Weiter Kritik an deutschen Flughafenkontrollen
29. November 2017Es sollte ein Routineflug von Griechenland nach Deutschland sein. Aber als die Maschine der Aegean Airlines in Stuttgart gelandet war, hatte George Anastasopoulos das Gefühl, dass irgendwas nicht stimme. Der Pilot parkte das Flugzeug in deutlichem Abstand zu anderen Maschinen. Das Gate, das sonst an die Kabine gedockt wurde, fehlte dieses Mal. Stattdessen wurden die Passagiere zu einem gesonderten Bus gebeten, der sie zu einem abgelegenen Teil des weitverzweigten Flughafengeländes brachte. "Das hatte etwas von einer seltsamen Quarantäne", erinnert sich der weitgereiste Ingenieur Anastasopoulos. Zwei Stunden seien ihre Pässe dann peinlich genau untersucht worden. Die Art und Weise habe allen Regelungen europäischer Freizügigkeit gespottet, sagt Anastasopoulos. "Ich fühlte mich so herabgesetzt und entwürdigt." Damit war er nicht allein.
Tatsächlich sind durch das Schengen-Abkommen - für viele die größte Errungenschaft der Europäischen Integration - Kontrollen bei Grenzübertritten zwischen den meisten EU-Staaten eigentlich abgeschafft.
Laut Innenministerium tausend illegale Einreisen
Doch Europas anhaltende Flüchtlingskrise und der islamistische Terror haben die Schwächen des Schengen-Systems offenbart und Länder wie Deutschland von einer früher liberalen Zuwanderungspolitik abrücken lassen. Reisende aus Griechenland wurden vom Schengen-Status ausgeklammert. Dem deutschen Innenministerium zufolge wurden die Maßnahmen bereits Anfang November ergriffen, nachdem die deutschen Behörden seit Jahresbeginn mehr als tausend illegaler Einreisen aus Griechenland registriert hatten. Um in der nahenden Weihnachtszeit die Angst vor Terroranschlägen zu dämpfen, wurden die Vorkehrungen noch weiter verstärkt, so das Ministerium. Doch wie auch immer Berlin die Maßnahmen begründet, die Empörung in Griechenland ist groß. Man fühlt sich als Buhmann und überdies ausgerechnet von dem Land gedemütigt, das mit einer als unerbittlich empfundenen Sparpolitik für den Ruin der griechischen Wirtschaft verantwortlich gemacht wird.
"Mag ja sein", sagt Flugpassagier George Anastasopoulos, "dass Deutschlands Maßnahmen zulässig sind." Es könne auch sein, dass Griechenland für das schlechte Management der Flüchtlingskrise verantwortlich sei. "Aber das rechtfertigt keine einseitigen Maßnahmen. Das wäre so, als würde der US-Bundesstaat Massachusetts Reisende aus Kalifornien wie Ausländer behandeln, weil es in Kalifornien von Migranten wimmelt."
Menschenschmuggel befeuert Sorgen um Sicherheit
Aufgeschreckt von der kochenden Volksseele, legte die griechische Links-Regierung von Alexis Tsipras in Berlin Beschwerde ein.
Doch die Sicherheitsbedenken, so gerechtfertigt sie auch sein mögen, beschränkten sich nicht auf Deutschland, betonen Experten. Mit 60.000 Flüchtlingen und Asylsuchenden, verteilt über das ganze Land, wurde Griechenland zu einem Knotenpunkt des Menschenschmuggels. Internationale kriminelle Netzwerke versorgen dabei ungestraft illegale Migranten mit falschen Pässen und Personalausweisen.
Wenige Tage, bevor Deutschland seine Einreiseregeln verschärfte, halfen britische Beamte der griechischen Polizei beim Ausheben eines Schmugglerrings in Athen, der vier Fälscherwerkstätten betrieben hatte. Andere geheime Schlepperbanden waren bereits aufgeflogen. Ihnen wird das Einschleusen tausender Migranten aus dem Nahen und Mittleren Osten nach Italien, Spanien und Deutschland vorgeworfen.
Trotz wiederholter Schläge gegen diese Banden bleibt der Menschenschmuggel in Athen allgegenwärtig, und zwar derart, dass ganz offen deren Visitenkarten unter Migranten verteilt werden, die verzweifelt versuchen, nach Mitteleuropa und vor allem nach Deutschland zu gelangen.
"Das Problem ist das Glück"
"Die falschen Pässe und Ausweise gibt es überall", sagt Mohammed, ein 27-jähriger Asylsuchender aus Gaza: "Die billigsten und die man auch am leichtesten bekommt, sind die französischen, spanischen und italienischen, die kriegst du schon ab 250 Euro. Die sind auch am wenigsten verdächtig für Leute wie uns. "Das Problem ist das Glück", sagt Mohammed und nimmt einen tiefen Zug an seiner Zigarette, "und damit ist es gerade nicht weit her, besonders am Flughafen."
So wie auch seine drei arabischen Freunde, mit denen er im Neonlicht eines Cafés im Athener Stadtzentrum sitzt, verspürt Mohammed bereits die verschärften deutschen Sicherheitsmaßnahmen. Allein im letzten Monat musste er drei Passkontrollen entwischen. Seinen letzten Versuch, einen gefälschten französischen Pass zu bekommen, hat er am 22. November unternommen.
"Vorher war das viel einfacher. Die Jungs an den Kontrollen haben nicht so aufgepasst. Jetzt ist es zu streng, also warten wir." Letztes Jahr hatte Frankreich eine Sondereinheit nach Griechenland geschickt, um gefälschte Pässe zu identifizieren. Sie fanden Tausende. Die Regierung in Athen gab zu, dass ihre unterfinanzierten Behörden hier überfordert sind. Um verärgerte Reisende zu besänftigen, sollen gleichwohl nun griechische Beamte bei den umstrittenen Sicherheitskontrollen an deutschen Flughäfen aushelfen.
Viele Griechen wollen es jedoch nicht darauf ankommen lassen: "Es ist Ferienzeit", sagt Harry Kosmatos. "Wer will da seinen Anschlussflug verpassen? Ich habe gerade meinen Flug nach München storniert. Vielleicht fliege ich jetzt über Zürich nach New York."