeitraum 2008-2012 übernommen und auf Vordermann gebracht hatte. Dafür kommen zwei neue Akteure ins Spiel: Baulöwe Ioannis Kalogritsas und Vangelis Marinakis, Schiffsmagnat der jüngeren Generation und Eigentümer des Dauerfußballmeisters Olympiakos Piräus. Beiden wird ein gutes Verhältnis zur linksgeführten Athener Regierung nachgesagt.

"Wer schon ein Fußballteam besitzt, kriegt jetzt einen Fernsehsender", witzeln manche Kommentatoren. Die Pointe stimmt nicht ganz: Außen vor bleibt immerhin der griechisch-russische Unternehmer Ivan Savidis, Chef des Traditionsvereins PAOK Saloniki, der auch als prominenter Putin-Versteher gilt. "Wir hatten ursprünglich mit einem Preis von ein paar Millionen gerechnet, aber nicht mit 70 Millionen. Da liegt der Preis für eine TV-Lizenz doch viel höher als ihr Wert", klagt er. Den Auktionsmarathon im staatlichen "Generalsekretariat für Kommunikation" bezeichnet Savidis als "originell". Das ist stark untertrieben: Tagelang war das Gebäude abgeriegelt und von hunderten Polizisten mit Spürhunden bewacht worden. Während der Auktion mussten alle TV-Chefs im Haus notdürftig übernachten und ihr Handy abgeben; nicht einmal die Toilette durften sie ohne Polizeischutz aufsuchen. Dafür hagelt es Kritik: Ein staatliches "Roulette zur Vergabe von Casino-Lizenzen" beklagt die auflagenstärkste Athener Zeitung Ta Nea. Nach Auffassung des Blattes "rächt sich die Regierung an den elektronischen Medien", die Linkspremier Alexis Tsipras stark kritisiert hatten, als er noch in der Opposition war.

Tsipras' Kampf gegen die Korruption

Linkspremier Tsipras freut sich über den Ausgang des Vergabeverfahrens. "In diesem Land gibt es nun mal Regeln, und alle sind gleich vor dem Gesetz", donnerte der Regierungschef am Freitag in einer Rede auf dem Peloponnes. Auch ausländischen Investoren sei die Botschaft mitgegeben, dass die Regeln für alle gelten, fügte er hinzu. Seine Regierung werde sich nicht an politischen Spielchen beteiligen. Das Beste kam zum Schluss: Die erzielten Einnahmen in Höhe von 246 Millionen Euro seien viel höher als ursprünglich erwartet. "Ich verspreche euch, dass wir dieses Geld für die Unterstützung der sozial Schwächeren ausgeben - und zwar bis zum letzten Euro", erklärte Tsipras vor begeisterten Zuhörern. Die konservative Oppositionspartei Nea Dimokratia (ND) läuft Sturm gegen das Vergabeverfahren: "Die Regierung bastelt an einem Medien-Oligopol und verfolgt eine willkürliche Politik, indem sie nur vier TV-Lizenzen vergibt und dazu auch noch die Kompetenzen der unabhängigen Medienanstalt (ESR) beschneidet", sagt ND-Sprecher Jorgos Koumoutsakos. Nicht die Regierung, sondern eine unabhängige Medienbehörde hätte das Vergabeverfahren durchführen sollen.

Der griechische Linkspremier Alexis Tsipras (Foto: AFP)
Tsipras: "Das Geld für die Unterstützung der sozial Schwächeren ausgeben"Bild: Getty Images/AFP/T. Charlier

Auch Stamatis Nikolopoulos, Chef der Journalistengewerkschaft ESIEA, kritisiert die Einmischung der Regierung in die Vergabepraxis. Er sieht aber ein noch viel gravierenderes Problem. "Sollten die TV-Sender, die keine Lizenz bekommen, tatsächlich den Betrieb einstellen, dann würden hunderte Journalisten in die Arbeitslosigkeit entlassen. Das können wir nicht zulassen", mahnt Nikolopoulos im Gespräch mit der DW. Der Gewerkschafter will mit der Regierung über eine Weiterbeschäftigung seiner Kollegen verhandeln und schließt auch Streiks nicht aus: "In der Vergangenheit hatten wir uns ja auch für die Kollegen des öffentlich-rechtlichen Fernsehsenders ERT eingesetzt. Wir können nun nicht darüber hinwegsehen, dass Arbeitsplätze im privaten Fernsehen bedroht werden."

Ein juristisches Nachspiel

Doch zunächst hat die Vergabe der TV-Lizenzen ein juristisches Nachspiel. Das signalisierte nicht zuletzt ein ungewöhnlicher Vorfall während des langwierigen Auktionsverfahrens im "Generalsekretariat für Kommunikation": Zehnmal erschien der Gerichtsvollzieher an der Pforte, klingelte vergeblich, heftete eine Handvoll Papiere an die Eingangstür und ging schweigend wieder.

Was war passiert? Alle Bewerber um die TV-Lizenzen hatten zwar ihre Teilnahme an der Auktion zugesagt, zugleich aber auch vorläufigen Rechtsschutz beantragt und diverse Klagen eingereicht - sowohl gegen die Regierung, als auch gegen sämtliche Konkurrenten. Dazu kommt eine weitere juristische Komplikation: Vor dem obersten Verwaltungsgericht Griechenlands ist eine Nichtigkeitsklage gegen das Auktionsverfahren anhängig, ein Urteil wird Mitte September erwartet. Oppositionspolitiker sehen die Medienfreiheit im Würgegriff der Athener Regierung und mahnen, das oberste Verwaltungsgericht werde das umstrittene Vergabeverfahren im Nachhinein für verfassungswidrig erklären. Doch die Regierung sieht sich im Recht: Nicht die Vergabe von TV-Lizenzen, sondern das bisherige Chaos in der Medienlandschaft sei wirklich verfassungswidrig, sagte Rania Svigou, Sprecherin der regierenden Linkspartei Syriza, in einem TV-Interview.