Vor 60 Jahre vollendet: Grimmsches Wörterbuch
4. Januar 2021Ewig schwer und meterlang: Das "Deutsche Wörterbuch" der Brüder Grimm ist ein Werk der Superlative. Den "edelsten, ursprünglichsten aller Laute" nannten die beiden Sprachwissenschaftler und Volkskundler Jacob und Wilhelm Grimm den Buchstaben "A". Erwartungsgemäß beginnt ihr berühmtes "Deutsches Wörterbuch" damit, dass sie den Vokal ausführlich sprachgeschichtlich beschreiben.
Schon im zweiten Eintrag stoßen sie auf die Buchstabenfolge: "AA", einen in Deutschland mehrfach vorkommenden Flussnamen. Und danach auf das "aa! bzw. "aa machen", was nichts anderes heißt als: seine "Notdurft verrichten". Es folgen der "Aal", aber auch "aalglatt" und "aalglatter Heuchler."
Das war der sprachwissenschaftliche Auftakt eines ambitionierten Projektes. Jacob und Wilhelm Grimm wollten die Herkunft und Verwendung jeden deutschen Wortes, ja die gesamte neuhochdeutsche Sprache von Luther bis Goethe "in aller Gründlichkeit" erfassen.
Wie alles begann
Unverhofft hatten die beiden Professoren für Sprachwissenschaft damals gerade viel Zeit. Die Universität Göttingen hatte sie gefeuert, weil sie mit anderen Professoren, den "Göttinger Sieben", für eine liberalere Verfassung eingetreten waren. Während Jacob und Wilhelm Grimm ohne Anstellung waren, ermunterte sie der Leipziger Verleger Salomon Hirzel, "ein neues, großes Wörterbuch der deutschen Sprache abzufassen". Hirzel bot an, das Projekt auch verlegerisch zu unterstützen.
1838 begannen die Brüder in Kassel ihre Arbeit am Deutschen Wörterbuch - eine Mammutaufgabe, die sie zu ihren Lebzeiten nicht bewältigen konnten. Auch wenn das Wörterbuch anfangs nur für einige wenige Bände geplant war - am Ende wurde es im wahrsten Sinne des Wortes zu einem Jahrhundertwerk und umfasste 16 Bände.
Eine politische Agenda für das Deutsche Reich
Das Ganze hatte auch eine explizit politische, nationale Dimension. Es sollte das zu jener Zeit in Klein- und Kleinst-Staaten zersplitterte Deutsche Reich sprachlich einen. Die "Mannigfaltigkeit der Mundarten" gelte es zu erhalten, so Wilhelm Grimm: "Die Schriftsprache ist das Gemeinsame, das alle Stämme verbindet." Das Unterfangen nahm an Fahrt auf und wuchs am Ende auf mehr als 100 Mitarbeitende an, die mit den Grimms damals bald eine halbe Million sprachgeschichtlicher Belege zusammentrugen.
Auf dem Germanistentag im Jahr 1846 bat Wilhelm Grimm seine Kollegen um Geduld. Das angekündigte Wörterbuch sei noch nicht fertig: "Ein Werk dieser Art bedarf langer und mühsamer Vorarbeiten, deren Beendigung nicht erzwungen werden kann."
Das sollte sich bewahrheiten: Erst 1854 erschien der erste Band des "Grimmschen Wörterbuchs". Doch fünf Jahre später starb Wilhelm Grimm, der bis dahin die Einträge für den Buchstaben D zusammengetragen hatte. Seinem Bruder Jacob gelang es noch, die Buchstaben A, B, C und E fertigzustellen. Bereits das F konnte er nicht mehr abschließen: Als er 1863 starb, saß er gerade am Wort "Frucht".
Die Brüder Grimm kamen nur bis "F"
Nach der Veröffentlichung des ersten Bandes sollte es noch weitere 107 Jahre dauern, bis das Werk vollendet war. Generationen von Germanisten nahmen sich nach dem Tod der Brüder Grimm ihres gigantischen Vorhabens an. Ab 1908 kümmerte sich die Preußische Akademie der Wissenschaften um die Umsetzung des Wörterbuchs - während des Kalten Krieges sogar in Ost- und Westdeutschland. Am 4. Januar 1961 erschien schließlich mit dem letzten Eintrag für Z wie "Zypressenzweig" der zunächst letzte Band.
Zu diesem Zeitpunkt waren die originalen Einträge der Brüder Grimm aus dem 19. Jahrhundert jedoch schon so veraltet, dass sie komplett überarbeitet werden mussten. 2016 wurde eine Neubearbeitung der Grimmschen Originaltexte veröffentlicht. Sie reicht aber nur bis zum Buchstaben F. Nach 178 Jahren wurde damit der Schlusspunkt unter "Das Deutsche Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm" gesetzt.
Heute ist das analog gut 84 Kilo schwere Werk vor allem in digitaler Version zu bekommen. Unter anderem stellt die Universität Trier kostenlos eine Online-Ausgabe, den "Digitalen Grimm " zur Verfügung. Bis heute sind aber auch noch Papierausgaben erhältlich, unter anderem beim Hirzel-Verlag. Das Wörterbuch der Brüder Grimm ist ein Monumentalwerk der deutschen Sprache- ein Unikat, das es bis ins Guinness Buch der Rekorde geschafft hat.
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