Griechische Wirtschaftsträume
5. April 2016Auf einer großen Leinwand sind zwei Fotos mit großen, sich sehr ähnelnden Felsformationen zu sehen. Die eine gehört zur griechischen Kykladen-Insel Santorin, einem beliebten und profitablen Touristenziel. Die andere Felsformation, so erklärt der griechische Vize-Außenminister Dimitris Mardas, sei hingegen wertlos. Mardas ist nach Berlin gekommen, um auf einem deutsch-griechischen Wirtschaftsforum die Werbetrommel für sein Land zu rühren. Es geht um die Frage, wie Griechenland wirtschaftlich wieder auf die Beine kommen kann.
Mardas spricht von einem "Investitions-Schock", der nötig sei und hat auch eine Zahl zur Hand: 100 Milliarden Euro, so rechnet er vor, müssten in den nächsten vier Jahren in die griechische Wirtschaft fließen, um das Land aus der Schieflage zu holen. "Nur so können wir die Verschuldung bewältigen." Doch wo soll das Geld herkommen? Mardas räumt ein, dass lediglich 20 Milliarden Euro aus EU-Fonds stammen werden. Der Rest, so der Minister, müsse von der Privatwirtschaft aufgebracht werden.
Santorin klonen?
An diesem Punkt kommen wieder die Bilder mit den Felsformationen ins Spiel. Sie gehören zu einer Liste von Geschäftsideen, die der griechische Minister mit nach Berlin gebracht hat. Man könne aus dem wertlosen Archipel doch ein zweites Santorin machen, schlägt Mardas den staunenden Zuhörern auf dem Wirtschaftsforum vor.
Santorin klonen? Brigitte Zypries, Staatsministerin im Bundeswirtschaftsministerium, die bei diesem Programmteil des Wirtschaftsforums mit auf dem Podium sitzt, scheint sich nur mit Mühe zurückhalten zu können. Auch wenn die Aufgabe gewaltig sei, müsse man doch schauen, was realistisch sei. "Ein zweites Santorin wäre keine gute Idee", wirft sie ein. "Da brauchen Sie erst einmal ein paar tausend Jahre geschichtlichen Hintergrund, das kann man nicht einfach so beschließen."
Doch Mardas lässt sich nicht beirren. "Wir brauchen radikale Ideen", verteidigt er sich. Mit einem konventionellen Denkansatz werde das Land nicht das Wachstum erreichen, das nötig sei, um die öffentliche Verschuldung in den Griff zu bekommen. "Wir bauchen neue Ideen im Service, im Tourimus, Änderungen im Denken." Damit könne man "interessante Gewinne" machen, lockt er die rund 300 Geschäftsleute im Saal.
Fehlende Sicherheit
Doch die sind eher skeptisch, auch wenn sie wissen, dass Griechenland auf Deutschland und vor allem auf deutsche Investitionen angewiesen ist. Fünf Jahre Rezession haben in Griechenland tiefe Spuren hinterlassen, das Land wird auch in diesem Jahr nicht über ein Nullwachstum hinauskommen. Knapp ein Drittel der in Griechenland ansässigen deutschen Unternehmen haben sich in den letzten Jahren aus dem Land zurückgezogen. Von den noch verbliebenen erwartet nur ein Drittel für 2016 eine Verbesserung ihrer Geschäfte vor Ort. Das ergibt sich aus einer aktuellen Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertags. Die größten Bedenken haben die Betriebe mit Blick auf Steuern und Rechtssicherheit. Kopfschmerzen verursacht aber auch die schwache Binnennachfrage in Griechenland. Zudem behindern die Kapitalverkehrskontrollen nach wie vor den Außenhandel.
Am meisten drückt die Unsicherheit. Der Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone ist nach wie vor nicht vom Tisch. Die Wahrscheinlichkeit eines "Grexit" bis zum Jahr 2020 wird von Experten auf 60 Prozent geschätzt. Es sei viel Vertrauen verloren gegangen, sagt auch der Präsident des deutschen Industrieverbandes BDI, Ulrich Grillo. Investoren bräuchten aber genau dieses Vertrauen. Auch in ein zuverlässiges Rechts- und Steuersystem, günstige Finanzierungsbedingungen und eine effektive Verwaltung. Grillo sieht daher die Politik gefragt. "Wir fordern die griechische Regierung auf, entscheidende Schritte vorwärts zu tun." Auch wenn Griechenland viele schmerzhafte Reformen unternommen habe: "Es bleibt immer noch viel zu tun."
Weniger Privatisierungen
Doch um den Reformeifer der Griechen ist es derzeit nicht besonders bestellt. Das scheint auch auf dem Wirtschaftsforum immer wieder durch. So erklärt der griechische Wirtschaftsminister Giorgios Stathakis fast beiläufig, dass sein Land nun doch viel weniger privatisieren werde, als mit den Gläubigern vereinbart. "Ich denke, wir sind uns alle einig, dass diese Idee der 50 Milliarden Euro Privatisierungssumme einfach realitätsfern war", so Stathakis. Bislang seien 2,5 Milliarden Euro über Privatisierungen eingenommen worden. "Am Ende werden es vielleicht sechs bis sieben Milliarden Euro werden." Eine Summe, die "mehr oder weniger realistisch" sei, so der Minister.
Stathakis, aber auch sein Kollege Mardas sehen Griechenland in vielen Bereichen am Ende der Reformfähigkeit angekommen und erzählen lieber von Exzellenzzentren, neuen Gesetzen für Investitionszuschüsse und von Gewerbe- und Industrieparks. "Jeder Investor kann dort leere Gebäude finden und in drei bis sieben Tagen die Genehmigung haben", verspricht Mardas. Wer in Griechenland investieren wolle, müsse unterstützt werden und dürfe nicht an bürokratischen Hürden scheitern.
"Wenden Sie sich an mich!"
Dass das jedoch nach wie an der Tagesordnung ist, macht ein Zuhörer auf dem Wirtschaftsforum deutlich, der von einer zweijährigen Odyssee durch die Ämter berichtet. Wenn er sich an die Regionalregierung gewendet habe, sei er von dieser an die Zentralregierung verwiesen worden. Dort habe man ihn aber nur wieder zurück zu den regionalen Behörden geschickt. "Wir können inzwischen noch nicht einmal mehr Demonstrationsprojekte realisieren", klagt der Zuhörer. Dimitris Mardas wischt das Problem beiseite. "Wenden Sie sich nicht an die regionalen Behörden", sagt er. "Wenden Sie sich an mich, dann klappt das schon."